Fest angestellt beim Hersteller – ein Auslaufmodell?

»Der Bedarf wird sich bei 1/3 Externe einpendeln«

17. April 2012, 11:14 Uhr | Corinne Schindlbeck
Meiner Meinung nach wird der Trend weiter zunehmen, einen Teil der Ingenieursaufgaben über externe Dienstleister abzuwickeln, dazu zählt neben der Arbeitnehmerüberlassung und dem Einsatz von Freiberuflern immer mehr das Outsourcing von Teilprojekten im Rahmen von Werkverträgen.
© Oelmann Consulting

Immer mehr Ingenieursstellen werden von Dienstleistern ausgeschrieben, weil große Unternehmen immer stärker auf externe Ingenieure setzen, anstatt eigenes Personal fest anzustellen. Thorsten Oelmann ist Berater für externes Personalmanagement und erklärt, wie dieser Trend entstanden ist.

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Herr Oelmann, wird sich der Arbeitsmarkt für Ingenieure trotz Fachkräftemangel langfristig dahin bewegen, dass ein Großteil der Ingenieursaufgaben, die in Unternehmen anfallen, über externe Projektmitarbeiter (Selbstständige oder AÜ) abgewickelt wird?

Thorsten Oelmann: Der Arbeitsmarkt ist nicht nur in Deutschland seit vielen Jahren in einem  großen Veränderungsprozess. Was seit einiger Zeit bereits für alle weltweit aufgestellten Konzerne selbstverständlich ist, wird nun auch für die Mehrzahl der mittelständischen Unternehmen in Deutschland notwendig. Im globalen Wettkampf um Märkte und Innovationen müssen sich die Unternehmen flexibler und schneller auf die sich verändernden Bedingungen einstellen können. Darauf muss insbesondere die gesamte Personalarbeit mit neuen Konzepten reagieren.
Mit entscheidend ist in diesem Zusammenhang ein deutlich flexibler Personalkörper, der sich möglichst umgehend auf neue Situationen einstellen kann und muss. Dem gegenüber steht allerdings die Notwendigkeit, Fachkräfte an das Unternehmen zu binden und weiter zu entwickeln, die in einem enger werdenden Markt immer schwieriger zu finden sind. Daher wird meiner Meinung nach zum einen der Trend weiter zunehmen, einen Teil der  Ingenieursaufgaben über externe Dienstleister abzuwickeln, dazu zählt neben der Arbeitnehmerüberlassung und dem Einsatz von Freiberuflern immer mehr das Outsourcing von Teilprojekten im Rahmen von Werkverträgen.

Heißt dass, die Chance auf Festanstellung beim OEM wird weiter sinken?

Es ist notwendig, einen Kern von Ingenieuren fest an das Unternehmen zu binden und Ihnen eine langfristige Perspektive zu geben.  Die Zahl der externen Mitarbeiter wird sich zwar erhöhen, aber bei etwa 1/3 eine natürliche Grenze erreichen. Hauptgründe dafür sehe ich in folgenden Punkten: Unternehmen konzentrieren sich bei Festanstellungen auf das Kerngeschäft, welches vergleichsweise unabhängig von konjunkturellen Schwankungen ist und sich zudem in längerfristigeren Zyklen ändert. Das Risiko des Know-how-Verlustes ist in diesem Zusammenhang deutlich höher und gefährdet damit die Zukunft des Unternehmens. Zudem könnten Innovationen über externe Mitarbeiter und Dienstleister schnell unbemerkt an Konkurrenzunternehmen abwandern. Dazu kommt unter Umständen ein Imageverlust und eine schwindende Identifikation der Ingenieure mit ihrem Unternehmen. Auch entspricht es in Deutschland eher den allgemeinen Normen und Werten, dass viele Menschen eine Festanstellung mit scheinbar größerer Sicherheit bevorzugen, die zudem auch gesellschaftlich ein höheres Ansehen genießt als Selbständigkeit oder gar Arbeitnehmerüberlassung.
Standard-Entwicklungen oder selten genutzte Teilkomponenten dagegen werden aus Kostengründen überwiegend von externen Dienstleistern oder Mitarbeitern abgewickelt. Dazu zählen auch Spezialprojekte mit hohen Entwicklungskosten und fehlender Ingenieurskompetenz im eigenen Haus oder Entwicklungen mit kurzfristig hohem Personalbedarf. Der externe Ingenieursmarkt wird zudem als Personalbeschaffungsmöglichkeit gesehen, um Fachkräfte für das Unternehmen zu rekrutieren. Typische Beispiele für den o.g. Trend sind sicherlich die gesamte Automotivebranche und die Elektrotechnik mit immer kürzeren Modellzyklen und hohem Innovationsdruck sowie der sehr komplexe Maschinen- und Anlagenbau, in der die Summe der unterschiedlichen Anforderungen von vielen Unternehmen nicht abgedeckt werden kann.

Aber der „Klebeeffekt“ externer Ingenieure beim Kunden liegt nur bei wenigen Prozent und zudem sind die Gehälter sind niedriger.

Manche Personaldienstleister (etwa Hays) decken mehrere Bereiche ab: AÜ, Contracting, Search&Placement. Hays sagt, die Gehälter seien auf demselben Niveau wie beim Kunden. Trotz der grundsätzlich sicher nicht falschen Aussage, dass Ingenieure bei den Dienstleistern ähnlich entlohnt werden, regelt hier doch noch stärker der Markt mit Angebot und Nachfrage den Preis. Einsteiger und Generalisten ohne besondere Fokussierung werden tendenziell geringer bezahlt als vergleichbare Mitarbeiter im eingesetzten Unternehmen, vor allem unter Einbezug sämtlicher Zusatzleistungen. Bei Spezialisten oder besonderen Erfahrungswerten hingegen sehe ich die Entwicklung eher anders herum. Oft können deutlich höhere Gehälter oder Tagessätze ausgehandelt werden, als man es bei einer langfristigen Beschäftigung durchschnittlich könnte.

Die Konditionen werden mit dem Einkauf des OEMs ausgehandelt. Wie kann man als Ingenieur sicherstellen, dass man dabei nicht schlechter gestellt wird? Was empfehlen Sie?

 Eine wirkliche Kontrolle über die Höhe der eigenen Vergütung im Vergleich zu den Gehältern im eingesetzten Unternehmen ist defakto kaum möglich. Lediglich einige wenige Unternehmen haben über Betriebsvereinbarungen festgelegt, dass Mitarbeiter über Zeitarbeit im gleichen Maße entlohnt werden wie die Stammmitarbeiter. Dies gilt allerdings nur für tarifgebundene Mitarbeiter und somit eher für Standardqualifikationen. Bei allen außertariflichen Mitarbeitern, Freiberuflern oder beim Projektgeschäft kann der betroffene Ingenieur dies nicht sicherstellen. Zudem können weitere Vergünstigungen des Unternehmens wie Altersvorsorge, Boni, Firmenwagen usw. nur sehr eingeschränkt auf die externen Mitarbeiter übertragen werden bzw. liegen dann in der Verantwortung des Ingenieurdienstleisters.

Müssen wir uns mit dieser Zweiteilung des Arbeitsmarktes abfinden?

Empfehlenswert und sinnvoll ist die Beschäftigung über externe Ingenieurdienstleister meiner Meinung nach aber auf jeden Fall. Vor allem Einsteiger finden kaum adäquate Einstiegsmöglichkeiten in regulären Unternehmen, können sich aber über Dienstleister für Unternehmen empfehlen und wertvolle Erfahrungen sammeln. Über unterschiedliche Projekte und Aufgaben können sich persönliche Schwerpunkte entwickeln und ausbauen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach Möglichkeit ein Ingenieurdienstleister ausgewählt wird, der verschiedene Vertragsformen anbietet, Projekte selbst abwickeln kann und über einen hohen Bekanntheitsgrad am Markt verfügt. Nach einiger Zeit sollte allerdings der Sprung zu einem Unternehmen gelingen, wenn man genügend unterschiedliche Erfahrungen gemacht und die persönliche Spezialisierung gefunden hat. Alternativ dazu ist der Sprung in die Selbständigkeit nur dem zu empfehlen, der in der Lage ist, sich und seine Qualifikation ständig am Markt zu verkaufen und über ein gutes Netzwerk verfügt. Eine überdurchschnittliche Qualifikation oder besondere Fokussierung ist in diesem Zusammenhang für den Erfolg eine Grundvoraussetzung.


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