Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Entwicklung der neuen IGBT4-Generation war das Schaltverhalten. Da die IGBT3-Version bereits ein Schaltverhalten aufweist, das für nahezu alle Low- und Medium-Power-Anwendungen „soft“ genug ist, galt es bei der IGBT4-Entwicklung eine mindestens vergleichbare Schaltcharakteristik und Softness der entsprechenden IGBT3-Module zu erreichen.
Diese Charakteristik wird u.a. von der Modul- und Aufbau-Streuinduktivität (Ls) beeinflusst. Die Streuinduktivität beeinflusst in Kombination mit dem transienten Stromverlauf den Spannungsverlauf während der Ein- und Abschaltphasen (ΔU = Ls × di/dt).
In der Abschaltphase beispielsweise steigt die Überspannung bei größeren Streuinduktivitäten. Für die Abschaltverluste gilt dies entsprechend. Bei einer Streuinduktivität von Ls = 30 nH beträgt beispielsweise Eoff = 30,8 mJ, während bei Ls = 65 nH die Abschaltverluste auf Eoff = 31,8 mJ ansteigen.
Bild 3 und Bild 4 zeigen die Charakteristik während der Abschaltphasen eines IGBT3 im Vergleich zu einem IGBT4.
Der IGBT4-T4 und der IGBT4-E4 zeigen sich tendenziell „softer“ im Vergleich zu den vergleichbaren IGBT3-Generationen. Innerhalb der einzelnen IGBT-Generationen sind die E-Versionen deutlich softer als die entsprechenden T-Varianten [5]. Daher kann ein E4-IGBT mit einer höheren Zwischenkreisspannung und/oder mit einer höheren Streuinduktivität eingesetzt werden.
Ein weiterer Aspekt ist, dass die „Softness“ während der Abschaltphasen bei größerer Streuinduktivität Ls abnimmt. Daher ist es sehr vorteilhaft, dass der dargestellte IGBT4-E4 ein softes Abschaltverhalten bei der höheren Streuinduktivität von Ls = 65 nH und der hohen Test-Zwischenkreisspannung von Udc = 900 V aufweist. In Bild 5 ist der Einfluss der Streuinduktivität während der Ein- und Abschaltphasen dargestellt.
Das Schaltverhalten der Diode in Abhängigkeit der Streuinduktivität muss bei der Auswahl eines optimalen IGBT für eine bestimmte Anwendung genauso berücksichtigt werden wie die Eigenschaften des IGBT selbst. In unserem Beispiel zeigen sowohl die Schaltverluste als auch die Softness der benutzten „Emitter-Controlled-High-Efficency“-Diode nur eine vernachlässigbare Abhängigkeit von der steigenden Streuinduktivität. Die verwendete Diode basiert auf der Emitter-Controlled-Technologie von Infineon [1, 2].
Bei ungünstigen Anwendungsbedingungen, z.B. bei der Kombination einer hohen Zwischenkreisspannung und einer hohen Streuinduktivität, kann es erforderlich sein, dass die Einschaltgeschwindigkeit des IGBT reduziert werden muss, um ein sanftes Dioden-Kommutierungsverhalten zu gewährleisten. Dafür kann der externe Einschalt-Gate-Widerstandswert erhöht werden. Ein höherer externer Gate-Widerstand resultiert allerdings in höheren Einschaltverlusten, und eine größere Streuinduktivität reduziert die Softness von IGBTs und Dioden.
Kalkulation mit IPOSIM
Für die Abschätzung der Verluste der neuen Bauelemente im Umrichterbetrieb wurde die Verlustberechnung bzw. die Stromausnutzbarkeit mit Hilfe des Tools IPOSIM [4] durchgeführt. IPOSIM benötigt für die Berechnung sowohl die statischen und dynamischen Verluste als auch die thermischen Daten des Leistungshalbleiter- Moduls und die Umgebungstemperatur in der Anwendung.
Der maximal erzielbare Umrichter- Effektivstrom (IRMS) in Abhängigkeit der Betriebstemperatur und der Schaltfrequenz (fsw) ist für einen IGBTSchalter in einem 62-mm-Halbbrücken- Modul in Bild 6 dargestellt. Dabei zeigt sich, dass der Ausgangsstrom um bis zu 17 % gesteigert wird, wenn die höhere Betriebstemperatur Tvjop = 150 °C ausgenutzt wird. Bei Verwendung der heute maximal zulässigen Betriebstemperatur für Leistungshalbleiter von 125 °C zeigen sich vergleichbare Ausgangsströme zur Vorgänger- IGBT-Generation.
Werden gleiche Anwendungsbedingungen für die Berechnung zugrundegelegt, sind die Verluste eines E4- Moduls etwa 3 % geringer als die für ein E3-Modul und in etwa vergleichbar mit denen eines verlustreduzierten T3. Verglichen zum E4-Modul sind die Verluste bei der T4-Version nochmals um 3 % geringer.
Durch die optimierte Bond-Verbindungstechnologie kann bei gleicher Power-Cycling-Lebensdauer der Umrichter- Ausgangsstrom um bis zu 17 % gesteigert werden. Die neue IGBT4- Leistungshalbleiter-Generation wird sowohl in Standard- als auch in neuen Modulgehäusen eingesetzt.