Vom Einstieg zu komplexen Anwendungen

Roboter intuitiv und einheitlich programmieren

21. September 2020, 8:39 Uhr | Silke Glasstetter, Nora Crocoll
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Roboter können mehr, als man denkt

Mit der Kraft-Moment-gesteuerten Regelung erschließen sich Roboter übrigens Einsatzbereiche, die bei einer herkömmlichen Programmierung mit realistischem Aufwand nicht vorstellbar waren. Dazu gehört auch das Einstecken biegsamer Kabel etwa bei der Steckerkonfektionierung. Ein biegsames Kabel wird vom Roboter gegriffen, von einem Kamerasystem vermessen und dann beispielsweise über eine Kombination aus Spike- und Spiralsuche in das Loch eingeführt und eingerastet (Bild 4). Anschließend stellt eine Zugprobe sicher, dass das Kabel korrekt sitzt. Den zeitlichen Aufwand zum Programmieren dieser Lösung per Zeilen-Code schätzen die Experten von ArtiMinds auf etwa hundert Mal so lang verglichen mit ihrem Programmieransatz. Neben der Elektronikfertigung finden sich Einsatzbereiche in der mechanischen Montage, etwa beim Fügen von Teilen mit geringen Toleranzen, beim Setzen von Kunststoff-Clips, Dichtungen, Stopfen oder Nieten, bei der Getriebe- und Motorblockmontage oder beim Positionieren und Festziehen von Schrauben.

Diese Tätigkeiten werden gerade bei Kleinserien oft noch mit viel Handarbeit erledigt.
In puncto Oberflächenbearbeitung hat ArtiMinds ebenfalls Erfahrungen gesammelt: Beim Ausschleifen und Polieren lackierter Oberflächen analysiert eine Kamera die Oberfläche von Produkten, erkennt Fehler und poliert diese Kraft-Moment-geregelt aus. Auch dafür gibt es passende Bausteine in der Bibliothek. Aber auch Schleifen und Entgraten von Kanten und Ecken, Kleben oder Farbauftrag sowie Materialprüfung sind mögliche Anwendungen. In Qualitätskontrolle und Inspektion, Handhabung und Verpackung sowie Laboranwendungen finden sich ebenfalls zahlreiche Einsatzgebiete.

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Bild 3: Das Tool »Learning and Analytics for Robots« (LAR) sammelt Prozessdaten aus dem laufenden Roboterbetrieb und stellt sie übersichtlich zur Verfügung. Informationen sind direkt mit den Programmierbausteinen verknüpft und erlauben zuverlässige Analysen.
© ArtiMinds

Permanent in Entwicklung

Die angebotenen Programmierbausteine werden nach Anwenderbedarf weiterentwickelt. »Neben der ständigen Erweiterung der Liste unterstützter Peripheriegeräte arbeiten wir permanent daran, der Software weitere Funktionen hinzuzufügen, die die Programmierung noch effizienter machen und neue Einsatzgebiete erschließen«, sagt Dr. Andreas Hermann, Team Leader Advanced Robotics bei ArtiMinds. So arbeitet das Unternehmen kontinuierlich daran, neue Hardware in ihrer Robot Programming Suite nutzbar zu machen. Außerdem unterstützt es seine Anwender nicht nur mit Software zur Roboterprogrammierung und Analyse, sondern bietet auch Dienstleistungen an. »Am Ende eines solchen Projekts ist uns immer der saubere Transfer von Technologie und Wissen wichtig«, betont Hermann. »Wir stellen unseren Kunden alle Projektdateien zur Verfügung, sodass sie zukünftig möglichst viele Änderungen selbst vornehmen können. Bei anderen Dienstleistern wird oft schon für die nächste kleine Änderung wieder externe Hilfe benötigt, das ist bei uns anders.« Besonderes Interesse haben die Robotikexperten auch an Kooperationen, in denen sie gemeinsam mit Kunden innovative Technologiefelder erschließen und weiterentwickeln können.

Silke Glasstetter ist Head of Marketing bei ArtiMinds, Nora Crocoll ist beim Redaktionsbüro Stutensee tätig.

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Bild 4: Eine interessante Anwendung: Einstecken biegsamer Kabel etwa bei der Schaltschrankverdrahtung per Roboter.
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Robot Programming Suite (RPS)
Anwendungsbeispiel THT-Montage
Bei der THT-Montage werden elektronische Bausteine mit Drahtanschlüssen, etwa ICs, in Kontaktlöcher einer Leiterplatte gesteckt und anschließend verlötet (Bild). Die Anzahl der Drahtanschlüsse kann dabei von einigen wenigen bis hin zu mehreren hundert Kontakten variieren. Ein solches Bauteil robotergestützt einzustecken, ohne dabei die Drahtanschlüsse zu verletzen, ist alles andere als trivial. Sind einzelne Kontaktdrähte verbogen oder ist die Platine nicht exakt platziert, kommen herkömmliche Automatisierungssysteme an ihre Grenzen. Es gilt, die exakte Position der Löcher aufzufinden und dann das Bauteil feinfühlig einzustecken. Hierfür gibt es bei den Programmierbausteinen verschiedene Auswahloptionen.

Bei der Spiralsuche beispielsweise setzt der Roboter das Bauteil auf eine definierte Position auf der Leiterplatte und schiebt es dann spiralförmig vorsichtig über die Platine, bis die richtige Position gefunden ist. Nun wird das Bauteil Kraft-Moment-geregelt eingedrückt. Bei sehr empfindlichen Drahtanschlüssen bietet sich ein alternatives Vorgehen an, bei dem das Bauteil so lange immer wieder angehoben und vorsichtig auf der neuen Position der Platine aufgesetzt wird, bis die richtige Position gefunden wurde (Spike-Suche). Realisierbar sind mittels der Programmierbausteine auch Lösungen, bei denen einzelne Füße eines Bausteins schräg eingeführt und über Einkippen nach und nach alle Drahtanschlüsse in ihre finale Position eingefädelt werden. Diese Kraft-Moment-geregelte Lösungen per Zeilen-Code zu programmieren ist mit viel Aufwand verbunden. Mit der RPS dagegen kommen auch Nichtexperten in kurzer Zeit zu einer Lösung.

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Mit dieser Art der Programmierung werden nun neue Anwendungen wie etwa die Durchsteckmontage (Through Hole Technology, THT) realistisch umsetzbar.
© ArtiMinds

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