40.000 Ingenieure arbeiten bei einem Dienstleister

Markt für externe Technologieaufgaben wächst

14. Mai 2012, 13:33 Uhr | Corinne Schindlbeck

Der Markt für Zeitarbeit und Personaldienstleistungen ist im Jahr 2011 nach Schätzungen von Lünendonk um 17,5 Prozent auf 20,7 Milliarden Euro gewachsen. Laut Bundesagentur für Arbeit gibt es 40.000 Ingenieure, die bei einem Dienstleistungsunternehmen beschäftigt sind. Nach Angaben der IG Metall entscheiden sich zehn Prozent der Jungingenieure für einen Dienstleister.

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Martin Rogge entwickelt zusammen mit einem dreiköpfigen Team eine Embedded-Software-Lösung für eine Motorsteuerungskomponente. Das Projekt ist Bestandteil einer modernen Car-IT-Lösung für Mittelklasse-Limousinen bei einem großen Automobilkonzern.

Der 26-Jährige ist bei einem Ingenieurdienstleistungsunternehmen angestellt, das für Partnerunternehmen technische Dienstleistungen entlang der gesamten Prozesskette übernimmt, von der Spezifikation bis hin zur Qualitätssicherung. Der Elektroingenieur arbeitet bereits seit zehn Monaten an der kniffligen Software, davor war er bei einem Luftfahrtunternehmen und hat dort ein Onboard-Infotainment-Projekt mitentwickelt.

Laut der Bundesagentur für Arbeit gibt es 40.000 Ingenieure, die bei einem Dienstleistungsunternehmen beschäftigt sind. Nach Angaben der IG Metall entscheiden sich zehn Prozent der Jungingenieure für einen Dienstleister. Martin Rogge hat  bewusst diesen Weg gewählt. „Hier kann ich vielfältige Projekte in verschiedenen  Unternehmen und Einsatzfeldern kennen lernen und mich profilieren“, erklärt er. Neben Projekterfahrung in technologieintensiven Branchen sammeln die Spezialisten dabei ein enormes Fachwissen.

Der Dienstleistungsmarkt für Technologie-Beratung und Engineering Services in Deutschland hatte nach Informationen des Marktanalyse- und Beratungsunternehmens Lünendonk im Jahr 2010 ein Volumen von 7,5 Milliarden Euro. In den nächsten Jahren rechnen die führenden Anbieter mit Wachstumsraten von knapp acht Prozent. Traditionell ist es ein stark heterogener Markt: Der größte Anbieter EDAG erwirtschaftete einen Jahresumsatz von 500 Millionen Euro in Deutschland, bei der Nummer 25, der Labinal GmbH, waren es 39 Millionen Euro.

Die hohen Wachstumszahlen resultieren aus einem sich verändernden Anforderungsprofil an Technologieunternehmen, wie Automobilhersteller, Ausrüster für die Luftfahrt oder im Maschinenbau. Sie müssen flexibel mit kürzeren Entwicklungszyklen, neuen Technologien und Auftragsspitzen jonglieren können. In einem technologiegetriebenen Zeitalter bedeuten Projektverzögerungen und verspätete Marktreife eines neuen Produktes schnell das Abseits.

Unternehmen setzen verstärkt auf externe Dienstleistungspartner. Markus Kohlwig, Bereichsleiter beim Münchner Ingenieurdienstleister OSB AG, fasst zusammen: „Unsere Kunden schätzen das breite Fachwissen unserer Mitarbeiter, deren große Motivation und Fähigkeit, neue Impulse in die Projekte mit einzubringen.“

Die Zusammenarbeit mit einem Technologieunternehmen kann dabei auf verschiedene Weise erfolgen. Am häufigsten werden Projektverträge auf der Basis von Werkverträgen oder Dienstverträgen geschlossen, die Arbeitnehmerüberlassungen sind weitere Optionen.

Bei einem Dienstleistungsvertrag wird eine definierte Leistung ausgehandelt, von der IT-Beratung bis zur Schulung. Vereinbart der Dienstleister mit einem Unternehmen dagegen ein definiertes Ergebnis, beispielsweise das CAD-Modell eines Getriebes oder Software für ein Navigationsgerät, handelt es sich um einen Werkvertrag. Dabei ist er vollständig für das Ergebnis verantwortlich, bis hin zur Produkthaftung. Bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag sind die Mitarbeiter fest in die Betriebsorganisation des Auftraggebers integriert.

Bei den Unternehmen, die als Systemdienstleister Teilprojekte auch in eigener Verantwortung realisieren, sind die Ingenieure nicht nur beim Kunden vor Ort, sondern auch in eigenen Entwicklungsabteilungen tätig. Zum Beispiel unterhält die OSB AG ein Competence Center, in dem Steuerungs- und Kommunikationssoftware für die Agrartechnik entwickelt wird.

Ingenieurdienstleister bedauern immer wieder, dass sie mit den Zeitarbeitsunternehmen und deren mitunter schlechten Arbeitsbedingungen in einem Atemzug genannt werden. „Was uns im Gegensatz dazu auszeichnet: Wir bieten unseren hochqualifizierten Mitarbeitern eine unbefristete Festanstellung, marktgerechte Gehälter, hervorragende Entwicklungsperspektiven in langfristigen Projekten und umfangreiche Weiterbildungsmöglichkeiten“, fasst Markus Kohlwig von der OSB AG zusammen. In Zeiten von Fachkräftemangel und vollen Auftragsbüchern brauchen die Anbieterunternehmen jeden Mitarbeiter.

Dies wirkt sich auch auf die Bezahlung der externen Spezialisten aus. „Dienstleister müssen attraktive Löhne zahlen, sonst finden sie nicht die dringend benötigten Mitarbeiter“,  versichert Hartmut Lüerßen, Partner von Lünendonk GmbH, „auch wenn das Gehalt unter keinem Tarif steht“ . In der Luftfahrt- und in der Automobilindustrie ist Equal Pay üblich. Andere Branchen würden nachziehen, die derzeitige Konjunkturlage und der Fachkräftemangel unterstützen diese Entwicklung.

Nicht jeder kommt mit der Rolle eines externen Spezialisten klar: „Es gibt da ein gewisses Hierarchiedenken, nicht immer haben sie beim Kunden den gleichen Stellenwert wie festangestellte Mitarbeiter“, beobachtet Stephan Schwenk, Geschäftsführer der Brockhaus GmbH. Andere wiederum schätzen es sehr, auf diese Weise nicht der Personalpolitik und dem politischen Klima eines Unternehmens ausgeliefert zu sein.

„Lange Pendelstrecken bei denen unsere Fachkräfte nur an den Wochenenden zu Hause sind, versuchen wir zu vermeiden“, versichert Jan Meister von Brunel, In konjunkturell schwachen Phasen sei dies jedoch nicht immer zu berücksichtigen, so der Brunel-Manager weiter. „Das kann jedoch keine Dauerlösung sein.“  

Dienstleistungsunternehmen profitieren vom konjunkturellen Aufschwung und haben bei einem Abschwung die Folgen zu tragen. Jüngst war dies in den Jahren der Finanzkrise um 2008/2009 zu beobachten: Die Leerlaufquoten, die Zeiten, in denen Ingenieure keinen Auftrag bei einem Kunden haben, liegen im branchenüblichen Durchschnitt bei fünf Prozent. 2009 haben sie sich zwischen zehn und 15 Prozent eingependelt. In der Regel wurde dies mit Kurzarbeitsregelungen ab gepuffert.

Davon ist derzeit keine Rede mehr, laut einer im Frühjahr veröffentlichten Studie der Lünendonk GmbH zur Zukunft der Ingenieur-Dienstleistungen in Deutschland planen über 61 Prozent der Industrieunternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern, Technologieberatungs- und Ingenieurdienstleistungen von einem Partnerunternehmen verstärkt in Anspruch zu nehmen. Gerade im Mittelstand nimmt der Bedarf zu. Im Durchschnitt haben mittelständische Unternehmen bis zu sechs externe Dienstleister, Tendenz steigend.

Um weiter wachsen zu können, versuchen die Ingenieurdienstleister sich noch bekannter zu machen und ihre Attraktivität als Arbeitgeber herauszustellen. Sie werben mit spannenden Projekten bei namhaften Kunden und attraktiven Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Unternehmensgruppe ABLE Group, die mit Tochtergesellschaften wie Ferchau einer der größten Ingenieurdienstleister in Deutschland ist, bietet ihren Spezialisten beispielsweise strukturierte Potenzialanalysen für die Karriereplanung. „Das ist mehr als die klassischen Weiterbildungskurse“, erklärt Stephan Brinkmann, Leiter der 2009 gegründeten ABLE Academy. Auch andere Anbieter haben ähnliche Programme im Portfolio. Sie müssen in ihre Mitarbeiter investieren, um hochqualifizierte Fachkräfte auch langfristig an sich binden zu können.  


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