Medizintechnikbranche krisenresistent

»Wir waren in gewisser Weise vorbereitet«

23. April 2020, 11:05 Uhr | Engelbert Hopf
ChristianKlimmer
Dr. Christian Klimmer, GS Elektromedizinische Geräte: »Online-Meetings sind einfacher, schneller und effizienter! Ich denke, darauf werden wir auch in Zukunft verstärkt zurückgreifen. In diesem Sinne erweist sich die Krise als ein Turbo für die Digitalisierung unserer Wirtschaft.«
© GS Elektromedizinische Geräte

Produktionssteigerungen bis 40 Prozent lassen sich nach Einschätzung von Dr. Christian Klimmer, einem der drei Geschäftsführer der GS Elektromedizinische Geräte, nur über einen beschränkten Zeitraum aufrechterhalten. Dies ginge sonst zu Lasten der Qualität und würde die Supply Chain beeinträchtigen.

Markt&Technik: Dr. Klimmer, wie stellt sich für GS Elektromedizinische Geräte als mittelständisches, eigentümergeführtes Unternehmen die aktuelle Situation in der Corona-Krise dar?

Dr. Christian Klimmer: Wir kommen mit der aktuellen Situation, in der sich etwa 150 bis 180 unserer weltweit insgesamt rund 300 Mitarbeiter im Homeoffice befinden, sehr gut zurecht. Wir waren aber auf den Tag X auch in gewisser Weise vorbereitet. Viele unsere Mitarbeiter haben schon zuvor die Möglichkeit des Homeoffice genutzt, da wir dies grundsätzlich unterstützen. Unsere IT ist entsprechend aufgestellt. Wir mussten also nicht auf einen Schlag über 100 Notebooks oder sonstige Ausstattung kaufen. Für die internen Abstimmungsprozesse nutzen wir schon länger erfolgreich Skype for Business, darüber hinaus jetzt auch noch GoToMeeting und GoToWebinar.

Sie stellen keine Beatmungsgeräte her, sondern medizintechnisches Equipment für die präklinische und klinische Kardiotherapie. In welcher Form kommt Geräten Ihrer Marke corpuls in der Corona-Krise besondere Bedeutung für medizinische Einrichtungen zu?

Wir sind überall dort ein wichtiger Bestandteil, wo es um Patienten-Monitoring, den Einsatz von Defibrillatoren und Thoraxkompressionsgeräte geht. Dies ist im Bereich der Intensiv- und Notfallmedizin der Fall – und zwar sowohl in der Klinik als auch insbesondere in der Präklinik. Die Mehrzahl unserer Geräte finden sich daher auch in Rettungswägen und Rettungshubschraubern. Im klassischen Klinikalltag werden unsere Geräte primär in den Notaufnahmen und Intensivstationen genutzt. Daneben bieten wir aber auch innovative Softwarelösungen. So können unsere Patienten-Monitoring-Systeme beispielsweise mittels WLAN drahtlos zu einem Zentral-Monitoring über Cloud Hosting zusammengeschlossen werden können. Das lässt sich relativ schnell und unkompliziert einrichten.

Im Fall von Corona-Patienten bedeutet das etwa, dass ein oder zwei Pfleger genügen, um die Überwachung von 20 Schwerkranken rund um die Uhr, sieben Tage die Woche zu gewährleisten. Aktuell baut die Bundeswehr temporär so eine Station auf. Unsere Geräte sind zusätzlich auch in der Lage, telemedizinisch alle relevanten Patientendaten etwa aus dem Rettungswagen an einen Telenotarzt zu übertragen, der dann eine Medikamentierung wie etwa Analgetika freigeben kann – was ein Notfallsanitär nicht verabreichen darf.

Wie viele Geräte stellen Sie an Ihrem Produktionsstandort in Kaufering zu normalen Zeiten her? Auf wie viele Geräte pro Woche konnten Sie die Produktion in den letzten Wochen steigern?

Ich würde schätzen, wir konnten die Gerätezahl kurzfristig um etwa 30 bis 40 Prozent pro Woche steigern.

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Ist damit das Maximum erreicht oder können Sie die Produktion noch weiter steigern? Wie lange, denken Sie, können Sie auf diesem Level produzieren?

Auf die Schnelle sehe ich keine weitere Steigerungsmöglichkeit mehr. Wir müssten weitere Mitarbeiter in der Produktion einstellen, und die müssten dann erst ausgebildet werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Qualität, die unsere Geräte auszeichnet, halte ich eine zusätzliche kurzfristige Steigerung nicht für sinnvoll. Und dann wäre da ja noch die Lieferkette. Sie können diesen Mehrbedarf nicht einfach immer weiter skalieren. Wir können nicht über Wochen das Doppelte bis Dreifache unserer üblichen Liefermengen abfragen. Es gibt einzelne Bauteile, deren Bereitstellung bedarf einer Vorlaufzeit von 6 bis 8 Monaten.

Beziehen Sie Ihre Komponenten und Subsysteme direkt bei den Herstellern oder über die Distribution? Sehen Sie Probleme in der Lieferkette auf sich zukommen?

Unser Ziel war es schon immer, unsere Komponenten und Subsysteme fast ausschließlich aus der Region und in Deutschland zu beziehen. Unsere Leiterplatten lassen wir von Herstellern in einem Umkreis von etwa 50 km um Kaufering bestücken, zum Beispiel in Augsburg und Memmingen. Unsere Spritzgussteile kommen größtenteils aus Schwabmünchen. Auch die Lieferanten unserer Folientastaturen, Kabel, Akkus und vieler anderer Teile sitzen in Deutschland. Wir haben aber auch Lieferanten, die in Norditalien beheimatet sind. Glücklicherweise spüren wir noch keine Auswirkungen der Quarantänemaßnahmen in Italien. Aktuell kann ich nur sagen, wir haben für alle unsere benötigten Komponenten und Subsysteme bestätigte Liefertermine; ob diese dann auch wirklich eingehalten werden, muss sich zeigen.

Gehen Sie davon aus, dass sich das von Ihrem Unternehmen in den letzten Wochen gezeigte Engagement in Zukunft in steigenden Marktanteilen niederschlagen wird?

Schön wäre es, aber ich bezweifle es. Das liegt daran, dass derzeit auch viele Aufträge aufgrund des akuten Gerätebedarfs vorgezogen werden. Mancher wird sich in der aktuellen Situation vielleicht auch mit mehr Geräten eindecken, als er eigentlich benötigt. Geräte, die also heute früher oder in größeren Stückzahlen gekauft werden, verkaufen wir in der Regel morgen nicht mehr, da erst einmal eine gewisse Marktsättigung eingetreten ist. Ich würde mich freuen, wenn es anders käme.


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