„Ingenieure können sich derzeit ihren Arbeitgeber aussuchen.“ sagt auch Hartmut Lüerßen von Lünendonk. Bei der Vorstellung der Studie „Zukunft der Ingenieurdienstleistung in Deutschland“ war sich die anwesende Runde aus Vertretern der Branche einig, dass der Wettbewerb um qualifizierte Ingenieure aktuell noch heftiger sei als beim letzten Boom 2007/2008.
Damit die Engineering-Dienstleister im Gerangel um die Fachkräfte nicht den Kürzeren ziehen, investieren sie viel in Karrieremöglichkeiten und Weiterbildung. Und sie versuchen, schnell zu sein: „Oft haben wir bei Bewerbern die Nase vorn, weil wir schnell reagieren und uns nicht wochen- oder sogar monatelang für den Rekruitierungsprozess Zeit lassen“, sagt beispielsweise Yves-Antoine Brun, Managing Director bei der Alten GmbH.
Robert Viefers, Marketing Director bei der Engineering-Sparte des Branchenriesen Randstadt, Yacht-Teccon, mag den Begriff Leiharbeit überhaupt nicht: »Wir benutzen den Begriff „Leiharbeiter“ nicht, weil er ein völlig falsches, zumindest aber völlig überholtes Bild zeichnet. Etwas zu verleihen impliziert laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB § 598 - 606) eine unentgeltliche Abgabe von Dingen.« „Leiharbeit” erwecke den Anschein, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen würden versachlicht und zum Objekt degradiert. »Unsere Kolleginnen und Kollegen sind jedoch fast ausschließlich in Festanstellung für uns tätig und verfügen über Gehälter und Sozialleistungen, die auch einen branchenübergreifenden Vergleich nicht scheuen müssen. Das Image der Branche ist in Deutschland leider deutlich schlechter als die wirkliche Beschäftigungssituation.«
Der Bedarf an Ingenieuren ist derzeit so groß, dass viele Kunden ehemals externe Ingenieure und Techniker fest anstellen – zum Leidwesen der Dienstleister, wenngleich Sie eine Vermittlungsprovision kassieren dürfen, die in die in der Regel mindestens 30 Prozent des Jahresbruttogehalts ausmacht.
Infineon Österreich beispielsweise übernimmt 200 Zeitarbeitnehmer in ein direktes Arbeitsverhältnis, um einen Teil der insgesamt 400 offenen Stellen zu besetzen. Und längst nicht alle sind Ingenieure: »Von diesen 200 sind ein Großteil Operator in der Fertigung, zu einem geringeren Teil Leute aus Support-Funktionen oder in der Entwicklung.« erklärt Christian Hoenicke, Manager Media Relations bei Infineon in München. 100 Stellen habe man bereits mit Ingenieuren und Technikern für Forschung & Entwicklung und technisches Marketing besetzen können, weitere 100 Stellen sind offen für Profile wie zum Beispiel System Engineer, Application Engineer, Mixed Signal Engineer, Product Development, Test Engineer, Quality Engineer oder Technology Engineer.
Auch Audi beabsichtigt, 200 Leiharbeiter an den Standorten Ingolstadt und Neckarsulm im Laufe des Jahres zu übernehmen. Die Maßnahme beruhe auf der guten Auftragslage, die zu einer höheren Auslastung der Werke führe, so Personalvorstand Thomas Sigi. Und auch bei BMW wechseln aktuell Leiharbeiter die Seiten.
Das trifft die Branche. »Jeder zweite geht zum Kunden«, klagt einer in kleiner Runde. Offiziell aber gibt man sich gelassen, etwa bei Yacht-Teccon. Robert Viefers, Direktor Marketing&Kommunikation: »Natürlich kommt es vor, dass Mitarbeiter zu Auftraggebern wechseln, das ist völlig normal. Allerdings ist das keine Einbahnstraße, vielmehr wechseln auch Mitarbeiter von Kundenunternehmen zu Yacht Teccon. Eine Verstärkung des „Klebeeffekts“ können wir bei aktuell nicht beobachten.«
Wie ist es bei der Konkurrenz? Auskunft von Gerjan Mazenier, General Manager der Brunel GmbH: »Unser Geschäftsmodell bringt es mit sich, dass Mitarbeiter von unseren Kunden auch übernommen werden. Da es unser Anspruch ist, den perfekten Kandidaten für ein Projekt zu finden, ist ein solcher Wechsel ein Beleg für die Qualität unserer Dienstleistung.« Tatsächlich steige durch die anziehende Konjunktur nicht nur die die Kundennachfrage, sondern auch die Anzahl der Übernahmen. Doch Mazenier gibt sich gelassen: »Dem gegenüber steht jedoch ein konstant hoher Bewerbungseingang – über 20.000 erreichen uns pro Jahr.« Wer’s nicht glauben mag, dem hält Mazenier entgegen: »Die Gründe hierfür liegen in unseren intensiven Rekrutierungsmaßnahmen in Kombination mit der beruflichen Perspektive, die wir bieten: Unsere Mitarbeiter sammeln branchenübergreifendes Know-how, bilden sich kontinuierlich weiter und können dank unbefristeter Arbeitsverträge beruflich wie privat langfristig planen.«
Zumal der Trend zum Outsourcing ungebrochen ist und die Zahl der Leute in den Kernteams der Unternehmen verringert wird – was den Dienstleistern nutzt. In der Luftfahrtbranche etwa ist Airbus ein gutes Beispiel für intensive Zusammenarbeit. Vielen öffnet sich die Türe zu solchen Wunscharbeitgebern nur über den Umweg der Dienstleister.
Gleichzeitig hält der Trend der Verlagerung in Billiglohnländer an: Alles was nicht innovativ ist, wird outgesourct. Fortgeschritten in der IT, wo Indien ein bevorzugter Partner ist, weniger bisher im Engineering, wie die versammelte Dienstleister-Runde beschwichtigt. Man sei bislang im Ausland noch nicht in der Lage, deutsche Ingenieure zu ersetzen. Genüsslich berichten deutsche Projektverantwortliche von chaotischen Ergebnissen auf entsprechende Versuche, in Billiglohnländer auszuweichen.
Ausruhen sollte man sich auf diesem Vorsprung jedoch besser nicht, zumal es meist kulturelle und sprachliche Hindernisse gibt, immer seltener technologische. Die Botschaft an den einzelnen Ingenieur ist klar formuliert: Je kompetenter und innovativer er in den Zukunftstechnologien ist, um so sicherer ist sein Arbeitsplatz – egal ob beim Dienstleister oder beim OEM.