Um zu evaluieren, ob ein Roboter für den kollaborativen Betrieb geeignet ist, muss folglich genau auf die Applikation geschaut werden. Große Roboter und schwere Teile stellen nicht unbedingt ein Hindernis für MRK-Anwendungen dar. Mit sicherer Sensorik ausgestattet, können die Roboter bei langsamer Geschwindigkeit gemeinsam mit Menschen arbeiten. Als Beispiel sei eine Anwendung genannt, in der ein Roboter ein Reserverad in ein Auto einlegt. Hier verhindert entsprechende Sensorik schon vorab einen Stoß des Roboters oder limitiert dessen Kraft. Mit sicheren Momenten-Sensoren kann schnell auf Abweichungen der Kräfte innerhalb der geplanten Bahn des Roboters reagiert werden, so dass sich Schäden an Personen abwenden lassen.
Weil die Energie bei einem Stoß im Quadrat zur Geschwindigkeit zunimmt, reicht in der genannten Applikation eine geringe, sicher begrenzte Robotergeschwindigkeit aus, um die Stoßenergie bei einem ungewollten Kontakt auf das zulässige Maß zu beschränken. Gleichzeitig hängt die Energie beim Aufprall des Roboters von dessen effektiver Masse und vom getroffenen Körperteil ab. Ist keine hohe Nutzlast gefordert, erweist es sich deshalb als sinnvoll, auch die Masse des Roboters zu verringern. Besonders dann, wenn ein Stoß nicht nur an der Hand oder am Arm des Mitarbeiters erwartet wird, lässt sich durch eine Reduzierung der Masse unter Umständen eine etwas höhere Geschwindigkeit des Roboters erreichen. Vor diesem Hintergrund etablieren sich immer mehr Leichtbauroboter-Modelle auf dem Markt für MRK-Anwendungen. Sicherheitsbezogene Kraft- oder Momenten-Sensoren im Robotersystem sorgen dafür, die Kraft des Roboters zu begrenzen und ihn im Fehlerfall schnell abzuschalten.
Grenzen des Körperkontakts
Die Teile 1 und 2 der aktuell harmonisierten Norm EN ISO 10218 geben keine Grenzwerte für den Kontakt von Mensch und Roboter vor. Für einen kollaborativen Betrieb wird auf die Risikobeurteilung verwiesen. Die Norm ISO/TS 15066 für kollaborierende Roboter ist zwar im Sinne der Maschinenrichtlinie nicht harmonisiert, spiegelt aber den Stand der Technik wider. Sie führt Grenzwerte für Stoß und Quetschung auf.
Erste Überlegungen, an welcher Stelle ein Kontakt zwischen dem Körper des Bedieners und dem Roboter wahrscheinlich auftritt, bilden die Grundlage für die Anwendung der Grenzwerte. Diese Erwägungen sind entscheidend, weil verschiedene Körperteile unterschiedliche Belastungsgrenzen für Druck und Stoß haben. Zudem kommt es darauf an, ob es sich um einen unbeabsichtigten, zufälligen Kontakt handelt, der selten vorkommt, oder um eine regelmäßige Berührung. Ein Stoß, der nicht zu einer Verletzung führt, aber die Schmerzschwelle erreicht, ist dem Bedienpersonal im Dauereinsatz nicht zumutbar. Wenn es um die Grenzwerte der Anwendung geht, erweist sich die jeweilige Situation daher als ebenso wichtig. Nicht nur die Einhaltung der Grenzwerte ist ausschlaggebend, sondern auch die Ergebnisse der Risikobeurteilung.
Änderung der Formgebung
Wenn die zulässigen Druck-Spitzenwerte überschritten werden, sind nicht in jedem Fall die Geschwindigkeit oder die Kraftwerte des Roboters anzupassen. Die Formgebung des Roboters oder des Endeffektors zu adaptieren, kann die entstehenden Spitzendruckwerte wesentlich beeinflussen. Ist die Anwendung nicht mit herkömmlichen Greifern realisierbar, lassen sich die erforderlichen biomechanischen Grenzwerte vielleicht mittels eines Saugers für die Teileentnahme befolgen. Die Formgebung des Werkstücks wirkt sich ebenfalls darauf aus, ob sich die Grenzwerte erfüllen lassen oder nicht. Sie ist allerdings meist vorgegeben, sodass die Möglichkeiten einer Einflussnahme eher gering sind. Wenn erkennbar ist, dass den Grenzwerten aus der Risikobeurteilung unter keinen Umständen entsprochen werden kann, lässt sich keine echte Kollaboration umsetzen. In diesem Fall muss der Roboter sicher stillgesetzt werden, bevor ein Kontakt mit dem Bedienpersonal eintritt.
Maßnahme wirklich wirksam?
Die Wirksamkeit der auf Basis der Risikobeurteilung definierten Maßnahmen ist mit geeigneten Mitteln zu validieren. Die Einhaltung der festgelegten Kraft- und Druckwerte muss mittels einer Messung sichergestellt werden. Zur Kraftmessung dient ein spezialisiertes Messgerät für MRK, mit dem der dynamische Kraftverlauf über die Zeit aufgenommen und ausgewertet wird. Hierbei darf der Spitzenwert der Kraft in den ersten 0,5 s nicht überschritten werden. Nach Ablauf dieser Zeitspanne erfolgt eine Analyse der quasistatischen Kraft (Bild 1).
Sollten Geräte für die Kraftmessung von Toren und Türen schon vorhanden sein, lassen sich diese nicht einfach für MRK-Anwendungen verwenden, weil die Spezifikation für solche Messungen von derjenigen für Roboter abweicht. Die Erfassung der Druck-Spitzenwerte geschieht mittels Messfolien, die sich je nach Druckwert unterschiedlich stark verfärben. Über eine spezielle Auswerte-Software lässt sich auf diese Weise der Druckwert beurteilen. Abschließend sind die Ergebnisse der Messungen als Nachweis gemäß der Norm EN ISO 13849-2 zu dokumentieren (Bild 2).