Kosten oft höher als Einsparung

»Smart Metering« unter Beschuss

14. September 2011, 11:04 Uhr | Von Helmuth Lemme
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Weltweiter Widerstand

Mittlerweile haben sich die Pläne für die Installation intelligenter Zähler rund um die Welt verbreitet. Teils wurden die Kunden von den Energieversorgern aufgefordert, sich freiwillig daran zu beteiligen, teils wurden sie ihnen auch einfach aufgedrückt. Ob in Kalifornien, Australien oder sonstwo: Durchweg ist die Akzeptanz jedoch negativ, die Kunden sind verärgert. Einige Anbieter von elektrischer Energie haben den Tagestarif drastisch erhöht - bis zu viermal so hoch wie nachts. Aber viele Vorgänge wie etwa Mittagessen kochen lassen sich eben nicht in die Nacht verschieben. Die Rechnung ist nicht wie versprochen niedriger geworden, sondern sehr viel höher. Noch dazu sind viele „smart meter“ überaus kompliziert zu bedienen und erfordern fundierte Fachkenntnisse, die Otto-Normalverbraucher nicht hat. 

Reichlich beschönigende Worte und nur dünne Verbraucheraufklärung sind zu finden beim „Energiesparclub“, einer Kampagne des Bundesumweltministeriums [7]. Einer der wenigen zitierten Fachleute, die hier überhaupt etwas konkreter werden, ist Johannes D. Hengstenberg, Geschäftsführer von co2online: „Smart Meter nützen zuerst den Energieversorgern. Diese können ihre Netze besser auslasten und die Zählerablesung automatisieren. Verbraucher haben erst etwas davon, wenn Kostenvorteile beispielsweise in Form ereignisabhängiger Tarife an sie weitergegeben werden. Sofort profitieren nur jene, die bisher mehr oder weniger gedankenlos Stromfresser gekauft oder im Dauerbetrieb haben laufen lassen. Die zeitnahe Verbrauchsanzeige der Smart Meter motiviert zum Abschalten oder zu Sparinvestitionen. Das geht aber auch einfacher: Das Energiesparkonto macht den Verbrauch ebenfalls sichtbar und entlarvt Energieverschwender aller Art.“

Sehr viel klarer informiert dagegen die Stiftung Warentest: „Laut Gesetz hat jeder Verbraucher seit Jahresbeginn das Recht, von seinem Stromversorger den Einbau eines intelligenten Stromzählers zu verlangen. Die Kosten trägt der Netzbetreiber. Der Kunde zahlt lediglich eine Monatsmiete für das Gerät. Zum Beispiel bei Yello-Strom. Die Tochter von EnBW bietet die Geräte bundesweit an. Allerdings ist die Sache nicht ganz billig. Kostenpunkt: 79 Euro sowie eine monatliche Miete für den smart meter. Alternativ ist auch der Wechsel zu Yello möglich - aber nicht unbedingt preiswerter. Neben dem Einrichtungspreis von 79 Euro steigt je nach Postleitzahl auch die monatliche Grundgebühr um einige Euro. Beispiel Potsdam: Bei den Stadtwerken kostet die Grundversorgung monatlich 5,45 Euro, die Kilowattstunde 22,84 Cent. Mit dem smart meter von Yello steigt der Grundpreis auf 17,25 Euro und die Kilowattstunde auf 23,89 Cent. Das ist happig. 1 Cent Rabatt gibt es von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr. Nicht gerade viel, wenn im Gegensatz dazu die Nerven des Nachbarn durch den Nachtgang der Waschmaschine blank liegen. Aufs Jahr gerechnet, kann die Zusatzbelastung schnell auf über 100 Euro steigen. Im Vergleich dazu: die Strompreise bundesweiter Ökostromanbieter unter [8] - alle ohne smart meter, dafür aber deutlich preiswerter“.

Stark betroffen sind insbesondere ärmere, ältere Personen sowie Familien, weil sie ihren Tagesverlauf komplett umstellen müssen. Sie können nur dann ihre Kosten für elektrische Energie senken, wenn sie Geräte mit großer Leistungsaufnahme zu Zeiten niedriger kWh-Preise einschalten. Eine solche Umstellung ist bei Jüngeren und Kinderlosen wesentlich leichter und somit ist das System eine neue Form der sozialen Ungerechtigkeit gegenüber Familien und Älteren. Der kleine Mann zahlt, die EVUs sahnen ab.

Schließlich verursacht auch die Datenübertragung einige Kosten. Der Aachener Energieberater Peter Klafka hat ermittelt: „Ist weiter ein paralleles Telekommunikationsnetz notwendig und noch keine DSL-Verbindung vorhanden, verschlingt die permanente DSL-Verbindung pro Jahr rund 131 kWh, ein Kühlschrank kommt im Vergleich auf weniger als 100 kWh im Jahr“ [9].

Und noch ein ganz anders Problem erregt die Gemüter. Viele der neuen Zähler übertragen ihre Daten per Funk. Und das erfolgt keineswegs bei jedem Energieversorger nur einmal im Monat mit einem kurzen Funktelegramm auf 868 MHz. Sondern wegen des Maschennetz-Prinzips sammeln sich in den letzten Netzknoten vor dem zentralen Empfänger die Signale einer ganzen Siedlung an, d.h., diese funken fast ständig. Viele Menschen sind besorgt wegen des dadurch verbreiteten Elektrosmogs [10, 11, 12].

Problempunkt Datenschutz

Ein weiteres heißes Eisen ist der Datenschutz. Der neue Zähler kann die Messdaten in annähernd beliebig kurzen Intervallen registrieren. Für den Kunden eines EVU selbst mag es interessant sein, eine Kurve seines Bedarfs an elektrischer Energie über einen Tag hinweg aufzunehmen und zu analysieren. Indem die Energieversorger diese Daten erhalten, erfahren sie eine Menge über die Lebensgewohnheiten ihrer Kunden.

Der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) [13], der für Missbrauch von Daten regelmäßig den „Big Brother Award“ [14] verleiht, moniert: „Eine detailreiche Verbrauchsmessung gibt viele Informationen über den Verbraucher preis: Wann wird aufgestanden, wann aus dem Haus gegangen? Wann wird gekocht, wann Fernsehen geschaut? Sind die Bewohner verreist? Wenn zusätzlich auch noch Gas- und Wasserverbrauch berücksichtigt werden, können noch leichter Mutmaßungen darüber angestellt werden, wie viele Personen sich in der Wohnung befinden. Und vieles mehr“ [15].

Die neuen „smart meter“ führen also zum gläsernen Bürger. Solange diese Daten bei einem seriösen Versorger unter Verschluss bleiben, mag das noch gerade eben angehen. Doch es ist ja mittlerweile sattsam bekannt, dass Kundendaten bei Firmen niemals sicher vor Hackerangriffen sind. So können die Daten wer weiß wohin gelangen. Ein Hacker, der z.B. feststellt, dass ein bestimmter Kunde seit ein paar Tagen fast nichts verbraucht, könnte auf Urlaub schließen und einen Einbruch planen.

Das Magazin „Der Spiegel“ warnt auch vor finanziellen Risiken durch Sicherheitslücken: „Zumindest könnten Angreifer fremde Stromrechnungen in die Höhe treiben und eigene geringfälschen. In schlimmeren Fällen könnten die Zähler gar dazu missbraucht werden, die Stromversorgung zu kappen und Viren und Würmer zu verbreiten“ [16].

Laut einer Studie des US-Sicherheitsunternehmens IOActive „... weisen die für Smart Metering verwendeten Systeme mehrerer Hersteller Sicherheitslücken auf, so dass Angriffe und ein unerlaubtes Eindringen in das System durch unautorisierte Personen möglich ist. Dies eröffnet verschiedene Angriffsoptionen, wie beispielsweise die Fernsteuerung der Geräte und Trennung vom Stromanschluss, aber auch die Manipulation der übertragenen Verbrauchsmenge ist möglich. Durch Übermittlung von manipulierten hohen Lastdaten kann eine Destabilisierung der Leitungsnetze verursacht werden, da die EVUs auf die veränderten Anforderungen reagieren.“

Das Internet hat es möglich gemacht, dass nun viele verärgerte Kunden von Energieversorgern miteinander in Kontakt treten, in Foren und auf informierenden Webseiten in langen Listen von Kommentaren. Der Widerstand wächst, vielerorts haben sich bereits Bürgerinitiativen gegen die Einführung der neuen Zähler gebildet, beispielsweise www.stopsmartmeters.org.


  1. »Smart Metering« unter Beschuss
  2. Verbrauchskurven auf dem Bildschirm
  3. Weltweiter Widerstand
  4. Selber messen macht klug
  5. Literatur & Autor

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