Die CSU will sich mit einer Herdprämie profilieren, dabei gibt jede zweite Frau mit Kindern wegen mangelnder Unterstützung ihre Karriere auf, wie aktuelle Umfragen zeigen. Arbeitgeberverbände zeigen mit dem Finger auf die vermeintlich rückwärts gerichtete CSU – dabei ist die Industrie in Bezug auf Familie und Beruf selbst von vorgestern.
Auf der nächste Woche beginnenden Hannover Messe soll der Kongress „WoMenPower“ Personalverantwortlichen zeigen, welche arbeitsmarktpolitischen Trends es gibt zum Thema Worklife-Balance, Flexible Arbeitszeiten oder Diversity. Bleibt nur zu hoffen, dass das Angebot regen Zuspruch findet, denn in der Realität lassen sich in deutschen Unternehmen Karriere und Familie nur schlecht kombinieren.
Entweder kehrt die Frau aus der Babypause mit dem Wunsch nach Teilzeit zurück und darf sich fortan keine großen Hoffnungen mehr machen, in der Personalentwicklung für höhere Weihen berücksichtigt zu werden. Oder sie kommt wieder Vollzeit ins Büro und nimmt den täglichen Kampf mit Familienorganisation, Kindergarten-Schließzeiten und Konferenzschaltungen auf sich. Unterstützt wird sie dabei in der Regel weder in Voll- noch in Teilzeit, denn in den Köpfen der allermeisten Chefs sind Kinder Privatsache, rund um deren Betreuung man sich selbst und natürlich der Staat zu kümmern habe.
Man mag es nicht glauben angesichts aller Beteuerungen, MINT-Initiativen und Fachkräftemangel-Klagen: Der Großteil der Industrie schafft es nicht, seinen Frauenanteil selbstständig zu erhöhen. Weil sie Frauen mit Kindern als Problem, als Abweichung vom nine-to-five-Arbeitsalltag ansieht?
Und bevor jetzt der Einwand kommt, dass es ja gar nicht genügend Frauen mit Ingenieursstudium gäbe, die man einstellen könnte: In der konkreten Diskussion zeigen sich Arbeitgeber-Vertreter seltsam desinteressiert: „Aber nicht im Vertrieb! Der Kunde braucht ja seinen Ansprechpartner“, „Ingenieurin in Teilzeit? Schwierig“ und, zum Thema Job-Sharing, „Zwei Top-Managerinnen in Teilzeit – wie soll das denn gehen?“ Alle diese Aussagen habe ich selbst vernommen, letztere erst kürzlich auf einer Konferenz zum Thema Ingenieurmangel in München.
Natürlich bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel. Siemens etwa lockt schon mal mit einem Karrieresprung, wenn sich die Mutter zeitnah entscheidet, die Babypause nicht zu lang werden zu lassen. Und der Semikron-Geschäftsführung in Nürnberg war es ein Anliegen, auf dem Betriebsgelände an der Sigmundstraße einen Kindergarten zu errichten (was im Übrigen beinahe an bürokratischen Hindernissen gescheitert wäre). Doch Ende gut, alles gut: Der Bau soll nun sogar erweitert werden.
Und nun prescht die CSU ausgerechnet mit einer Herdprämie nach vorne, Arbeitgeberverbände – mit MINT-Initiativen um Frauen werbend – zeigen sich entsetzt und fordern, das Geld lieber in Kinderbetreuungseinrichtungen zu investieren. Die geplante Einführung eines Betreuungsgeldes sei ein Rückschritt und gefährde wichtige Ziele der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Familienpolitik, teilten Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und DGB-Chef Michael Sommer in ungewohnter Einigkeit mit.
Wer könnte es den Frauen verdenken, wenn sie angesichts der praktischen Hürden im Berufsalltag lieber das Geld einsteckten? Denn die Ergebnisse einer aktuellen Befragung von Frauen im mittleren Management im Auftrag der Personalberatung Rochus Mummert zeigen ein düsteres Bild: Kinder und Karriere – das passt offenbar nicht zusammen.
Fast die Hälfte der Frauen im mittleren Management cancelt die Karriere, weil sie Familie und Beruf nicht unter einen Hut bekommt. Eine Stufe weiter oben sind es sogar zwei von drei Müttern. Für die Untersuchung "Frauen im mittleren Management" wurden zwischen Januar und Februar dieses Jahres 119 Frauen im mittleren Management von Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern aus den Branchen Handel, Dienstleistungen und produzierender Industrie befragt.
Dabei sind Frauen als Berufseinsteigerinnen noch höchst motiviert: 35 Prozent streben eine Management-Laufbahn an, hat eine Umfrage unter Studentinnen ergeben. "So bitter die Erkenntnis unserer Studie auch ist, die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie ist für Frauen offenbar noch immer das maßgebliche Karrierehindernis", sagt Studienleiter Bernhard Walter, Personalberater bei Rochus Mummert. "Die Deutlichkeit, mit der Frauen auf die mangelnde Unterstützung hinweisen, sollte Unternehmen und Politik daher Mahnung genug sein, dieses Thema nicht länger als ideologisches Schattenboxen abzutun, sondern endlich nach pragmatischen Lösungen zu suchen."
Wie die Umfrage von Rochus Mummert weiter zeigt, werden auch die weiblichen Spitzenkräfte im mittleren Management, die eventuell sogar Potenzial für eine Position im Topmanagement haben, häufig auf ihrem Weg nach oben durch schlechte Rahmenbedingungen ausgebremst.
"Dass es derzeit noch nicht einmal gelingt, den an die Spitze drängenden Managerinnen den Karriereweg zu ebnen, macht einmal mehr deutlich, wie weit ab von der täglichen Realität das mit viel Medienrummel ausgetragene Ringen um eine Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen ist", gibt Personalberater Walter zu bedenken. "Denn wer soll - ganz unabhängig von der Sinnhaftigkeit einer Quote - die Spitzenposten besetzen, wenn der dafür notwendige Unterbau nicht entsprechend gefördert wird", so Walter.
Der Königsweg, um Karriere und Familie unter einen Hut zu bekommen, wären flexiblere Arbeitszeitmodelle bis hin zu Führungspositionen in Teilzeit sowie ein verbessertes Betreuungsangebot für Kinder - und zunehmend auch pflegebedürftige Eltern. Doch hier gibt es noch viel Arbeit – auch Überzeugungsarbeit - zu leisten.