Câbleries Lapp

Die Zukunft heißt Gleichstrom

26. Januar 2024, 12:55 Uhr | Nach Unterlagen von Lapp, Redaktion: Kathrin Veigel
Die Câbleries Lapp in Forbach (Frankreich) sind der größte Produktionsstandort der Lapp-Gruppe.
© Lapp

Die energetische Versorgung mit Gleichstrom ist ein wichtiger Hebel für mehr Energie- und Ressourceneffizienz in Fabriken. Den Beweis möchte Lapp in seinem Werk im französischen Forbach antreten. Dort soll in den nächsten Jahren eine neue Halle mit Gleichstrom ausgerüstet werden.

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133 Millionen Euro Umsatz, 260 Mitarbeitende, 120.000 Kilometer Kabel pro Jahr gefertigt mit Kupfer mit einem Gewicht von mehr als hundert voll beladenen Güterwaggons: Die Câbleries Lapp im französischen Forbach sind das größte Werk in der Lapp-Gruppe – mit insgesamt 25 Produktionsstandorten weltweit.

Um die Produktivität der Fabrik nach etlichen Erweiterungen und Vergrößerungen zu verbessern, hat das Management entschieden, die Fertigungslinien und vor allem den Wertstrom in den fünf Hallen neu zu organisieren. In den kommenden drei Jahren sollen 95 Prozent der Maschinen ihren Platz wechseln, außerdem wird eine sechste Halle gebaut. Unterm Strich soll das die Produktivität verdoppeln.

Wenn das Produktionswerk umorganisiert wird, ist das der perfekte Zeitpunkt, um auch relevante Optimierungen in Richtung Energie- und Ressourceneffizienz anzupacken. Denn eine Kabelproduktion benötigt natürlich Energie, vor allem für die vielen Extrusionslinien zum Aufbringen von Ader- und Mantelmaterial.

Jetzt wäre der beste Zeitpunkt, um neue Technologien für mehr Energieeffizienz einzuführen, sagte sich das Management von LAPP und entschied, die Versorgung einer neuen sechsten Halle und der benachbarten Halle mit Gleichstrom (Direct Current, DC; Gleichstrom) zu konzipieren. Der Weltmarktführer im Bereich der integrierten Kabel- und Verbindungstechnologie hat in den letzten Jahren die Entwicklung der DC-Technologie mit vorangetrieben und ist Gründungsmitglied der Open Direct Current Alliance des ZVEI.

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Lapp DC-Portfolio
Das DC-Portfolio von LAPP kommt an vielen Stellen zum Einsatz.
© Lapp

Bremsen, rekuperieren und sparen

Die Idee ist bestechend: In Fabrikhallen gibt es bereits seit Jahren Verbraucher, die mit Gleichstrom betrieben werden, wie etwa die LED-Beleuchtung, Belüftung oder Gleichstrommotoren. Für sie muss die Netzwechselspannung (Alternativ Current, AC) gleichgerichtet werden, was Wandlungsverluste bedeutet. Besser wäre es, wenn man sie direkt mit Gleichstrom versorgt. Darüber hinaus werden drehzahlgeregelte Motoren über Frequenzumrichter mit einem DC-Zwischenkreis betrieben, zum Beispiel Förderanlagen, Schweißroboter oder Servomotoren. Hier kann direkt in den DC-Zwischenkreis eingespeist werden und eine Wandlungsstufe vermieden werden.

Gleiches Bild auf der Seite der Energieerzeugung: Photovoltaikanlagen generieren und Batterien speichern immer Gleichstrom. Ein Gleichstromnetz würde es zudem erleichtern, Bremsenergie aus Motoren, etwa bei der dynamischen Bewegung großer Massen, zurückzugewinnen und direkt im Fabriknetz weiterzuverwenden, wie beim Rekuperieren im Elektro- oder Hybridauto.

Kurz gesagt: Wer es ernst meint mit der Senkung des Energieverbrauchs in Produktionsstätten, sollte den Einsatz von Gleichstrom beziehungsweise die Umsetzung von hybriden Netzen in Erwägung ziehen. Angenehmer Nebeneffekt: Durch den Wegfall der dritten Phase (bei DC: DC+ und DC- sowie Neutralleiter) und damit eines Leiters in den Kabeln und Leitungen sowie durch das höhere Spannungsniveau von aktuell 650 VDC und den daraus resultierenden geringeren Leiterquerschnitt benötigen DC-Leitungen mindestens 25 Prozent weniger Kupfer. Das steigert die Materialeffizienz und senkt die Kosten.

Die Unternehmen sind noch am Sondieren

Dass Gleichstromnetze in der Industrie bisher noch nicht Fuß fassen konnten, hat einmal damit zu tun, dass das Thema jetzt erst aus der Forschung hinaustritt in die industrielle Umsetzung. Und zweitens Stand heute noch nicht alle Komponenten für DC mit den notwendigen Zertifizierungen verfügbar sind (wie notwendige DC-Abzweige oder AC/DC-Wandler).

Das verbessert sich aber dank der sehr guten Vorarbeiten des Forschungsprojekts DC-Industrie und seines Nachfolgeprojekts DC-Industrie2. Dort haben die Forschungspartner, darunter auch Lapp, Standards erarbeitet, wie Gleichstromnetze aufzubauen sind – das sogenannte DC-Systemkonzept. Lapp hat unter anderem untersucht, welche Auswirkungen Gleichstrom auf ein Kabel oder eine Leitung hat und was hier zu beachten ist.

Neben dem abweichenden Farbcode zu AC-Kabeln nach EN 60445 und der bereits reduzierten Anzahl der Phasenleiter, lässt sich aufgrund der höher gewählten Spannung auch häufig ein kleinerer Querschnitt verwenden. Darüber hinaus wurde der Einfluss von DC im Niederspannungsbereich auf das Isolationsmaterial untersucht. Die Normung (UL 758) sieht identische Prüfungen für AC- und DC-Leitungen vor. Das Isolationsmaterial ist im Niederspannungsfall grundlegend gleich einsetzbar; bei einzelnen Materialien in Kombination mit einer sehr starken Feuchtigkeitsbelastung muss höhere Durchschlagfestigkeit gewährleistet werden.

Mittlerweile hat Lapp als erster Hersteller ein umfassendes Portfolio aus Ölflex-Anschluss- und Steuerleitungen für DC im Angebot, die sich für unterschiedliche Einsatzzwecke von der festen Verlegung bis zur Dauerbewegung in Schleppketten eignen.

20 Prozent Energieeinsparung

Ein weiterer Grund, der potenzielle Anwender vermutlich zögern lässt, ist die Tatsache, dass es bisher kaum Erfahrungen mit Gleichstrom im Fabrikumfeld gibt. Hier wollen Lapp und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart mit dem Werk in Forbach einen Piloten schaffen, an dem sich andere Fabrikplaner orientieren können.

Das IPA hat im Rahmen einer Konzeptstudie mit einer Bestandsaufnahme der Erzeuger und Verbraucher im Werk und einem Stufenplan zur Einrichtung eines Gleichstromnetzes die Basis gelegt. Auch die Kosten und der ROI wurden dabei berücksichtigt - demnach könnten zehn Prozent der Verbraucher sofort mit Gleichstrom versorgt werden. Zusammen gerechnet sind das pro Jahr 1,5 Gigawattstunden. Hier ist vor allem ein hohes Einsparpotential zu erwarten, da es sich um Motoren für die Ablängerei handelt, in der große Trommeln und somit Massen beschleunigt und stark abgebremst werden.

Die Energie muss also nicht mehr über Widerstände mehr oder weniger nutzlos abgeführt werden, sondern wird im Netz rekuperiert. Die geplante Ausstattung des Werks mit Photovoltaik und auch der Aufbau von Ladestationen für E-Fahrzeuge für zu einer direkten Anbindung von DC-Erzeugern und weiteren DC-Verbrauchern an das Netz.

Umsetzung mit Partnernetzwerk

»Das Gleichstromnetz im Werk in Forbach ist erstmal eine Konzeptstudie«, betont Dr. Susanne Krichel, Leiterin Innovation and Advanced Technology bei Lapp. Jetzt gehe es an die stufenweise Prüfung der Umsetzung und der verfügbaren Komponenten. Zunächst soll in Halle 6 auf der grünen Wiese die DC-Netzinfrastruktur aufgebaut und in Halle 1 nachgerüstet werden. Dann erfolgt die Anbindung der Photovoltaik auf dem Dach mit der Gebäudetechnik.

Lapp Krichel Susanne
Susanne Krichel, Head of Innovation & Advanced Technology bei Lapp
© Lapp

In den nächsten Schritten kommen weitere Verbraucher hinzu, die die Maximalleistung der Photovoltaikanlage nutzen. Langfristig könnten alle Stromverbraucher an das DC-Netz angeschlossen, wobei Rekuperation und eventuell notwendigen Batteriespeichern eine wichtige Rolle zukommt. Wenn dies alles klappt wie geplant, würden auch die anderen Hallen auf DC umgerüstet, ergänzt Eric Lebert, Technischer Leiter der Câbleries Forbach.  Dabei sei man auf Partner angewiesen, denn bei Gleichstrom gebe es kein Unternehmen, das alles könne, so Krichel.

Daneben geht die technische Entwicklung weiter: So arbeiten Unternehmen aus der ODCA des ZVEI an einem AIC-Konverter (Active Infeed Konverter), der das AC- und DC-Netz besser koordiniert und so Lastspitzen mildert. Erfahrungen bei einem Anbieter von DC-Komponenten, der bereits eine komplette Fabrik auf Gleichstrom umgestellt hat, zeigen: Die maximale Spitzenleistung, die der Betrieb aus dem Netz bezieht, hat sich deutlich reduziert. Das Unternehmen spart damit bares Geld, weil es beim Stromanbieter deutlich günstigere Konditionen bekommt.

Eine Fabrik, die zu hundert Prozent mit Gleichstrom arbeitet, hält Susanne Krichel grundsätzlich für möglich, aber nicht für wahrscheinlich – die Zukunft liegt bei hybriden Netzen und auf die Bedarfe der Fabriken angepasste Netzkonzepte. »Was ist machbar und was ist wirtschaftlich sinnvoll? Diese Fragen wollen wir in Forbach beantworten«, so Krichel.


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