Digitale Systeme müssen veränderbar sein

»Der erste Tipp ist, mit kleinen Projekten anzufangen«

27. Mai 2020, 11:30 Uhr | Andreas Knoll
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wo ist menschliche Intelligenz nicht ersetzbar?

Smart Factory und Machine Learning sind heiß diskutierte Themen. An welcher Stelle brauchen Produktionsprozesse von morgen noch menschliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz wird Produktionsprozesse revolutionieren und Potenziale heben, die wir uns gar nicht vorstellen können. Daraus abzuleiten, dass menschliche Intelligenz weniger gefragt sein könnte, halte ich für einen fundamentalen Denkfehler. Der Mensch wird trotz einiger Umwälzungen bis auf Weiteres immer ein Key Player bleiben. Es wird immer eine Verbindung zwischen der menschlichen Welt und der Welt der KI und Algorithmen geben. Das Denkpotenzial von Menschen ist unerschöpflich, und die Förderung und ideale Unterstützung von Prozessen, in die Menschen involviert sind, wird durch KI nicht weniger wichtig. Ganz im Gegenteil. Es lässt sich erst daraus ein echter Wettbewerbsvorteil ableiten.

Was kann KI in Informationssystemen leisten?

KI entfaltet dann ihre ganze Macht, wenn man damit Probleme löst, die Menschen nicht lösen können – beispielsweise Muster in riesigen Datenmengen erkennen, um daraus die nahe Zukunft abzuleiten. Ein KI-Klassiker. Dass KI echte, kreative Denkarbeit ersetzt, entzieht sich meiner Vorstellungskraft, auch wenn das viele anders sehen. KI wird die Tatsache, dass kreative, motivierte Menschen ein Unternehmen nach vorne bringen und ihre Abwesenheit ein Unternehmen eben auch zu Fall bringen kann, nicht beeinflussen.

Wie kann es gelingen, menschliche und künstliche Intelligenz in Informationssystemen gemeinsam effektiv zu nutzen?

Der In- und Output KI-gestützter Prozesse muss möglichst effektiv mit den Menschen verknüpft werden, die sich in dem Prozess bewegen. Nur wenn sich beide Welten gegenseitig ergänzen, entsteht ein Vorteil. Beide Welten brauchen enge Feedback-Zyklen, um ihre Arbeit gut zu machen. Sie sind also aufeinander angewiesen. Vereinfacht ausgedrückt versorgt KI die Menschen mit Handlungsweisungen (z.B. bei der Predictive Maintenance); andersherum muss sie aber kontinuierlich lernen, um überhaupt auf ein akzeptables Qualitätsniveau zu kommen.

Digitalisierungsprozesse sind immer auch fortlaufende Projekte. Was müssen Produktionsunternehmen beachten, um bei der Einrichtung neuer Systeme beispielsweise zur Visualisierung schon die Veränderungen von morgen mitzudenken?

Ihre Frage liefert die Antwort schon mit. Wir haben früher immer gefragt: Was ist unsere Anforderung? Das ergab das Lastenheft, das umgesetzt wurde. Dann kam das nächste Projekt. Diese Vorgehensweise ist eine Einbahnstraße. Die Zeiten sind vorbei – das Modell hat ausgedient. Wenn ein Unternehmen heutzutage ein neues System einführt (ganz egal ob Visualisierung, Planung, ERP, bis hinunter zur Steuerungs-Software), ist die wichtigste Frage: Wie leicht lässt es sich verändern? Wie gut kann ich damit etwas umsetzen, von dem ich heute noch nicht weiß, was es eigentlich ist? Vielen „alten Hasen“ im Projektmanagement läuft es da kalt den Rücken hinunter. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass wir Tools danach auswählen müssen, ob man damit Dinge machen kann, die wir heute noch nicht wissen. Ein Drahtseilakt, der mehr denn je Erfahrung erfordert.

Was können gerade mittelständische Unternehmen tun, um risikoarm und ohne langwierige Beratungs- und Veränderungsprozesse zügig auf Industrie 4.0 umzustellen?

Mein erster Tipp ist, klein anzufangen. Industrie 4.0 ist ein Umfeld, das sich nicht genau eingrenzen lässt. Daher gilt: keine überdimensionierten, langen Projekte machen, sondern lieber kleinere Projekte mit kurzen Feedback-Zyklen aufsetzen und diese aktiv begleiten: Sachen ausprobieren, nachmessen, nachbessern und dann von vorne anfangen. Seien Sie kritisch, wenn Ihnen jemand ein großes Beratungsprojekt verkaufen will und behauptet, es ginge nicht kleiner. Die Gefahr, dass das Projekt scheitert und somit die Unterstützung der Belegschaft verliert, ist zu groß.

Mein zweiter Tipp: Gewöhnen Sie sich ein Mindset an, das die durch die Umstände zwangsläufig erforderliche Flexibilität in unsicheren Zeiten als Chance begreift und sogar aktiv herbeiführt. Seit Corona beispielsweise wissen wir, dass sich die komplette Welt innerhalb von Tagen fundamental verändern kann. Unternehmen, die von jeher konsequent Wandlung und stetige Änderung praktizieren und herbeisehnen, verfügen heutzutage über einen Wettbewerbsvorteil. Von den anderen gibt es viele nicht mehr.

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