Wie würden Sie denn eine unentschlossene Abiturientin locken?
Man muss sich nicht die Finger schmutzig machen und braucht auch nicht viel Kraft dazu, zur Weltrettung beizutragen. Der Beruf des Elektroingenieurs ist so vielfältig, die ganze Welt steht einem offen, man kann überall arbeiten, überall sein Know-how einbringen. Alles ist möglich, weil man als Ingenieurin viele Dinge einfach sehr breit versteht und rundum super ausgebildet ist.
Bei mir selbst war es übrigens der Umweltschutz und der Wunsch, hier zu arbeiten, der Auslöser dafür, regenerative Energietechnik an der TU Darmstadt als Studienfach zu wählen – damals was ganz Neues. Meine Motivation: Verbrenner-Autos durch Elektroautos ablösen helfen. Fun Fact: Von Elektrotechnik als Studienfach wusste ich damals am wenigsten – und habe es trotzdem gewählt. Und durchgezogen und in den Semesterferien in einer Werkstatt für Elektromotoren gejobbt. Heute ist eine fast inflationäre Zahl an Studiengängen und Namen vorhanden, sodass der Durchblick und die Wahl noch schwerer fällt. Wobei ich zugeben muss, dass ein Orientierungsstudiengang, in dem sich alle Fächer vorstellen, uns auch nicht wesentlich mehr Anmeldungen in E-Technik gebracht hat.
Die jungen Leute wissen zwar nicht, was sie studieren sollen, nehmen entsprechende Angebote aber auch nicht wahr. Reizüberflutung. Vielleicht könnten Influencer helfen.
Es gibt ja eine große Jugendbewegung, die sich für Klimaschutz einsetzt, die „Fridays for Future“. Können Sie sich vorstellen, diese als VDE zu unterstützen?
Wenn wir an der Hochschule Veranstaltungen zum Thema haben, haben wir die Scientists for Future schon dabei. Der Gedanke ist gut.
Brechen Frauen eigentlich weniger häufig ab als Männer?
Das können Sie statistisch nur schwer erfassen, weil wir einfach so wenige Frauen haben. Aber ich denke, da gibt es nicht wirklich einen Unterschied.
Wie beurteilen Sie denn die Nachwuchssicherung für die Branche?
Wir haben einen Fachkräftemangel, vielleicht mit regionalen Abweichungen. Bei uns in Aalen zumindest kommen die Unternehmen auf uns zu und fragen nach Absolventen. Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich die Dringlichkeit also bei 7 oder 8 einschätzen, als Riesenproblem. Die Studienanfänger sind seit Jahren rückläufig. Wir stecken mittendrin und müssen was tun, inklusive Anwerbeaktionen im Ausland.
Die Finanzierung der Hochschulen hängt schließlich an den Studienanfängerzahlen – wenn wir nicht genügend haben, bekommen wir kein Geld mehr, so einfach ist das.
Haben Sie Ideen?
Als Studiendekanin macht man sich natürlich Gedanken. Es gibt Länder, in denen sehr viel mehr Frauen E-Technik studieren als hierzulande. Ein Sommerstudiengang nur für Inderinnen, warum nicht? Oder warum nicht am NC gescheiterte BWL-erinnen ansprechen und ihnen eine spezielle Betreuung in E-Technik oder Mathe garantieren?
Mit einer Studentin, die eigentlich Jura studieren wollte, haben wir das erfolgreich so gemacht. Sie war überrascht, wie spannend das Studium ist. Ich hoffe, dass ich mit Unterstützung des VDE hier noch viel erreichen werde.
Das Interview führte Corinne Schindlbeck