Energiemessung

Was »Smart Metering« alles kann

19. Mai 2010, 14:21 Uhr | Dr.-Ing. Florian Krug
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Erfahrungen in anderen EU-Mitgliedstaaten

Messwesen Gas/Strom
Bild 5. Komplizierte Prozesse für das Messwesen Gas/Strom.
© E.ON Energie AG

Dass die Liberalisierung des Messwesens nicht automatisch zu einer Verbesserung des Wettbewerbs führt, sieht man am Beispiel Großbritanniens. Hier wird Smart Metering trotz großen Aufwands und politischer Unterstützung bisher nur in Pilotprojekten betrieben. Die Gründe hierfür sind zum einen im Markt selber zu finden: Die Kosten sind signifikant gestiegen und die Prozesse selber sind für das Messwesen sehr kompliziert (Bild 5). Zum anderen beziehen sich heute 70 % der Kundenbeschwerden in Großbritannien auf Messung und Abrechnung; es herrscht Frustration statt Fortschritt.

Ein Lösungsweg, der solche Probleme vermeidet, wurde in den Niederlanden implementiert. Hier sorgen gleiche Standards für Chancengleichheit unter den verschiedenen Marktteilnehmern. Die Einführung von Smart Metering für alle Kunden auf Grundlage von klar definierten Standards und Schnittstellen ermöglicht eine kompatible Technik – verbindliche Standards für Datenmanagement – und klare Rollen: Gerätebetrieb ist Aufgabe des Netzbetreibers, Datenmanagement ist unabhängig vom Gerätebetrieb (Bild 6).

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Datenmanagement ist in den Niederlanden
Bild 6. Datenmanagement ist in den Niederlanden unabhängig vom Gerätebetrieb.
© E.ON Energie AG

Chancen und Anforderungen aus Sicht der Energielieferanten und der Kunden

Smart Metering ist eine Informationsbasis, die als Grundlage für eine Verbesserung beinahe aller Kundenkontakte dienen kann. Diese neue Form des „Kundenkontakts“ bezieht sich auf Kundenanfragen (Ablesung, Rechnung, Abschlagszahlungen etc.), Beschwerden, Störungsannahmen, Ablesung (Außendienst muss Kunden nicht mehr mit Zählerablesung „belästigen“), Inkasso für Netzbetreiber und Lieferanten (Außendienst „rennt säumigen Kunden nicht mehr hinterher“) sowie Störungsbeseitigungen (genaue Informationen zu Störungen). So hilft Smart Metering sowohl der Kundenbetreuung als auch dem Außendienst.

 

Smart-Grids-Konzept
Bild 7. Die Schlüsselelemente im Smart-Grids-Konzept.
© trend:research GmbH

Der Begriff Smart Grids wird oft auch im engeren Sinne verwendet, nämlich für die Vernetzung mehrerer kleiner dezentraler Erzeugungsanlagen zu einem Verbund dezentraler Kraftwerke, einem so genannten „virtuellen Kraftwerk“ über einen Zentralrechner (Bild 7). Auf diese Weise ist es möglich, durch Kommunikationstechnik Stromlieferprognosen an die Netzmanagementzentrale zu melden, die hierauf dann mit einer Bestellprognose bzw. einem Angebot oder Stromlieferprofil antwortet. Im letzten Schritt kommt es dann zur Bestellung einer Stromlieferung.

Bezieht man den Begriff Smart Grid allerdings weiter gefasst auf die gesamte Stromversorgung, so wird deutlich, dass es im Gegensatz zum herkömmlichen Versorgungskonzept wesentlich vermaschter und nicht im Sinne der „Top-down-Struktur“ von oben nach unten organisiert ist, d.h. vom zentralen Kraftwerk über die Höchst- und Hochspannungsnetze in das Mittelspannungsnetz und von dort schließlich weiterverteilt in die Niederspannungsnetze.

 

Stromübertragungs- und -verteilungskonzepte
Bild 8. Herkömmliches (links) und durch Smart Grids verändertes Stromübertragungs- und -verteilungskonzept (rechts).
© trend:research GmbH

Daraus ergibt sich, dass auch der Lastfluss entsprechend nicht mehr nur in eine Richtung erfolgt. Die Anzahl der Einspeisepunkte ist in einem Smart Grid überdies deutlich höher (Bild 8).

Auch aus Sicht der Kunden eröffnen sich interessante Chancen durch Smart Metering. Denkbar sind zum Beispiel neue, individuelle Tarifmodelle wie Flatrate, Wochenend-/Singletarif oder zeit- und lastvariable Tarife. Außerdem erhöht sich die Transparenz durch Visualisierung der Verbrauchswerte: Energieverbrauch wird sichtbar und die Verbesserung der Energieeffizienz ist möglich. Neue Produkte bieten dem Kunden weitere Vorteile: Online-Energieberatung, transparente Rechnungslegung, zusätzliche Dienste wie Alarmierungssysteme, Fernüberwachung und Steuerung intelligenter Endgeräte.

 

Smart Metering: Nutzen für alle Beteiligten und die Umwelt

Der Stromzähler ist mehr als nur ein technischer Anschluss – für Privatkunden als auch für Industriebetriebe. Er ist die Registrierkasse für Energieunternehmen. Durch die Entwicklung neuer Kommunikationstechnik und durch regulatorische Vorgaben der Bundesnetzagentur, die weitreichende Auswirkungen haben, steht das klassische Zählerwesen vor richtungweisenden Veränderungen. Der Aufbau einer vernetzten Infrastruktur von intelligenten Zählern eröffnet als Innovationstreiber neue Chancen für Kunden und Energieunternehmen.

Eine zuverlässige Zählerinfrastruktur mit modernen und intelligenten Zählern erlaubt es heute, bei vertretbaren Kosten Privathaushalten solche Funktionen bereitzustellen, wie sie bislang großen Industrieunternehmen vorbehalten waren, allen voran die präzise Messung und zeitnahe Übermittlung des Stromverbrauchs (sowie zunehmend auch des Gas- und Wasserverbrauchs). Dies ermöglicht einerseits eine komfortable Kontrolle des eigenen Energieverbrauches (oder auch eine kurzfristige Überprüfung eingeleiteter Energiesparmaßnahmen), andererseits eine einfache Kontrolle der Energierechnungen.

Für Netzbetreiber bietet Smart Metering eine effektive Zählpunktkontrolle (Manipulationsschutz, Leeranlagenüberwachung), die beliebige Zyklen für Umzugsablesungen und Turnusablesungen mit sehr hoher Datenqualität zulässt. Des Weiteren dient Smart Metering zur Überwachung der Netzverluste und eröffnet Fernwirkmöglichkeiten (z.B. Abschaltung, Leistungsbegrenzung).

Durch schnellen Messdatenaustausch besteht für den Energielieferanten die Möglichkeit der Optimierung seines Energieeinkaufs bzw. -produktion. Außerdem können Lieferanten mit Hilfe von Smart Metering leichter unterschiedliche Tarife anbieten. Und für die Umwelt hat Smart Metering den positiven Effekt, dass Verbrauchseinsparungen der Energiekunden den Primärenergieeinsatz reduzieren und damit die CO2-Produktion verringern.

Dank an Alexander Franck für die wissenschaftliche Unterstützung.

 

Dr.-Ing. Florian Krug
ist Technologiemanager im Bereich Automatisierungstechnik und Erneuerbare Energien. Zuvor war er Wissenschaftler in den Bereichen elektromagnetische Felder, EMV und Mobilfunk für mehrere internationale Konzerne. Vor der industriellen Tätigkeit leitete er die Forschungsgruppe „Elektromagnetische Verträglichkeit“ am Lehrstuhl für Hochfrequenztechnik der TU München. Er ist Autor von mehr als 60 Veröffentlichungen in nationalen und internationalen Zeitschriften und hält zahlreiche nationale und internationale Patente.

krug.florian@googlemail.com



  1. Was »Smart Metering« alles kann
  2. Vorteile von elektronischen Zählern im Smart-Metering-Bereich
  3. Erfahrungen in anderen EU-Mitgliedstaaten

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