Interview mit Jochen Frey, Adkom

»Wir müssen der Realität ins Auge schauen«

10. Mai 2021, 9:30 Uhr | Markus Haller
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Erhebliche Preissteigerungen

Die Preise für LCDs sind 2020 stark gestiegen – vor allem für große LCD-Panel. Wie sieht es bei kleineren Displays aus?

Diese Entwicklung kristallisiert sich in den vergangenen Wochen auch in aller Deutlichkeit für kleinere monochrome LCD-Module und andere Technologien von Displays heraus. War die Branche zum Ende des letzten Jahres „nur“ mit der Verknappung von Panel-Glas speziell für TFTs konfrontiert, wirken sich in der Zwischenzeit vor allem auch stark gestiegene IC-Preise negativ aus. Vor einigen Jahren war es noch üblich, dass die LCD-Hersteller jedes Jahr nach „Chinese New Year“ die Preise etwas angehoben haben. Dies war zwar nicht erfreulich und auch oft mit Diskussionen verbunden, hat aber die Einstandspreise auf einem realistischen und fairen Niveau gehalten.

Dieses Nachziehen der Preise wurde in den letzten Jahren nicht nur größtenteils ausgesetzt, sondern oft sogar durch eine stark gestiegene Konkurrenzsituation in der europäischen Distribution und das Eingreifen asiatischer Hersteller als Direktanbieter ins Gegenteil verkehrt. Dieser Zustand scheint uns jetzt mit aller Macht einzuholen. So kann die Distribution zwar diese Entwicklung nicht aufhalten, jedoch sicherlich durch ein besseres Standing bei den Herstellern in Asien abschwächen.

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Einige große Hersteller werden bald ihr LCD-Geschäft aufgeben – worauf müssen sich die Display-Anwender einstellen?

Wenn die großen LCD-Hersteller ankündigen, ihr kundenspezifisches LCD-Geschäft aufzugeben, sieht es natürlich nach einem Wandel in der LCD-Branche aus. Für Entwickler von industriellen Displaysystemen wird sich aber nur wenig ändern, denn das klassische LCD für die mittelständische europäische Industrie wird nur selten bei den namhaften Display-Giganten gefertigt. Es kam und wird auch weiterhin aus den hochspezialisierten LCD-Produktionsstätten kommen, die in einer der Technologiehochburgen Festlandchinas angesiedelt und oftmals nur in Fachkreisen bekannt sind.

Diese spezialisierten LCD-Fertiger sind von steigenden Materialkosten betroffen, die sie nicht mehr wegdrücken können. Das wird nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass es in der Vergangenheit bereits steigende Lohnkosten und gestiegene soziale Mindestanforderungen gab, die vonseiten des chinesischen Staates gefordert werden. Beides ist richtig und überfällig, aber zusammen mit steigenden Materialkosten nicht mehr mit einer Niedrigpreiserwartung zu vereinbaren.
Die Lieferketten dieser Hersteller beginnen auch bei den Display-Giganten.

Ja, wenn es um die TFT-Grund-Panels geht. Sie stammen sogar ausnahmslos von den wenigen ganz Großen der Branche. Wird hier in normalen Zeiten eventuell auch mal ein Glas aufgelegt, das nicht in den größten Stückzahlen läuft, orientiert sich die Produktion derzeit augenscheinlich ausschließlich an Stückzahlen, die weitestgehend im Consumer-Bereich realisiert werden.

Gehen den Industrie-LCD-Fertigern die Panels aus, wenn LG und Samsung die LCD-Fertigung einstellen?

Nein, ausgehen werden sie nicht, und auch eine Glasverknappung bei monochromen LCDs ist derzeit nicht zu spüren, auch nicht zu erwarten. Bei TFTs ist das allerdings bereits jetzt stellenweise ein Problem. Wie schnell sich dieser Engpass auflösen wird, ist leider noch nicht absehbar. Eventuell wird es auch eine Bereinigung in der Panel-Vielfalt geben. Dies würde bedeuten, dass einzelne Panels nicht mehr aufgelegt werden. Dies kann aber nur in Absprache mit den Vorlieferanten im Einzelfall abgeklärt werden. Dann gilt es nämlich, zeitnah nach Alternativen zu schauen.

Wie abhängig ist die Display-Branche vom Produktionsstandort China?

Der konsequente Preisdruck im Displaysektor hat zu einer vollkommenen Abhängigkeit von Produktionsstätten in Festlandchina geführt, und sei es nur im Assembly. Selbst die Produktion in Taiwan – von Japan beispielsweise gar nicht mehr zu reden – ist längst zu teuer. Aus diesem Grund sind Hersteller, die mutmaßlich aus diesen Ländern stammen, inzwischen auch komplett produktionstechnisch in China angesiedelt. Diese hohe Abhängigkeit von Herstellern in einem Land, in dem die wirtschaftlichen Ziele in einem so hohen Maß politisch geleitet werden, wie wir es uns hier in Europa überhaupt nicht vorstellen können, kann und sollte von uns dringend auf den Prüfstand gestellt werden.

Auch wenn dies eventuell auf den ersten Blick höhere Kosten als Konsequenz haben wird, sollten wir die eine oder andere hochgezüchtete Ökonomie-Lehre überdenken und vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen wieder intensiver pflegen. Jahrzehntelang wurde China von der westlichen Welt als verlängerte Werkbank gesehen und zu unserem Vorteil genutzt, um nicht zu sagen ausgenutzt. Dieser Zustand ist so allerdings längst überholt, auch wenn wir vielleicht noch allzu gerne die Augen davor verschließen möchten. Unsere jahrzehntelangen engen Verbindungen nach Asien und speziell China haben die stetige Veränderung nur allzu signifikant aufgezeigt. Konnte man in den Fertigungen vor etlichen Jahren noch viel Handarbeit sehen, haben in der Zwischenzeit Hochautomatisierung und Digitalisierung Einzug gehalten, und in Verbindung mit dem technologischen Wandel ist auch ein gesellschaftlicher einhergegangen.

Aus diesen Gründen tun wir gut daran, die asiatischen Partner in sehr vielen Bereichen als ebenbürtig, wenn nicht teilweise überlegen anzusehen und zu akzeptieren.


  1. »Wir müssen der Realität ins Auge schauen«
  2. Erhebliche Preissteigerungen
  3. Reduzierung der Abhängigkeit?

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