Nach dem Vorbild des Gehirns

Spin-Memristoren senken KI-Energieaufnahme drastisch

7. Oktober 2024, 7:07 Uhr | Heinz Arnold
KI-Platine mit vier Spin-Memristor-Bauelementen
© TDK

Mit einem neuen Spin-Memristor, der der Arbeitsweise von biologischen Neuronen nahe kommt, will TDK die Stromaufnahme von KI-Systemen auf ein Hundertstel senken.

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Dazu hat die TDK Corporation einen speziellen Spin-Memristor entwickelt, den das Unternehmen auch als ein »neuromorphes Element« bezeichnet, das besonders wenig Strom benötigt. »Neuromorph« nennt TDK den Spin-Memristor deshalb, weil er die energieeffiziente Arbeitsweise des menschlichen Gehirns nachahmt. Denn während herkömmliche Speichertypen Daten in Form von 0 oder 1 ablegen, kann ein Memristor Daten in analoger Form speichern – so wie das Gehirn. Dadurch benötigen komplexe Rechenprozesse extrem wenig Energie. Bestes Beispiel dafür ist das menschliche Gehirn: Es kommt mit etwa 20 W Leistung aus, um komplexere Entscheidungen zu treffen als aktuelle digitale KI-Prozessoren.

Doch der Energiebedarf großer Datenzentren ist schon heute enorm und wird wegen dem zunehmenden Einsatz von Big Data und von KI-Prozessoren exponentiell steigen. Das wird weltweit erhebliche Auswirkungen haben und im Grund ist noch gar nicht klar, wo die erforderliche Energie für die Rechenzentren künftig herkommen soll. Die Hyperscaler erwägen deshalb schon, eigene Atomkraftwerke zu bauen, um CO2-neutral Strom zu produzieren. Microsoft plant sogar, das 1979 havarierte Atomkraftwerk Three Mile Island zu reaktivieren. Ein Ausweg bestünde darin, die Energieaufnahme von KI-Prozessoren deutlich zu senken. Genau diesen Weg will TDK mit dem neuen Spin-Memristor gehen und über internationale Zusammenarbeit zwischen Industrie, Wissenschaft und Regierung das Problem des steigenden Energiehungers zu lösen.

Keramikgehäuse, bestückt mit dem von TDK entwickelten Spin-Memristor
Keramikgehäuse, bestückt mit dem von TDK entwickelten Spin-Memristor
© TDK

Jetzt ist TDK ein entscheidender Schritt auf diesem Weg gelungen: Das Unternehmen hat in Zusammenarbeit mit der französischen Forschungsorganisation CEA (Commission de l'énergie alternatif et de l'énergie atomique) nachgewiesen, dass der Spin-Memristor als Grundbaustein für ein neuromorphes System dienen kann. In Zukunft wird das Unternehmen mit dem Center for Innovative Integrated Electronic Systems (CIES) der Tohoku University kooperieren, um diese Technologie in die Praxis umzusetzen. »Mit dieser Forschungskooperation betreten wir Neuland, um nachhaltigere, zuverlässigere und hocheffiziente Lösungen zu entwickeln, die den wachsenden Anforderungen moderner KI-Anwendungen gerecht werden«, sagt Dr. Marc Duranton, Senior Fellow der CEA.

Zwar gibt es bereits Memristoren für neuromorphe Systeme, sie haben aber noch einige Schwachstellen. Darunter fallen Veränderungen des elektrischen Widerstands über die Zeit, Schwierigkeiten bei der Steuerung des präzisen Schreibens von Daten und die Notwendigkeit einer Kontrolle, die sicherstellt, dass die Daten erhalten bleiben.

TDK ist überzeugt, dass der Spin-Memristor all diese Schwierigkeiten überwindet: er sei unempfindlich gegenüber äußeren Einflüssen und könne Daten über lange Zeiträume speichern. Gleichzeitig senkt er den Strombedarf, indem er den Leckstrom in bestehenden Systemen reduziert.

TDK und die CEA arbeiten bereits seit dem Jahr 2000 zusammen. Sie haben einen KI-Schaltkreis entwickelt, der mit einem Spin-Memristor (3 Elemente × 2 Sätze × 4 Chips) ausgestattet. Dass dieser Schaltkreise funktionsfähig war, haben die beiden Partner nachgewiesen, indem mit seiner Hilfe Geräusche getrennt wurden. Damit war bewiesen, dass sich Spin-Memristoren als grundlegende Elemente in KI-Schaltkreisen eignen. Im Rahmen der Demonstration konnte der Schaltkreis sogar drei Arten von Klängen (Musik, Sprache und Geräusche) in beliebigen Verhältnissen mischen und die Klänge in Echtzeit erlernen und voneinander trennen. Dagegen müssen beim herkömmlichen maschinellen Lernen KI-Operationen auf der Grundlage von Daten durchgeführt werden, mit denen das KI-Modell zuvor trainiert wurde. Das System von TDK kann sich jedoch in Echtzeit an sich verändernde Rahmenbedingungen anpassen.

Nach dem Konzeptnachweis für den Spin-Memristor als Grundelement eines neuromorphen Systems wird TDK dieses Projekt von der Grundlagenentwicklung nun praktisch umsetzen. Dafür ist es erforderlich, Halbleiter- und Spintronik-Herstellungsprozesse zu kombinieren. Dies ist bei der Fertigung von MRAM, einem Produkt, das Memristoren ähnelt, bereits gelungen. TDK wird die integrierte Technologie-Entwicklung gemeinsam mit der Tohoku University vorantreiben, einer führenden akademischen Einrichtung im Bereich der MRAM-Forschung und -Entwicklung.

»Es kommt darauf an, die Rechenleistung der KI zu verbessern und gleichzeitig den Energiebedarf zu senken. Angesichts dieses gesamtgesellschaftlichen Anliegens ist das Programm von TDK zur Entwicklung von KI-Halbleitern, das Memristor- und Spintronik-Technologie kombiniert, von großer Bedeutung. Wir werden mit dem akademischen Wissen der Tohoku University und der Fertigungstechnologie der 12-Zoll-Prototypenlinie zu diesem Projekt beizutragen«, sagt Dr. Tetsuo Endoh, Direktor des CIES, Tohoku University.


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