Das Wettrennen um Smart Cities

Chinas Smart-City-Offensive

29. Oktober 2018, 10:33 Uhr | Hagen Lang
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

KI und Big Data als Säulen der Smart City

Didi Dache (China Uber) ist ein weiteres Beispiel für eine staatlich geförderte Verbesserung städtischer Infrastruktur durch private Online-Services. Didi Chuxing Technology ist ein 2012 gegründeter Ride-Sharing- und Artificial-Intelligence-Konzern. Didi hat 400 große und mittelgroße Städte in China abgedeckt, wie Peking, Shanghai, Guangzhou, Shenzhen und andere. Landesweit nutzen es über 1 Million Taxifahrer und 110 Millionen Passagiere, wobei 3 Millionen Menschen täglich im Schnitt täglich 5 Millionen Bestellungen tätigen, in der Spitze bis zu 15 Millionen.

Weitere wichtige Beispiele für Infrastruktur-verbessernde Smart-City-Dienste mit zentraler Datenauswertung durch KI in Kooperation privater Firmen und kommunaler Stellen finden sich in Hangzhou mit seinem Projekt „City Brain“, in Shanghai mit seinen Cloud- und Smart-Parking-Plattformen und in Peking mit seiner Initiative für bargeldloses Bezahlen.

Das 2016 von Alibaba gestartete „City Brain“-Projekt in Hangzhou, Hauptstadt der Provinz Zhejiang, speist die Daten überall installierter Kamera- und Sensor-Systeme in ein Artificial-Intelligence-Brain, das Ampelschaltungen an 130 der wichtigsten Straßenkreuzungen je nach Verkehrslage optimiert. Durch die Realtime-Optimierung sei die Durchschnittsgeschwindigkeit auf den Straßen um 15,3 Prozent gestiegen, die Fahrtdauer von Ambulanzen im Stadtgebiet habe sich sogar halbiert, sagte das städtische Büro für Öffentliche Sicherheit der Nachrichtenagentur Xinhua. „City Brain“ detektiert auch Unfälle innerhalb von Sekunden und erlaubt der Polizei, in Minuten vor Ort zu sein, freute sich Chinas erster KI-gestützter Verkehrspolizist Zheng Yijiong gegenüber der Presse.

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Shanghai hat eine Citizen-Cloud samt Datenspeicher für seine Bewohner eingerichtet, die jeder als App dabei hat und die auch dem Zugang zu allen städtischen Dienstleistungen und Ämtern dient. Die Daten und Bilder der überall installierten Kameras und Sensoren stellt die Stadt Unternehmen bereit, die diese vermarkten und daraus Geschäftsmodelle entwickeln sollen.

Sensoren in Parkplätzen sind auch die Grundlage für Huaweis Smart Parking Network, das stadtweit in Echtzeit die Parksituation erhebt und den Fahrern anbietet, den nächstgelegenen Platz über die zugehörige App zu identifizieren und zu bezahlen. Huawei steckt auch hinter Pekings „Cashless Revolution“, die Nutzern mobiles Zahlen per App ermöglicht. Sie ist über NFC (Near-Field Wireless Communication) mit dem Transportsystem und den üblichen Banken- und Bezahlsystemen vernetzt, sodass Nutzer zum Bezahlen der U-Bahn oder von Einkäufen nur noch über den Touchscreen ihres Smart­phones streichen. Als digitales Portemonnaie hat sich Huaweis Pay-App mittlerweile bewährt.

Dass Chinas Städte durch das zunehmend auch mit Gesichts- und Stimmenerkennung ertüchtigte Realtime-Monitoring ihrer (bald eindeutig über Blockchain identifizierten) Bürger eine orwellsche Dystopie aufrichten, ficht sie nicht an. Mit Big-Data-Analytics planen und verwalten sie nicht nur ihre Infrastrukturen effizienter, sie gründen um die Wette AI-Universitäten und -Startups, mit denen sie, staatlichem Auftrag zur Technologieführerschaft sei Dank, auch den Weltmarkt erobern wollen.

Das Modell staatlich-privater Kooperation, allgemein als Public–Private Partnership (PPP) bekannt, stammt ebenfalls nicht aus China, sondern aus dem Westen. Die PPP-Projektbibliothek der National Development and Reform Commission Chinas enthielt im vergangenen Jahr 2125 Projekte mit einer Gesamtinvestition von 3,5 Billionen Yuan respektive ca. 500 Milliarden Dollar. Die Anzahl der von staatlichen Stellen empfohlenen PPP-Projekte betrug nach Angaben des chinesischen Finanzministeriums im vergangenen Jahr bis zu 6650, mit einer geplanten Investitionssumme von 8,7 Billionen Yuan respektive 1,25 Billionen Dollar.

Ein Großteil davon bezieht sich auf Services, die im weiteren Sinne als Smart-City-Services aufgefasst werden können und mit der chinesichen Sozialversicherungskarte verbunden werden sollen. Über eine „App für alles“, die vom öffentlichen Nahverkehr und Taxis über Gesundheitsdienste, Sozialversicherungs- und Arbeitslosenbeiträge bis zu allgemeinen Bezahldiensten, Social-Media-, Messaging und dem Ämterzugang alles verwaltet, wird sie das wichtigste Werkzeug der chinesischen Bürger, so ein Planungsszenario.

Der Große Bruder hört mit

Dieses Service-Szenario basiert auf einer Grundlage: Data-Sharing, und zwar zwischen den Datensilos „Big Data of Government“ und „Big Data of Society“. Sie werden auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene mittels KI ausgewertet, erklärt das Pekinger Planning and Design Research Institute in seiner Analyse. »Das ist nichts weniger als die totale Überwachung, eine Big-Brother-Vision mithilfe von PPP, die mit Bürgerrechten und Datensouveränität nach westlichem Verständnis nichts zu tun hat«, sagt Prof. Dr. Hartmut Pohl, Geschäftsführer des IT-Sicherheitsunternehmens softScheck GmbH.

»Bei allem Verständnis für die wirtschaftlichen Begehrlichkeiten, die die chinesischen Erfolge wecken: Einem Weltbürger des 21. Jahrhunderts muss man Produkte anbieten, die seine Datensouveränität respektieren und gewährleisten. Vor die Wahl gestellt, wird er sich für die Dienste entscheiden, die seine Rechte respektieren. Chinesen haben diese Entscheidungsfreiheit nicht.


  1. Chinas Smart-City-Offensive
  2. Eine App für alles – auch für Smart-City-Dienstleistungen
  3. KI und Big Data als Säulen der Smart City

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