Wenn Daten vor Ort entscheiden

Edge Intelligence in der Produktion

5. September 2025, 10:34 Uhr | Dr. Jürgen Krämer / ak
Dr. Jürgen Krämer, Cumulocity : »Entscheidend ist die Fähigkeit, KI-Modelle zentral zu orchestrieren und zugleich lokal lauffähig zu machen.«
© Cumulocity

Künstliche Intelligenz in der Produktion erfordert eine sinnvolle Verteilung der Aufgaben zwischen Edge und Cloud. Die Cloud übernimmt dabei Management-Funktionen, während an der Edge KI-Inferenzprozesse mit der auf dem Shopfloor erforderlichen geringen Latenz und hohen Flexibilität stattfinden.

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Digitale Industrieprozesse generieren mehr Informationen denn je. Produktionsanlagen, Maschinen und Sensorik liefern permanent große Mengen an Daten – oft im Sekundentakt. Doch die Verarbeitung dieser Datenmengen in Echtzeit erfordert mehr als nur leistungsfähige Server in der Cloud. Sie verlangt nach einer Architektur, in der Intelligenz dezentral entsteht: direkt an der Maschine. Genau hier setzt Edge AI an – als Schlüsseltechnologie für eine reaktionsschnelle, resiliente und datensouveräne Industrie.

Rechenleistung am Entstehungsort: das Prinzip Edge AI

Der Begriff »Edge AI« steht für die Nutzung künstlicher Intelligenz dort, wo die Daten entstehen – an der Peripherie industrieller Netzwerke, in Steuerungen, Embedded-Systemen oder dedizierten Edge-Geräten. Anders als bei zentralisierten Cloud-Lösungen, in denen sämtliche Sensordaten zur Analyse übertragen werden müssen, findet bei Edge AI die Verarbeitung direkt im Gerät oder in dessen Nähe statt, zum Beispiel in einem Gateway oder lokalen Edge Server. Das reduziert Verzögerungen, entlastet Netzwerke und erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit deutlich.

Wichtig dabei: Die Edge ist kein autarkes System. Sie ist eingebettet in eine verteilte, orchestrierte Gesamtarchitektur. Komplexe Berechnungen oder Trainingsvorgänge werden in der Cloud durchgeführt – aktualisierte Modelle werden anschließend an die Edge zurückgespielt. Dadurch entsteht ein lernfähiges Netzwerk, in dem Aufgaben dynamisch verteilt und kontinuierlich optimiert werden.

Aus der Praxis: Echtzeitreaktion statt Datenstau

In heutigen Fertigungslinien erkennen KI-Modelle in Edge-Geräten Fehler im Produkt unmittelbar und veranlassen automatische Korrekturen. Die KI-Modelle selbst werden regelmäßig in der Cloud verbessert, unter anderem durch das Einspielen neuer Daten oder erweiterte Trainingsalgorithmen, und anschließend dezentral aktualisiert.

Ein weiteres Beispiel ist die vorausschauende Instandhaltung. Maschinen senden kontinuierlich Zustandsdaten, die lokal analysiert werden. Auffälligkeiten wie ungewöhnliche Schwingungen werden unmittelbar erkannt und notwendige Maßnahmen eingeleitet. Gleichzeitig werden diese Hinweise zentral aggregiert, um Rückschlüsse über ganze Standorte hinweg ziehen zu können. So entsteht ein intelligentes Frühwarnsystem, das lokal reagiert und global lernt.

Vorteile einer dezentralen KI-Strategie

Für viele Industrieunternehmen in Deutschland ist Edge AI mehr als nur eine technische Option – sie ist ein strategischer Vorteil:

  • Datensouveränität: Produktionsdaten verbleiben lokal. Unternehmen behalten die Kontrolle über sensible Informationen und erfüllen zugleich regulatorische Anforderungen.
  • Reaktionsschnelligkeit: Durch die unmittelbare Datenverarbeitung an Ort und Stelle verkürzen sich Entscheidungszeiten erheblich – entscheidend zum Beispiel in sicherheitskritischen Szenarien.
  • Skalierbarkeit: Neue Standorte oder Maschinen lassen sich flexibel in bestehende Architekturen einbinden – ohne zentrale Systeme zu überlasten.
  • Nachhaltigkeit: Nur relevante Daten werden übertragen. Das spart Energie, senkt den Bandbreitenbedarf und erhöht die Gesamteffizienz.

Technologische Basis: Plattformen für das vernetzte Edge-Ecosystem

Die Umsetzung solcher Szenarien setzt auf eine leistungsstarke technische Infrastruktur – sowohl auf Geräte- als auch auf Softwareseite. Aktuelle Edge-Hardware bietet ausreichend Rechenleistung, um selbst komplexe Modelle vor Ort auszuführen. Parallel dazu ermöglichen Plattformen wie Cumulocity ein umfassendes Management des gesamten Modellspektrums: vom initialen Training bis hin zum dezentralen Rollout und Monitoring.

Entscheidend ist die Fähigkeit, KI-Modelle zentral zu orchestrieren und zugleich lokal lauffähig zu machen. Genau hier kommt MLOps (Machine Learning Operations) ins Spiel – eine Methodik, die Entwicklung, Deployment und Betrieb von KI-Modellen über verschiedene Stufen hinweg verbindet. Die Edge wird dabei zum lernenden Ausführungspunkt, während Cloud-Komponenten die übergreifende Koordination übernehmen.

Herausforderungen und notwendige Kompetenzen

Trotz aller Vorteile ist der Weg zur Edge-gestützten Industrie nicht trivial. Unternehmen stehen vor vielfältigen Herausforderungen:

  • Heterogene Hardwarelandschaften: Unterschiedliche Steuerungen und Edge-Geräte müssen eingebunden und standardisiert angebunden werden.
  • Komplexe Sicherheitsanforderungen: Verteilte Systeme bedeuten mehr potenzielle Angriffspunkte – vom Firmware-Update bis zur Authentifizierung der Modelle.
  • Integrations-Knowhow: Die erforderlichen Kompetenzen reichen von Machine Learning über Embedded Development bis zur IT/OT-Integration.

Es braucht daher Plattformen, die diese Komplexität abstrahieren – und gleichzeitig offen und interoperabel bleiben. Nur so lässt sich eine nachhaltige, wartbare Architektur schaffen.

Die Industrie der Zukunft ist dezentral – und dennoch verbunden

Edge AI markiert einen Paradigmenwechsel: weg von der Idee zentraler Datenverarbeitung, hin zu dynamisch verteilten Entscheidungsstrukturen. In einer Zeit, in der Effizienz, Resilienz und Datenschutz immer wichtiger werden, liefert Edge Intelligence die passende Antwort. Sie ermöglicht lokale Autonomie bei gleichzeitiger globaler Lernfähigkeit.

Cumulocity steht der Industrie als IIoT-Plattform zur Verfügung, die genau dieses Prinzip in der Praxis umsetzt – mit Fokus auf Modularität, Skalierbarkeit und Benutzerfreundlichkeit. Verfügbar ist Cumulocity als Cloud-, On-Premises-, Edge- und Hybrid-Lösung. So wird Edge AI vom technologischen Buzzword zum strategischen Fundament heutiger Produktionsarchitekturen.

 

Der Autor:

Dr. Jürgen Krämer ist CPO bei Cumulocity.

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