Design & Usability in der Medizintechnik

Auf den Anwender kommt es an

27. März 2018, 10:31 Uhr | Jens Fuderholz
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Design schafft Vertrauen

Wild betont: »Der Nutzer muss dem Gerät vertrauen, dafür spielt das Design eine große Rolle«. Der von der ISO 9241 geforderten Betrachtung der Nutzungsumgebung misst er hohe Bedeutung bei: Ein mobiles Analysegerät zur Blutuntersuchung in der Apotheke müsse von allen Menschen gleich richtig bedient werden können. Dazu gehört, dass der Designer von Beginn an begreifen muss, wie und wo das Gerät positioniert wird. »Manchmal brauchen wir ein Podest für das Gerät oder einen Stuhl für den Anwender daneben. So können wir vom Design her darauf hinwirken, dass das Gerät richtig bedient wird.«

Für den Medical Designer ist es sehr positiv, dass seine Zunft bedingt durch regulatorische Anforderungen inzwischen gezwungen ist, das Design auf die Bedürfnisse der Nutzer stützen zu müssen. Design und Usability werden bei ihm integriert entwickelt. Der Prozess beginne an der Quelle – mit der Beobachtung und Befragung der Nutzer, sonst bekomme man nicht genügend Einblicke und die Zulassung ist gefährdet. Und wenn Usability Engineers und Designer ihre Projekte gemeinsam in Angriff nehmen, geht es nicht nur um den vorgeschriebenen Usability Engineering Prozess. Sie wollen Medizinprodukte formen, die die hohen Ansprüche an Sicherheit, Bedienbarkeit und Ästhetik gleichermaßen bedienen.

Trend Einfachheit und große Displays

Doch nicht nur Schaltflächen auf Displays lassen sich per Touch bedienen, Designer und Entwickler arbeiten derzeit daran, auch Gehäuseflächen »touchfähig« zu machen, berichtet Wild. Dass Einfachheit und eine klare Nutzerfokussierung vom Endanwender gefragt sind, davon ist auch die die Ypsomed AG überzeugt. Das Unternehmen hat eine Insulinpumpe auf den Markt gebracht, die laut eigener Aussage an Einfachheit kaum zu übertreffen ist. Mit 83 g Gewicht soll die Pumpe bequem am Körper getragen werden können. Bedient wird sie über eine vollständig auf Icons basierende Benutzerführung und über ein Touchdisplay, das annähernd die gesamte Gehäusefläche einer Seite umfasst. Auch beim Design der Inhalte sind Anleihen beim Smartphone klar erkennbar. »Damit ist sie für jeden möglichen Anwender einfach zu nutzen«, erklärt Julian Stressig, Sprecher von Ypsomed.

Einen ähnlichen Trend wie bei den immer größer werdenden Displays der Smartphone lässt sich auch bei medizinischen Geräten erkennen. Das liegt nicht nur daran, dass im Screendesign Touchflächen untergebracht werden müssen, die sich den verfügbaren Platz beispielsweise mit radiologischen Bilddaten teilen müssen. Ein größeres Display verspricht auch mehr Sicherheit in der Bedienung, weil Schaltflächen größer und leichter zu verwenden sind.

Fotos

Groß, größer, Insulunpumpe: Das Touchdisplay nimmt fast die gesamte Gehäusefläche ein.
© Ypsomed
Die Pumpe ist komplett sprachneutral und funktioniert nur über Icons und Touch.
© Ypsomed
Die 38 g leichte Insulinpumpe ist laut hersteller für jeden Anwender einfach zu nutzen.
© Ypsomed

Alle Bilder anzeigen (5)

User Centered Design bindet Anwender ein

»Die reine Gebrauchstauglichkeit, wie sie die Medizinproduktzulassung fordert, reicht heute für Markterfolg nicht mehr aus«, weiß auch Dr. Matthias Schier zu berichten. Der Geschäftsführer des Forum MedTech Pharma e.V. kennt beide Seiten: Anwender in Klinik und Praxis und Zulieferer und OEMs. Intuitive Bedienbarkeit, größtmögliche Produktsicherheit und passende Materialeigenschaften – medizintechnische Geräte müssen beim Einsatz am Patienten vielfältigen Herausforderungen gerecht werden.

»Ein Weg ist das sogenannte User Centered Medical Design, das wir auf dem MedTech Summit (Anm. d. Red.: 11. Und 12. April 2018 in Nürnberg) aufgreifen«, so Schier. Beim User Centered Design steht die Einbindung von Anwendern im Mittelpunkt. Eingesetzt wird es bereits in vielen Medizintechnik-Unternehmen. Siemens Healthcare beispielsweise initiiert im Rahmen der Produktentwicklung internationale Co-Creation-Workshops, in denen mit Anwendern medizinische Setups nachgestellt und die Anwendung von Medizinprodukten im Alltag anhand von lebensgroßen »Mockups« – also Attrappen – durchgespielt wird.

Durch die konsequente Einbindung echter Nutzer in den Entwicklungsprozess von Medizinprodukten wird nicht nur die Bedienbarkeit, auch Produktsicherheit und Nutzungserlebnis werden besser. Von diesem Vorgehen profitieren heute neben den medizinischen Großgeräten auch schon Consumer-nahe Devices wie ein Blutzucker-Messsystem inklusive Medical App, Lebenserhaltungssysteme wie ein Intensivbeatmungsmonitor, ein AR-basiertes Führungssystem in der Neurochirurgie sowie eine Dokumentationssoftware für Sterilisationsprozesse.

 


  1. Auf den Anwender kommt es an
  2. Design schafft Vertrauen

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu NürnbergMesse GmbH

Weitere Artikel zu Siemens Healthcare Diagnostics GmbH