Die ARD-Themenwoche »Zukunft der Arbeit« ist vorbei, doch der job-futuromat.ard.de ist noch online. Der VDE-Ausschuss »Studium Beruf Gesellschaft« ist nicht glücklich darüber. Ein Gespräch mit Thomas Hegger über die »Substituierbarkeit« von Ingenieuren.
Herr Hegger, was hat den VDE-Ausschuss »Studium Beruf Gesellschaft« gestört am Job-Futuromat anlässlich der ARD-Themenwoche »Zukunft der Arbeit«?
Thomas Hegger: Wir vom VDE-Ausschuss »Studium Beruf Gesellschaft« waren geschockt. Nebenbei bemerkt ist die 4Ing-Initiative auch nicht glücklich mit den Aussagen. Dem Tool zufolge können Ingenieure der Elektrotechnik zu 64 Prozent ersetzt werden. Der Automatisierungsingenieur sei ebenfalls zu 55 Prozent substituierbar. Und das ist so nicht richtig.
Es hätte von Veränderungspotenzial gesprochen werden müssen. Mit Ersetzbarkeit assoziieren Interessenten jedoch »fällt weg«,»Ich verliere meinen Job«, bin dann arbeitslos, Hartz 4, etc.
Welches Bild erzeugt das bei künftigen Studienwählern? Dass das Ingenieurstudium und der Ingenieurberuf keine Zukunft hat! Und das stimmt so nicht.
Richtig ist, dass der Ingenieurberuf einer permanenten Veränderungen unterliegt. Aber diese haben wir in unserer Branche immer schon gehabt in den letzten 50 Jahren. Wir waren technologisch in Deutschland immer an der Speerspitze. Die Jobprofile wurden und werden permanent angepasst.
Deshalb: Die Anforderungen an Ingenieure werden sich verändern, ja das ist richtig. Aber die Jobs in Summe werden nicht weniger werden, im Gegenteil. Ich verweise nur auf unsere VDE-Studie, die wir in Zusammenarbeit mit dem IW Köln im August diesen Jahres veröffentlicht haben (Erwerbstätigkeit von E-Technik-Ingenieuren im Spiegel des Mikrozensus. Anm.d.Red.)
Also müssen die Firmen nur ihre Jobprofile anpassen?
Richtig. Aber das sind interne fortlaufende Prozesse.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sagt in einer Studie, dass in Deutschland infolge der Digitalisierung kaum Jobs wegfallen werden, es aber zu einer Verschiebung bei den Jobprofilen kommen wird. In Summe werden wir weltweit gar nicht so viele Arbeitsplatzverluste haben. Nehmen Sie die Studie vom World Economic Forum vom letzten Winter zum Thema Digitalisierung. Der zufolge sollen 5 Mio. Jobs netto wegfallen, in 15 Industrieländern mit über 1 Mrd. Beschäftigten! Der Techniker würde sagen, ‘das geht im Rauschen unter’.
Und die meisten davon fallen nicht im technischen Bereich weg, nicht da, wo Ingenieure arbeiten. Sondern vor allem in der Administration, den sog. »white collar jobs«. Gerade in Bereichen wie IT oder Engineering werden überproportional viele neue Jobs für Ingenieure der Elektrotechnik entstehen! All das passt nicht zu dem, was der Jobfuturomat der ARD prognostiziert.
Dabei ging es der ARD wohl eher darum, Beschäftige dafür zu sensibilisieren, dass Veränderungen in ihrer Arbeitswelt unausweichlich sind. Dass bestimmte Tätigkeiten in ihrer täglichen Arbeit ersetzbar sind.
Mag sein. Aber dann haben wir ein Sender-Empfänger-Problem. Die Idee mag gut gewesen sein, im Sinne von »Du musst Dich anpassen an die sich verändernde Arbeitswelt«. Aber die Umsetzung durch die ARD war höchst missverständlich. Vergleichen Sie mal den Ingenieur Automatisierungstechnik mit 55 Prozent »Substituierbarkeit« mit dem Verwaltungswirt, den man nur zu 20 Prozent »maschinell ersetzen« kann. Auf wen würde die Wahl wohl fallen, wenn - wie die meisten Jugendlichen - bei der Berufswahl auf Sicherheit und Zukunftsfähigkeit geachtet wird? Und dann werden womöglich auch das soziale Umfeld und die Berufsberater als Multiplikatoren durch den Jobfuturomat falsch beeinflusst.
Kritisieren Sie fehlende Kompetenz bei ARD zum Thema?
Sie haben es zumindest zu wenig kritisch hinterfragt. Vielleicht lag es auch am zu gering ausgeprägten Verständnis von Berufsbildern von Ingenieuren innerhalb der Redaktion. Wir beobachten in Deutschland eine immer ausgeprägtere Skepsis gegenüber Technik.
Sehen Sie Ihre langjährige Arbeit beim VDE für den Ingenieurberuf nun gefährdet?
Wir reden seit Jahren, »Leute, studiert Elektrotechnik, das ist die Zukunft oder absolviert eine technische Ausbildung«. Wir müssen am ausgeprägten Vorurteil arbeiten, Ingenieure seien Nerds und arbeiten als Entwickler einsam in der Garage. Genau das Gegenteil ist der Fall: der Ingenieurberuf bietet eine ungeahnte Vielfältigkeit.
Neben der Entwicklung finden wir Ingenieure in Vertrieb, technischem Marketing, Produktmanagement bis hinauf in die Geschäftsführung von Unternehmen. Aufgaben bei denen neben oftmals einem technischen Verständnis, Kreativität im Finden von (technischen) Lösungen, eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit und die Zusammenarbeit mit anderen Menschen gefragt ist.