Mitunter lassen Medizintechnik-Firmen ihre Produkte bei einem extern fertigen. Was müssen Entwickler beachten, damit die Übergabe an den Auftragsfertiger reibungslos verläuft? Und wie kann der Fertigungsdienstleister Entwicklern dabei helfen? Dazu fragten wir Steffen Friedemann von frimotronik.
MEDIZIN+elektronik: Herr Friedemann, worauf sollte Ihrer Meinung nach ein Entwicklungsingenieur aus der Medizintechnik schon während der Entwicklung achten, wenn die neue Elektronik bei einem EMS-Dienstleister produziert werden soll?
Steffen Friedemann: Da gibt es natürlich so einiges, was beachtet werden sollte. Vor der Überleitung der Produktion an einen EMS-Dienstleister muss der Entwickler schon im Rahmen der Entwicklung bestimmte Vorgaben erfüllen. Hier geht es besonders um die Einhaltung bestimmter Richtlinien und Normen, die im Medizinproduktegesetz verankert sind.
Ist dann der Schaltplan fertig, stellt sich zunächst die Frage, mit welchen Bauteilen von welchen Herstellern denn die Stückliste erstellt wird. Ein besonderes Augenmerk sollten Entwickler hier auf die Verfügbarkeit der verwendeten Bauteile sowie auf geeignete Verpackungseinheiten legen (Bild: Steffen Friedemann). Und genau hier kann der Auftragsfertiger auch schon helfen. Ideal ist es, wenn das Layout für die neue Schaltung bereits vom EMS-Dienstleister erstellt wird. Die richtige Platzierung und Ausrichtung der Bauteile auf der Bestückungsseite und, wenn nötig auch auf der Lötseite der Platine, ist extrem wichtig im Hinblick auf die prozesssichere Produzierbarkeit.
Erklären Sie uns bitte kurz, warum.
Hier geht es besonders um die Art der Bestückung und um den Lötprozess. Erlaubt die Platzierung und Ausrichtung der Bauteile eine Bestückung über einen SMD-Automaten, oder muss gegebenenfalls von Hand bestückt werden (Bild 1)? Lässt sich die Platine nach der Bestückung vernünftig löten, oder ist eventuell auch Handlöten erforderlich? Bei dieser Fragestellung geht es nicht nur um die Prozesse an sich, sondern natürlich auch um die Frage einer kostengünstigen und damit wirtschaftlichen Fertigung.
Welche Punkte sind noch zu beachten, Herr Friedemann?
Ein für den EMS-Dienstleister wesentlicher Punkt ist die Qualität der Daten und Unterlagen, die er vom Entwickler erhält. Wir sehen hier manchmal Stücklisten, in denen leider die Bezeichnungen für die Bauteile nicht ausreichen. Um aber die Bauteile klar identifizieren zu können, ist es wichtig, dass die Angaben über Bauteilwerte, Bauformen, Hersteller sowie mögliche Bezugsquellen präzise in den Stücklisten aufgeführt sind.
Nach welchen weiteren Kriterien sollte sich ein Entwickler den passenden Dienstleister aussuchen?
Der Entwickler sollte sich auch immer die Frage stellen, welchen Umfang die Dienstleistung denn überhaupt haben soll. Soll die neue Elektronik auch auf Funktion geprüft werden und komplett verdrahtet im Gehäuse geliefert werden? Oder soll nur die Platine extern bestückt werden? Sind besondere Zertifizierungen erforderlich? Hilft der Dienstleister auch bei einem EMV-Test, oder kann er bei einer CE-Abnahme beratend und begleitend tätig sein (Bild 2)?
Für das Thema CE ist die Erfahrung des Dienstleisters besonders wichtig – ist doch die CE-Abnahme und CE-Kennzeichnung zwingend erforderlich, um ein neues Medizinprodukt im europäischen Wirtschaftsraum erstmalig in den Verkehr zu bringen. Die CE-Kennzeichnung muss die grundlegenden Anforderungen an die Sicherheit, Leistungsfähigkeit und vor allem auch die gesundheitliche Unbedenklichkeit erfüllen. Grundsätzlich aber darf man wohl unterstellen, dass ein Entwickler aus dem Bereich der Medizintechnik mit den vorgenannten Themen hinlänglich vertraut ist.
Kurz gesagt, der Entwickler sollte ein auf eben diese komplexe Thematik abgestimmtes Vorgespräch mit dem potenziellen Dienstleister führen, um so schon im Vorfeld zu erkennen, ob dieser denn überhaupt der geeignete Partner für ihn ist.
Wir danken Ihnen für das das Gespräch, Herr Friedemann.
Steffen Friedemann ist Geschäftsführer und Gesellschafter von frimotronik.
Das Interview führte Ralf Higgelke.