Weil künstliche Intelligenz in immer mehr elektronische Systeme vordringt, müssen Ingenieure lernen, damit umzugehen und sie sinnvoll und effektiv zu nutzen. Doch was sind die wichtigsten für Ingenieure relevanten Trends in puncto KI?
Die künstliche Intelligenz hat sich von einer futuristischen Kuriosität zu einem wichtigen Tool für Unternehmen entwickelt, was ihren Nutzen für Ingenieure beweist. Gartner prognostizierte vor kurzem, dass Unternehmen, die beim Aufbau und bei der Verwaltung anpassungsfähiger KI-Systeme auf KI-basierte Engineering-Praktiken setzen, ihre Mitbewerber bei der Operationalisierung von KI-Modellen um mindestens 25 Prozent übertreffen werden. Dadurch erhöht sich der Druck auf Unternehmen, die Einführung von KI weiter voranzutreiben. Es zeichnet sich ab, dass 2023 ein wichtiges Jahr für KI wird, weil Ingenieure unablässig neue Anwendungen entdecken, die ihren Unternehmen zusätzlichen Nutzen bringen.
Hier sind vier wichtige KI-Trends, mit denen Ingenieure für das Jahr 2023 rechnen sollten.
Neben datenorientierten nehmen auch modellorientierte KI-Ansätze immer mehr Fahrt auf. Bei den meisten datenorientierten KI-Modellen wird versucht, sie im Hinblick auf höchstmögliche Genauigkeit anhand der empfangenen Daten zu optimieren. So können Modelle ohne Berücksichtigung von Regeln und Prinzipien der realen Welt Schlüsse ziehen. Weil KI sich in immer mehr Forschungsgebieten ausbreitet, etwa komplexen konstruierten Systemen, müssen die Modelle die physischen Einschränkungen berücksichtigen, um weltweit relevant sein zu können. So nutzt beispielsweise ein führender Wissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology (MIT) physikgestützte KI zur Entwicklung neuartiger medizinischer Geräte, die die Erkennung leichter traumatischer Hirnverletzungen verbessern.
Ein wichtiger neuer Trend ist auch die Modellierung mit reduzierter Ordnung (ROM, Reduced Order Model) mittels physikbasierter Reduktionsmodelle. Sie verringert die rechnerische Einstiegshürde für hochrealistische Modelle, die zu rechenintensiv sind, um sie für den Entwurf auf Systemebene verwenden zu können. KI kann Simulationen beschleunigen, indem sie ein Systemmodell nach wissenschaftlichen Grundannahmen ersetzt. Die erwartete Genauigkeit des Systems bleibt dabei erhalten. Im Falle von ROM- und anderen physikgestützten Anwendungen verbessert KI die Fähigkeit des Modells, zu einer Lösung zu konvergieren und auf Basis regelbasierter Algorithmen eine bessere Interpretierbarkeit zu ermöglichen.
Im Mittelpunkt der physikgestützten KI steht die Notwendigkeit von Simulationen: Diese komplexen Modelle lassen sich als Varianten innerhalb einer Simulation konfigurieren und ermöglichen Entwicklern einen schnellen Wechsel zwischen Modellen, um zur besten und genauesten Lösung zu gelangen.
Forscher, Ingenieure und Datenwissenschaftler profitieren zunehmend von der Arbeit der jeweils anderen Fachgebiete, um Innovationen hervorzubringen. Wir beobachten dabei die Notwendigkeit noch engerer Zusammenarbeit auf der Grundlage einiger Trends bei den Workflows und Verantwortlichkeiten von Ingenieuren.
Der erste Trend hinter der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit ist die zunehmende Forschung im Bereich der KI, wodurch es immer wichtiger wird, dass die neuesten Modelle auf Abruf zur Verfügung stehen. GitHub ist die beliebteste Anlaufstelle für frei verfügbare aktuelle Forschungsmodelle. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein neues Modell auf GitHub vorgestellt wird und nur wenige Stunden später eine völlig neue Lösung auf diesem Beispiel aufgebaut wird. Eine große Anzahl qualitativ hochwertiger Modelle ermöglicht es allen Anwendern, innerhalb kürzester Zeit auf den neuesten Forschungsergebnissen aufzubauen.
Der zweite Trend ist das zunehmende Vertrauen auf Open-Source-Lösungen. Modelle können aus mehreren verschiedenen Frameworks stammen, daher sind die Ingenieurteams auf der Suche nach Lösungen, die die Lücken zwischen ihrem bevorzugten System und der endgültigen Lösung schließen. An dieser Stelle kommt Interoperabilität zwischen verschiedenen Frameworks zum Tragen, weil sie die Integration von KI in eine größere Zahl an unterschiedlichen Forschungsgebieten ermöglicht.
Und schließlich arbeiten Unternehmen zunehmend mit der Wissenschaft zusammen, um von den Vorteilen der beschleunigten Forschung im Bereich der KI für ihre spezifischen Anwendungen zu profitieren. So kann die akademische Zusammenarbeit an KI Unternehmen dabei helfen, neue Probleme anzugehen und dabei von Forschungsergebnissen zu Themen wie physikgestütztem Machine Learning und biomedizinischer Bildverarbeitung zu profitieren.
Wenn Ingenieure und Wissenschaftler Modelle zum ersten Mal erkunden, ist Genauigkeit der wichtigste Antriebsfaktor, während die Abwägung anderer Modelleigenschaften möglicherweise nicht im Mittelpunkt steht. Allerdings stellen KI-Anwender nun fest, dass sie Modelle bereitstellen, an die Hardware anpassen und die leicht erklärbaren Entscheidungen der Modelle verstehen müssen, damit die Modelle relevant sind.
Ein zunehmender Trend ist die Verwendung traditioneller Machine-Learning-Modelle, um die Anforderungen kostengünstiger Geräte mit geringem Stromverbrauch und erklärbaren Ausgaben zu erfüllen. Parametrische Modelle sind ein weiteres Beispiel für das Konzept »aus alt wird neu«, weil immer mehr Unternehmen garantierte Ergebnisse wollen, die zu bestimmten Formeln und Parametern passen. Traditionelle Machine-Learning-Techniken sind zwar nicht hochmodern, erfüllen aber ihre Aufgabe auf verständliche und reproduzierbare Art und Weise. Diese Modelle sind von Natur aus kompakt und erfüllen somit die Anforderungen von Hardware mit geringem Arbeitsspeicherbedarf. Darüber hinaus können Stakeholder so davon ausgehen, dass ein Modell die Anforderungen der Anwendung durch eine einfache Interpretierbarkeit der Ausgabe erfüllt.
Wenn neuere, arbeitsspeicherintensivere Modelle benötigt werden, bieten Quantisierungs- und Pruning-Techniken Möglichkeiten, die Modelle zu komprimieren, was die Modellgröße mit minimalen Auswirkungen auf die Genauigkeit reduziert. Erklärbarkeitsmethoden werden auch bei komplexeren Modellen eingesetzt, um die Entscheidungen eines Modells zu erklären und die Genauigkeit der Ausgabe zu steigern.
Durch Interpretierbarkeit, Quantisierung und Pruning erhalten Ingenieur- und Wissenschaftsteams damit noch mehr Optionen, um die Verwendung von KI – einschließlich Deep-Learning- und traditioneller Machine-Learning-Modelle – auf die herkömmliche Modellentwicklung auszuweiten.
Es ist unwahrscheinlich, dass eine bahnbrechende technische Innovation keine KI enthält. KI wird sich weiterhin auf etablierte Forschungsgebiete auswirken, darunter solche, in denen Zeitreihen- und Sensordaten verwendet werden. Weil KI sich immer stärker in allen Branchen und Anwendungen durchsetzt, werden komplexe technische Systeme ohne KI zur Ausnahme.
Der zunehmende Trend der Elektrifizierung ist ein Beispiel dafür, wie KI immer mehr Anwendungen ermöglicht, etwa Batteriemanagement, virtuelle Sensorik und Modellierung mit reduzierter Ordnung. Allerdings benötigen Ingenieure, die in etablierteren Gebieten tätig sind, in denen KI erst kürzlich eingeführt wurde, möglicherweise Hintergrundinformationen zu der Technologie. Dies führt zu einer steigenden Nachfrage nach spezifischen Referenzbeispielen, mit deren Hilfe Ingenieurteams herausfinden können, wie sie KI mit minimalen Unterbrechungen in ihre Arbeit integrieren können. So sollten beispielsweise Ingenieure, die an Batteriemanagementsystemen arbeiten, mit einem bewährten Beispiel beginnen, in das sie ihre Daten und ihr Know-how einbringen können, damit es zu ihrem jeweiligen Fall passt.
Die Frage lautet nicht mehr, ob KI sich auf Unternehmen auswirken wird, sondern, wann dies geschehen wird und wie es bei einzelnen Unternehmen konkret aussehen wird. Die stetige Einführung von KI hat Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen, von der interdisziplinären Zusammenarbeit bis zum Entwurf spezieller Komponenten. Daher ist es für Ingenieure von entscheidender Bedeutung, Anwendungsfälle zu identifizieren, die mit ihren kurz- und langfristigen Zielen übereinstimmen, und sie entsprechend zu implementieren.
Die Autorin:
Johanna Pingel ist Product Marketing Manager KI bei MathWorks.