In diesem Beispiel werden die Auswirkungen gemäß der ICNIRP [13, 16] eines kontaktlosen Ladesystems auf Menschen untersucht. Die Ladeleistung beträgt etwa 3,8 kW und wird über die typische Bodenfreiheit von 15 cm von der versorgenden Spule auf die empfangende Spule übertragen. Das untersuchte Szenario besteht aus einer stehenden Person neben dem linken Kotflügel des Fahrzeuges, während das Ladesystem bei einer bestimmten Arbeitsfrequenz Leistung überträgt. Um genaue Ergebnisse zu erzielen, werden ein realistätsnahes Automodell, ein realistisches Spulensystem und eine genaues Personenmodell verwendet. Die numerischen Untersuchungen erfolgen mit dem elektromagnetischen 3D-Feldsimulator EMPIRE [15]. Der numerische Rechenkern beruht auf dem Verfahren der finiten Differenzen im Zeitbereich (FDTD). Für eine effiziente Simulation im Sinne einer kürzeren Simulationszeit wird dieses Szenario in der FDTD-Simulation bei 1 MHz durchgeführt und wegen des linear deterministischen Verhaltens auf die Feldwerte auf 90 kHz bzw. 140 kHz herunter skaliert. Das verwendete Automodell inkl. resonanten Spulensystems ist in Bild 2 dargestellt. Die Primärspule wurde auf den Boden aufgebracht und die Sekundärspule wurde unter dem Motor eingebaut.
Zwei Spulensysteme mit unterschiedlichen Arbeitsfrequenzen wurden in der SS-Topologie für eine zu übertragende Leistung von 3,8 kW ausgelegt. Bei einer Arbeitsfrequenz von 90 kHz fließt in die fünf Windungen der Primärspule (ca. 105 μH) ein effektiver Strom von 17,5 A, in den ebenfalls fünf Windungen der Sekundärspule (auch ca. 105 μH) fließt ein Strom von 10 A mit einem Phasenversatz von 90°. Wird die Arbeitsfrequenz auf 140 kHz erhöht, kann in beiden Spulen auf eine Windung verzichtet werden, so dass sich die Induktivität auf 67 μH reduziert, obgleich die Ströme inkl. Phasenversatz identisch bleiben. Die magnetische Kopplung liegt in beiden Fällen bei 0,4.
Das numerische Modell der Person (Visible Human Phantom) besteht aus über 30 unterschiedlichen Geweben mit einer Auflösung von 1 mm. Das von dem System erzeugte Magnetfeld ist in Bild 3 dargestellt.
Es ist gut ersichtlich, dass das stärkste Magnetfeld zwischen den beiden Spulen liegt. Die seitlich neben dem linken Vorderreifen stehende Person wird durch das Streufeld des Magnetfeldes besonders im Fuß und Unterschenkel-Bereich exponiert (Bild 4). Bei diesem Szenario und mit dieser speziellen Spulenauslegung werden die Referenzwerte eingehalten und weitere Untersuchungen im Sinne einer dosimetrischen Simulation sind nicht notwendig. Wird die Person im Sinne eines Szenarienwechsels allerdings vor dem Kühlergrill positioniert, liegen die magnetischen Flussdichten mit 150 % bis 200 % über den empfohlenen Referenzwerten, aber im Zuge einer dosimetrischen Simulationsstudie zeigt sich, dass die Basisgrenzwerte eingehalten werden. Weitere denkbare Szenarien sind, dass eine Person vor dem Fahrzeug kniet oder halbhockend bzw. liegend unter das Fahrzeug greift. In diesen Fällen kann vermutlich davon ausgegangen werden, dass sowohl die Referenzwerte als auch die Basisgrenzwerte verletzt werden.
Um den Personenschutz noch immer gewährleisten zu können, wird eine Sensorik die Ladestation mit zusätzlichen Informationen versorgen müssen, um das System beispielsweise vollständig auszuschalten oder nach einer zu definierenden Freigabe sicher wieder hochzufahren. Insgesamt ist festzustellen, dass die übertragene Leistung und die Spulenarchitektur einen maßgeblichen Einfluss auf die Einhaltung bzw. Verletzung des Personenschutzes haben. Idealerweise sollten die dosimetrischen Studien ähnlich wie die klassische EMV-Messung entwicklungsbegleitend stattfinden, um potenzielle Unwägbarkeiten schnell und kosteneffizient kalkulieren und lösen zu können.
Links und Literatur
[1] www.vahle.de/produkte/e-mobilitaet.html (vom 06.Juni 2014)
[2] www.ipt-technology.com/index.php/de/ (vom 06.Juni 2014)
[3] www.sew-eurodrive.de/s_branchen/branchen_automobil.shtml (vom 06.Juni 2014)
[4] http://primove.bombardier.com/de/ (vom 06.Juni 2014)
[5] www.wirelesspowerconsortium.com/ (vom 06.Juni 2014)
[6] www.rezence.com/ (vom 06.Juni 2014)
[7] www.powermatters.org/ (vom 06.Juni 2014)
[8] www.who.int/en/ (vom 06.Juni 2014)
[9] www.icnirp.org (vom 06.Juni 2014)
[10] www.bgetem.de (vom 06.Juni 2014)
[11] Council Recommendation of 12 July 1999 on the limitation of exposure of the general public to electromagnetic fields (0 Hz to 300 GHz) (1999/519/EC), Official Journal of the European Communities, 30. 7. 1999.
[12] Berufsgenossenschaftliche Vorschrift BGV B11: Unfallverhütungsvorschrift Elektromagnetische Felder. Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM), Köln, 2001.
[13] International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP): Guidelines for Limiting Exposure to Time-Varying Electric, Magnetic, and Electromagnetic Fields (up to 300 GHz). Health Physics 74 (4): 494 – 522; 1998.
[14] Gabriel, C., Gabriel, S.: Compilation of the Dielectric Properties of Body Tissues at RF and Microwave Frequencies”, http://niremf.ifac.cnr.it/tissprop/ (vom 5. Juni 2012).
[15] www.empire.de
[16] International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP): Guidelines for Limiting Exposure to Time-Varying Electric, and Magnetic Fields (1 Hz to 100 kHz). Health Physics 99(6):818-836; 2010.
Die Autoren
Dipl.-Ing. Winfried Bilgic |
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studierte Elektrotechnik an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg. Anschließend arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet der Allgemeinen und Theoretischen Elektrotechnik. Seit Anfang 2009 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der IMST GmbH in Kamp-Lintfort, beschäftigt sich mit der Sicherheit von Personen in elektromagnetischen Feldern und dem Design von resonanten Leistungsübertragern. Er ist Mitglied des DKE AK 353.0.1 „Berührungsloses Laden von Elektrofahrzeugen“ und der ETG Taskforce „Kontaktlose Energie- und Datenübertragung“ im VDE. |
Dipl.-Ing. Winfried Simon |
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schloss das Studium der Fachrichtung Elektrotechnik an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg im Jahre 1997 ab. Seitdem arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der IMST GmbH in der Abteilung Antennen und EM-Modellierung. Seine Forschungsinteressen umfassen die Sicherheit von Personen in elektromagnetischen Feldern, numerische 3D-Simulationen, Antennen, mehrlagen LTCC Schaltungen und MEMS. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe IEEE TC34 (Wireless Handset SAR Certification). |