Dabei können durchaus auch einfache neuronale Netze entstehen, die auf Controllern laufen können. Andererseits ist es möglich, das gesamte resultierende Programm Schritt für Schritt zu verfolgen. Es handelt sich also nicht um eine Black Box – und lässt sich zertifizieren. Das ist wichtig im industriellen Umfeld.
Die Bedienung des Systems ist denkbar einfach: Der Anwender muss zunächst nur den Typ der Cortex-M-Prozessoren (von M0 bis M7) auswählen sowie die Speicherkapazität, die zwischen 4 und 32 kB RAM liegen kann. Damit benötigen die speziell auf die Verarbeitung in Cortex-M-Controllern zugeschnittenen Algorithmen deutlich weniger Speicherkapazität, als die derzeit verfügbaren KI-Systeme erfordern.
Im nächsten Schritt muss der Anwender dem System sagen, wie viele und welche Typen von Sensoren eingebunden werden sollen. Es kommt nur darauf an, ob es sich etwa um Beschleunigungs-, Temperatur-, Hall-Sensoren oder etwa Mikrofone handelt. Das einzig Spezifische, das NanoEdge AI Studio braucht, ist eine Auswahl der Daten, die die einzelnen Sensoren liefern. Dann wird eine C-Bibliothek erstellt, über einen integrierten Emulator getestet und in das Controller-Programm integriert. Jetzt muss diese Bibliothek nur noch in den Controller geladen werden.
Sobald dies geschehen ist, kann die Lernphase beginnen. Dazu sind lediglich die Daten erforderlich, die während des Betriebs der Maschine entstehen. Arbeitet die Maschine durchgehend, so genügt eine Woche und die Lernphase ist beendet. Jetzt kann es wie jedes andere KI-System auch Muster und Anomalien erkennen, Vorhersagen treffen und Predictive Maintenance durchführen. »Das Lernen findet dynamisch auf der Maschine statt und nicht statisch, das ist der große Unterschied. Das macht das System so attraktiv für die Anwender«, so Rubino. Vor allem könnten dies die vielen Entwickler von Embedded-Software übernehmen, die ja nur zum geringsten Teil über KI-Wissen verfügen.
Was in NanoEdge AI Studio steckt, hat das System bereits in realen Anwendungen gezeigt. So hatte Éolane ein Gerät entwickelt, das Beschleunigungssensoren enthielt, um Maschinen zu überwachen. „Movee“ konnte so zum Beispiel Vibrationen oder Temperaturen ermitteln und sie über ein LoRa-Netz übertragen. Der Preis betrug 50 Euro.
Ohne irgendetwas an der Hardware zu ändern, hat Éolane das Gerät später über den Einsatz von NanoEdge AI Studio mit KI-Fähigkeit ausgestattet. Mit dem neuen, auf den Namen „BOB Assistant“ getauften KI-fähigen Gerät, das sich selbst beobachtet, können die Anwender nun echte Predictive Maintenance durchführen. »Auch wenn BOB nun 500 Euro kostet, ist dies doch ein vergleichsweise kostengünstiger Weg, um Predictive Maintenance in die Edge-Geräte zu bringen«, so Rubino.
Diese Anwendung zeigt eine weitere interessante Eigenschaft von NanoEdge AI Studio: Weil die Systeme im Sommer angelernt wurden, lieferten sie im Winter falsche Ergebnisse. Denn das System hatte ja keine Chance, während des Trainings die Verhältnisse zu lernen, die im Winter herrschen, beispielsweise andere Temperaturen und Luftdruck. Da zeigt sich der Vorteil des dynamischen Lernens: Es genügt, das System neu zu trainieren. Auf diese Weise können die Edge-Geräte in beliebigen Umgebungen ständig dazu lernen.
Vor der offiziellen Ankündigung von NanoEdge AI Studio hat Cartesiam über die vergangenen zwei Jahre schon mehrere hunderttausend Systeme ins Feld gebracht, die zusammen über 100 Mio. Betriebsstunden in der Predictive-Maintanance im industriellen Umfeld absolviert haben, beispielsweise in Sensorsystemen, Aufzügen, Klimaanlagen, Haushaltsgeräten, Industriemaschinen und Wearables.
Wer sich mit NanoEdge AI Studio vertraut machen will, kann über „NanoEdge AI Studio Free“ die Machine-Learning-Bibliotheken erstellen und auf dem PC mit dem Emulator testen. Für eine geringe monatliche Gebühr können sie mit „NanoEdge AI Studio Pro“ die Bibliotheken auch für den Test auf den Controllern herunterladen.
Die Lizenzen können direkt bei Cartesiam oder über die zu Arrow gehörende Richardson RFPD erworben werden, mit der Cartesiam gerade einen Distributionsvertrag unterschrieben hat. Im Rahmen dieses Vertrags wird Richardson die Software von Cartesiam weltweit vertreiben.