Der RZ/T2H von Renesas integriert alles für die Steuerung von neun Achsen und ersetzt damit FPGAs, ASSPs und separate CPUs. Damit können Entwickler die Bauteilzahl, Leiterplattengröße und Entwicklungszeit von Industrierobotern deutlich senken.
Mit dem wachsenden Bedarf an Automatisierung und der wirtschaftlichen Notwendigkeit, Arbeitskosten in Fabriken zu senken, steigt die Nachfrage nach Industrierobotern wie vertikalen Knickarmrobotern. Für die Entwicklung solcher Industrieroboter ist eine leistungsfähige Echtzeitverarbeitung zur Steuerung mehrerer Motorachsen notwendig. Ebenso erforderlich ist ein leistungsstarkes Prozessorsystem zur Berechnung der Bewegungsbahnen des Roboterarms sowie zur Ausführung von Middleware wie ROS (Robot Operating System). Hinzu kommt die Unterstützung von industrieller Ethernet-Kommunikation, um den Roboter mit dem Fabriknetzwerk zu verbinden.
Konventionelle Steuerungssysteme für Industrieroboter verwenden typischerweise FPGAs für die Motorsteuerung, leistungsstarke CPUs für die Anwendungsverarbeitung und ASSPs (Application-Specific Standard Products) für Industrial Ethernet. Jeder dieser Halbleiter benötigt eine eigene Stromversorgung, Taktquelle und Speicher, was zu einer großen Anzahl zusätzlicher Komponenten führt. Dies erschwert nicht nur das Schaltungs- und Layoutdesign des Systems erheblich, sondern bedingt auch einen hohen Aufwand für das Design und die Evaluierung der in den FPGAs implementierten Funktionen.
Dieser Artikel stellt eine Methode vor, mit der sich die Motorsteuerung für bis zu neun Achsen, eine leistungsstarke Anwendungsverarbeitung sowie ein multiprotokollfähiges Industrial Ethernet auf einem Chip realisieren lassen. Dieser Single-Chip reduziert die Anzahl der in Industrierobotern benötigten Bauteile und verkürzt die Entwicklungszeit erheblich.
Zur Steuerung von Servomotoren in Industrierobotern ist innerhalb des vorgegebenen Trägertakts eine Stromregelungsschleife auszuführen. Dabei werden jeweils der durch den Motor fließende Stromwert und die Positionsinformationen erfasst und der Ausgang des dreiphasigen PWM-Timers für jeden Motor bestimmt. Da Industrieroboter diese Stromregelung für jede einzelne Achse durchführen, ist eine leistungsstarke Echtzeitverarbeitung notwendig. Herkömmliche Industrieroboter realisieren die Stromregelung mehrerer Achsen mithilfe von FPGAs, die parallele Verarbeitung erlauben, oder durch den Einsatz mehrerer Mikrocontroller (MCUs). Zusätzlich ist eine für Echtzeitanwendungen geeignete CPU notwendig, um über Industrial Ethernet die präzise Synchronisation zwischen den Komponenten sicherzustellen.
Die RZ/T2H-MPU enthält zwei Cortex-R52-CPUs für Echtzeitanwendungen, und jede CPU arbeitet mit einer Taktfrequenz von 1 GHz und stellt einen großen, direkt angekoppelten Speicher (576 KB) bereit. Dieser vermeidet Laufzeitschwankungen, wie sie bei der Verwendung von Cache-Speichern auftreten, und ermöglicht eine äußerst schnelle deterministische Reaktion. Darüber hinaus befinden sich die trigonometrische Funktionseinheit (TFU) und die für die Motorsteuerung relevante Peripherie am LLPP-Bus (Low-Latency Peripheral Port), der direkt mit der CPU verbunden ist. Dies gewährleistet einen sehr schnellen Zugriff durch die CPU und eine besonders schnelle Ausführung der Stromregelungsschleifen-Algorithmen. Ein Beispielprogramm von Renesas zeigt, wie eine einzelne CR52-CPU die Stromregelung für neun Achsen in weniger als 8 µs ausführen kann. Damit ist mit dem RZ/T2H eine Trägerfrequenz von 100 kHz (=10 µs) erreichbar. Somit können Entwickler mit nur einer CR52-CPU des RZ/T2H die Motorsteuerung für neun Achsen übernehmen, während die zweite CR52-CPU die Industrial-Ethernet-Kommunikation übernimmt.
Eine Mehrachsen-Motorsteuerung erfordert einen PWM-Timer, der einen komplementären dreiphasigen Ausgang unterstützt, einen Delta-Sigma-Demodulator zur Messung des durch den Motor fließenden Stroms und eine Encoder-Schnittstelle zur Erfassung der Positionsinformationen. All diese Komponenten müssen für die jeweils vorhandenen Achsen verfügbar sein. Darüber hinaus müssen beim PWM-Timer die Achsen synchron betrieben werden. Bei Encodern kommen je nach Hersteller unterschiedliche Protokolle zum Einsatz, beispielsweise A-format, EnDat oder BiSS. Um die benötigten Funktionen für die Anzahl der Achsen sowie die Synchronisation zwischen den PWM-Timern und den Multiprotokoll-Encodern zu realisieren, kommen in dieser Anwendung häufig auch FPGAs zum Einsatz.
Der RZ/T2H ist mit den oben aufgeführten PWM-Timern, Delta-Sigma-Modulatoren und Encoder-Schnittstellen ausgestattet – und das für insgesamt neun Achsen. Die PWM-Timer dieser neun Achsen können synchron betrieben werden. Die Encoder-Schnittstelle unterstützt zudem mehrere Protokolle. Durch den Einsatz des RZ/T2H, der sowohl eine hohe Echtzeitverarbeitung als auch eine umfangreiche Peripherie für die Motorsteuerung bietet, lassen sich nun die Anzahl der benötigten Komponenten und die Leiterplattengröße reduzieren. Außerdem entfällt der Aufwand für die Implementierung entsprechender Funktionen in einem FPGA, wodurch sich auch die Entwicklungszeit deutlich verringert.
Steuerungen für Industrieroboter müssen sowohl mehrere Achsen regeln als auch eine hoch performante Anwendungsverarbeitung übernehmen. Außer der Berechnung der Bewegungsbahnen für die präzise und gleichmäßige Bewegung des Roboterarms und der Ermittlung von Sollwerten zur Achssteuerung auf Basis dieser Trajektorie sind leistungsstarke CPUs und DDR-Speicherunterstützung erforderlich, um gebräuchliche Anwendungssoftware unter Linux auszuführen. Beispielsweise stellt ROS (Robot Operating System) Middleware für die Robotersteuerung bereit, während ORiN eine Anbindung an Komponenten verschiedener Hersteller und Versionen ermöglicht.
Der RZ/T2H ist mit einem Quad-Core-Cortex-A55-Prozessor mit 1,2 GHz Taktfrequenz für die Anwendungsverarbeitung ausgestattet. Jeder Kern verfügt über einen 32 KB großen L1-Instruction-Cache und einen 32 KB großen L1-Data-Cache. Zusätzlich ist ein gemeinsamer L3-Cache mit 1024 KB implementiert. Zur Anbindung des Hauptspeichers sind eine LPDDR4-3200-Schnittstelle (32 Bit) und SD/eMMC für persistenten Massenspeicher vorhanden. Damit lassen sich Linux-Anwendungen auf dem RZ/T2H ausführen. Darüber hinaus ist es möglich, eine Kombination aus Linux, RTOS und Bare-Metal-Anwendungen auf den vier Kernen auszuführen. Dazu wird auch Cache-Partitionierung unterstützt. Damit können bestimmten Kernen dedizierte Bereiche des gemeinsamen L3-Cache zugewiesen werden.
Die folgende Grafik zeigt die UNIXBENCH-Ergebnisse unter Linux, ausgeführt auf einem RZ/T2H und einem Mikroprozessor eines anderen Herstellers mit vier Applikations-CPUs. Die Ergebnisse veranschaulichen, dass der RZ/T2H je nach Anwendungsfall um 35 bis 75 Prozent bessere Werte erzielen kann. Mit dem Einsatz des RZ/T2H lässt sich der Aktualisierungszyklus der Sollwerte für die einzelnen Achsmotoren beschleunigen, und es können komplexere Algorithmen zur Trajektorien-Planung verarbeitet werden. Dadurch ist eine präzisere Roboterbewegung realisierbar.
In Fabriken, in denen Industrieroboter eingesetzt werden, sind Komponenten verschiedener Hersteller über ein Netzwerk miteinander verbunden. Dabei kommen industrielle Ethernet-Protokolle wie EtherCAT, PROFINET und EtherNet/IP zum Einsatz, die auf Echtzeitkommunikation ausgelegt sind und eine höhere Synchronisations- genauigkeit zwischen den Komponenten ermöglichen. Diese Synchronisationsgenauigkeit hat erheblichen Einfluss auf die Produktionseffizienz. Sie ist sowohl für gleichzeitige Bewegungen mehrerer Roboter als auch zur Reduzierung von Wartezeiten entscheidend. In herkömmlichen Industrierobotern wurden zur Unterstützung dieser verschiedenen Industrial-Ethernet-Protokolle spezialisierte ASSPs (Application-Specific Standard Products) verwendet. Neben dem industriellen Ethernet besteht zusätzlich die Notwendigkeit für eine davon unabhängige Ethernet-Kommunikation, um zum Beispiel mit PCs und Managementsystemen für die Zustandsüberwachung und Software-Updates zu kommunizieren oder externe HMI-Geräte anzubinden.
Der RZ/T2H ist mit vier externen Ethernet-Ports ausgestattet, drei Gigabit-Ethernet-MACs (GMACs), einem Gigabit-Ethernet-Switch (ETHSW) und einem EtherCAT-Slave-Controller (ESC). Der Baustein unterstützt gängige industrielle Ethernet-Kommunikationsprotokolle wie EtherCAT, PROFINET RT/IRT, EtherNet/IP und OPC UA sowie den TSN-Standard (Time-Sensitive Networking) als nächste Generation. Durch die flexible Zuweisung von GMAC, ETHSW und ESC zu den vier externen Ethernet-Ports sind vielfältige Ethernet-Konfigurationen möglich. So können beispielsweise zwei Ports für Industrial Ethernet und die verbleibenden zwei Ports für allgemeine Ethernet-Kommunikation dienen. Falls kein industrielles Ethernet gebraucht wird, lassen sich bis zu drei Ports für Standard-Ethernet verwenden. Dies ermöglicht eine besonders flexible Implementierung von Netzwerkfunktionen.
Darüber hinaus sind die Netzwerksynchronisationssignale des ETHSW, abgeleitet von der TDMA-Einheit (Time Division Multiple Access), und die Distributed-Clock-Funktion (DC) des ESC mit dem Event Link Controller (ELC) des RZ/T2H verbunden. Dadurch können Peripheriefunktionen mit geringer Latenz gesteuert und Abläufe mit anderen im Netzwerk verbundenen Bauteilen synchronisiert werden. Dies ermöglicht die hochpräzise Synchronisierung und koordinierte Abläufe mit anderen Netzwerkkomponenten – und trägt so wesentlich zur Steigerung der Produktivität bei.
Mit der in diesem Artikel vorgestellten Methode lassen sich die Leistung von Industrierobotern durch den Einsatz des RZ/T2H verbessern und zugleich die Anzahl der benötigten Komponenten sowie die Entwicklungszeit deutlich reduzieren. Dadurch können Nutzer des RZ/T2H nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrieroboter steigern, sondern auch ihre Markteinführungszeit (Time to Market) verkürzen.
Renesas bietet eine Lösung, mit der Entwickler die neunachsige Motorsteuerung mit dem RZ/T2H realisieren können. Die Beispielprogramme dafür stehen auf der Renesas-Website zum Download bereit. Das RZ/T2H-Evaluierungsboard und das Inverter-Board, mit dem sich neun Motorachsen ansteuern lassen, sind über den Renesas-Online-Shop erhältlich.