Besser als Laserschneiden und Stanzen
Aufgrund der geforderten Spannungsfreiheit und Planarität der Komponente kam nur die Ätztechnik infrage. Herkömmliche Blechbearbeitungsverfahren wie Laserschneiden oder Stanzen würden Spannungen im Metall verursachen, weshalb diese als mögliche Verfahren für die Prototypen- und Serienproduktion ausgeschlossen wurden. Bei jenen Verfahren wird das Metall unter Einwirkung von Wärme (Laser) oder Kraft (Stanzen) bearbeitet und ist somit mechanischen Kräften und Belastungen unterworfen, die das Material unter Spannung setzen.
Mögliche Spannungen können die Messgenauigkeit des Biosensors verschlechtern und die Planarität der Oberfläche beeinträchtigen. Eine perfekt saubere und ebene Oberfläche war bei der Herstellung der Biosensoren von Bedeutung, da diese im letzten Arbeitsschritt noch mit einer Beschichtung versehen werden sollten. Für ein gleichmäßiges Anhaften der Oberflächenbeschichtung mit elektrisch leitfähiger Tinte entwickelte Precision Micro zusätzlich ein eigenes Reinigungsverfahren mit einer hundertprozentigen automatischen optischen Inspektion. So werden alle verbleibenden Verunreinigungen von der Oberfläche der Teile unter Reinraumbedingungen entfernt.
Ein weiteres Plus der Ätztechnik ist die Vielseitigkeit des Verfahrens. So ermöglichen die digitalen Werkzeuge Änderungen im Design in wenigen Stunden anstatt in Tagen und Wochen. So erstellte Precision Micro für Highland Biosciences mehrere Prototypen, um eine optimale Variante des Sensors zu erhalten. Üblicherweise beträgt die Vorlaufzeit für die Erstellung eines Prototyps zwischen sieben und zehn Tagen. Für die Modifikation eines bestehenden Designs für eine der Prototypenversionen waren hier nur 24 Stunden nötig.
Wiederholgenauigkeit war eine weitere Herausforderung bei der Entwicklung des Biosensors. Es war sicherzustellen, dass die erforderlichen Bauteiltoleranzen konsequent erreicht werden. Dies war für die hohe Zahl der für die Serienproduktion benötigten Teile entscheidend. Denn eine Abweichung in der Wiederholgenauigkeit könnte die Präzision im Endotoxin-Test negativ beeinflussen. Wäre die Spannungsfreiheit nicht so entscheidend gewesen, wäre vor dem Hintergrund der Serienproduktion auch das ebenso kostengünstige Stempelverfahren infrage gekommen. Doch die geforderten Materialeigenschaften standen über dem Kostenfaktor.
Ein weiteres Plus: Die Rüst- und Werkzeugkosten sind bei der Ätztechnik minimal, sodass die Kunden ihre Entwürfe ohne erhebliche Kostenzuschläge und mit nur geringen Anfangsinvestitionen ändern und optimieren können. Ein Stanzwerkzeug würde viele tausend Euro kosten, bei den Herstellungskosten für Ätztechnik-Werkzeuge blieb Precision Micro nach eigenem Bekunden im Bereich von einigen hundert Euro.
Derzeit wird der Biosensor für den Übergang zur Massenfertigung vorbereitet. Dabei wird von einer Stückzahl von 50 Millionen unter Einsatz derselben digitalen Werkzeuge und bei vergleichbarer Qualität zu Teilen auf Siliziumbasis ausgegangen.
Über die Autorin:
Carolin Ordosch ist freie Journalistin.
Produktionsanlagen von Precision Micro
Mit einer Kapazität zur Verarbeitung von über 30 Tonnen Material pro Woche verfügt Precision Micro über die nach eigener Aussage größte Fotoätzanlage für die Massenproduktion in Europa. Die Produktionsanlagen von Precision Micro sind in der Lage, Einzelteile bis zu einer Größe von 600 mm x 1500 mm zu fertigen. Somit können also auch Teile von größeren Dimensionen im Fotoätzverfahren hergestellt werden.