LPWAN, IoT und Lokalisierung

»Hier wird Quectel kräftig wachsen!«

3. Oktober 2023, 7:00 Uhr | Heinz Arnold
Dominikus Hierl, Quectel: »LPWAN zieht jetzt an, desalb bieten wir nun auch LoRa-Chips an, die satellitenbasiertes NB-IoT empfangen können. Im IoT-Markt sehen wir große Wachstumschancen. Dasselbe gilt für die Lokalisation.«
© Componeers GmbH

Was hinter dem starken Wachstum von Quectel über die vergangenen Jahre steckt und warum das Unternehmen das IoT-Geschäft stark ausbauen will, erklärt Dominikus Hierl, Senior Vice President EMEA von Quectel, im Interview.

Diesen Artikel anhören

Markt&Technik: Warum ist es Quectel gelungen, über die letzten Jahre – gerade auch in Europa – so stark zu wachsen?

Dominikus Hierl: Wir konnten über die vergangenen zwei Jahre in Europa um jeweils 80 Prozent pro Jahr zulegen. Weil wir über die letzten Jahre liefern konnten, andere nicht. Und weil wir dafür sorgen, dass die Kunden ein schnelles Time-to-Market erzielen. Dazu bieten wir umfangreiche technische Unterstützung an, wofür wir inzwischen eine gute Reputation im Markt genießen. Außerdem können wir günstige Preise anbieten. Es muss ja einen Grund haben, dass unser Umsatz über die vergangenen zwei Jahre dermaßen in die Höhe gesprungen ist!

Dennoch – es scheint schwieriger zu werden.

Das stimmt, die Messe in Barcelona und die embedded world sind für uns sehr gut verlaufen. Seit dem zweiten Quartal sehen wir uns einigen Herausforderungen gegenüber. Einerseits gibt es für einige wichtige ICs wie Controller immer noch Allokationen, andererseits haben sich die Kunden auch mit vielen Produkten eingedeckt. Das Disti-Geschäft verläuft dementsprechend auch nicht gerade berauschend. Es ist derzeit schwierig festzustellen, wo nach der explosiven Entwicklung über die letzten zwei Jahre der wirkliche Bedarf liegt.

In welchen Sektoren sehen Sie echten Bedarf in den kommenden Jahren?

Im Indusrtrie-4.0- und 5G-Umfeld, das wird maßgeblich zu IoT-Wachstum beitragen. Auch LPWAN wird einen Schub erhalten, überall dort, wo Sensoren zum Einsatz kommen. Gerade auch aus dem Energiesektor, die Stromnetze befinden sich ja noch in der Steinzeit. Das alles wird weiter positive Impulse für unser Geschäft auf viele Jahre hinaus liefern.

Ist LPWAN inzwischen interessant für Quectel geworden?

LPWAN dümpelte über die vergangenen Jahre etwas dahin, weil die Netzbetreiber ziemlich zögerlich waren. Doch die Zahl der Teilnehmer nimmt zu, deshalb haben wir uns dafür entschieden, nun auch LoRa-Chips anzubieten, die auch satellitenbasiertes NB-IoT über Inmarsat und Orbcomm empfangen können. Bei unserem Modul CC200A, das wir kürzlich auf den Markt gebracht haben, handelt es sich um ein klassisches Inmarsat-Datenmodem.

Wie sieht es mit der zellularen LPWAN-Variante aus?

Es gibt auch die Möglichkeit, NB-IoT-Module einzusetzen. Netzbetreiber wie SkyLO bieten dies an. Mit der Kombination aus NB-IoT- und CAT-M-Modulen erhalten die Anwender nun die volle Abdeckung zu geringen Kosten. Das funktioniert ähnlich wie das Notfallmanagement-System von Apple, das ebenfalls für die Übertragung nur weniger Daten ausgelegt ist, also nicht zum Telefonieren.

Geht der Trend auch deshalb zu LPWAN, weil derzeit 2G und 3G zumindest in den entwickelten Ländern vermehrt abgeschaltet werden?

Das wird auch ein Grund sein. Telekom und Vodafone haben schon vor zwei Jahren abgeschaltet, nur Telefonica betreibt noch ein 3G-Netz. Wenn Mobilität und Roaming im Vordergrund stehen, bieten sich CAT-M1 und LTE an.

Liefert Quectel noch Module für 2G und 3G?

Wir liefern weiter auf unbestimmte Zeit, denn in den Schwellenländern bleiben CAT1 plus LTE weiter gefragt. CAT1-Module auf Basis von chinesichen Chipsätzen kosten in der Zwischenzeit weniger als CAT-M1 plus Narrowband-LPWA-Module.

Das bedeutet, dass Quectel, bisher vor allem für das Angebot an Modulen für Mobilfunk in tragbaren Geräten bekannt, nun auch verstärkt in IoT einsteigt?

Wir sind schon jetzt der größte Kunde von Qualcomm im IoT-Bereich und setzen hier unter anderem Snapdragon-basierte Chipsätze ein. Den IoT-Sektor bauen wir weiter aus.

Zusammen mit Qualcomm gehen wir jetzt in Richtung KI und Edge-Computing. So kann der Videostream vor Ort analysiert werden und nur die Daten gehen in die Cloud, die dort auch verarbeitet werden müssen. Das steigert die Reaktionszeit und senkt die Latenzen sowie die Energieaufnahme.

Hinkt Europa auf diesem Gebiet hinterher?

In Europa waren über längere Zeit die AI-Software-Algorithmen nicht verfügbar, aber die gibt es jetzt. Das führt jetzt zu einem spürbaren Schub hierzulande. Unsere Smart Modules auf Basis der Snapdragon-Prozessoren lösen jetzt viele Probleme, gerade auch mit der Lieferkette. Dabei handelt es sich um SoMs einschließlich 5G- und LTE, alles ist hard- und softwareseitig vorintegriert. Diese SoMs, die auf Android oder Linux als Betriebssystem setzen, lösen jetzt viele Probleme, gerade auch die in der Lieferkette: Weil sie hochintegriert sind, ist nur ein einziges Modul erforderlich, um komplexe Geräte aufzubauen. Und weil auch die Software einfach zu beschaffen ist, geben die Smart Modules eine hohe Sicherheit – das wollen viele jetzt als Standard übernehmen.

Wo tun sich weitere Wachstumsmöglichkeiten auf?

Beispielsweise rund um die Lokalisation: mit den Dual-Band-GNSS-Modulen plus der neuen Realtime-Kinematics-Technologie, die zentimetergenaue Lokalisierung bietet. Das wird in vielen Anwendungsbereichen gebraucht, beispielsweise in Smart Agriculture/Smart Farming, in der Robotik, in Drohnen, aber auch in der »Micromobility«: Die Städte verlangen zunehmend, dass die ausleihbaren Elektroroller genau an den vorgesehenen Plätzen abgegeben werden, damit sie das Stadtbild nicht verschandeln. Sind sie mit den Modulen ausgestattet, können sie die Nutzer nur an den erlaubten Stellen zurückgeben. Die Hersteller von Rollern und die Betreiber sind sehr interessiert daran, weil sie Verboten, wie in Barcelona und Paris bereits verhängt, zuvorkommen wollen.

Dieses Beispiel zeigt auch: Straßenschluchten, wie sie in Städten typisch sind, dürfen nicht abschatten, die Lokalisierung muss immer funktionieren. Unsere Module sind dafür ausgelegt.

Quectel bietet also zunehmend hochintegrierte Systeme an?

Ja, das verlangen die Anwender. Deshalb entwickeln wir jetzt auch Antennen und integrieren sie in unsere Systeme. Inzwischen haben wir ein so großes Know-how auf diesem Gebiet aufgebaut, dass wir die Antennen auch an Dritte verkaufen. Wir bieten jetzt unter anderem Antennensysteme für 8x8-MIMO, 4x4-MIMO, GNNS Dual und UWB an. Dazu haben wir eigene Simulations-Tools entwickelt und führen die Verifikationen in unserem Entwicklungsstandort in Belgrad durch.

Ein weiteres Beispiel für hochintegrierte Systeme ist das Modul »FGH100M«, das im Sub-1-GHz-Bereich funkt, weshalb es sich für die Übertragung in Gebäuden und auch draußen eignet. Es ermöglicht die Abdeckung einer Fläche über einen Radius von 1 km, zehnmal mehr als herkömmliches WiFi. Denn es arbeitet auf Basis des neuen Standards IEEE 802.11ah, auch WiFi HaLow genannt. Er ist gerade stark im Kommen. Damit eröffnet sich eine Vielzahl möglicher Einsatzfelder, vom Smart Home und Smart Building über die Automatisierung in der Industrie, Smart Agriculture bis zu Smart Cities und Campus-Vernetzung. In dem neuen Modul ist das WiFi-HaLow-SoC »MM6108« von Morse Micro integriert. Weil sie wenig Leistung aufnehmen, können die FGH100M-Module mit Knopfzelle über Monate und Jahre arbeiten.

Aber das zelluläre Geschäft bleibt weiterhin dominierend.

Das ist richtig, es macht immer noch über 80 Prozent vom Umsatz aus. Quectel hat aber in diesem Bereich bereits einen sehr hohen Markteil, daher ist weiteres starkes Wachstum für uns schwierig. Deshalb bauen wir auch den IT-Sektor innerhalb von IoT aus. Hier bieten wir jetzt neben Connectivity auch Software und Plattforms as a Service an (SaaS und PaaS). Wir übernehmen Teile der Software und der Produktion – wie ein OEM, der auf IoT-Produkte spezialisiert ist.

Der über die Mobilfunk-Produkte generierte Umsatz wird also anteilig zurückgehen?

Wir müssen die anderen Märkte ausbauen. Da bietet sich IoT an, ein sehr spannender Markt, dem sich ständig neue Anwendungsfälle eröffnen, über alle Sektoren hinweg – von Automotive bis zu den Zählern. Über die letzten zwei bis drei Jahre hat das nach einem kleinen Rückgang – entsprechend der berühmten Hockey-Stick-Kurve – kräftig angezogen. IoT durchdringt jetzt alles.

Allerdings sehen die Innovationszyklen, die in vielen IoT-Anwendungen im industriellen Umfeld herrschen, ganz anders aus als in den Konsumgütermärkten für die Kommunikation, die Quectel traditionell kennt. Wie kommt Quectel mit den unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen zurecht?

Über unsere Module entkoppeln wir die schnelleren Entwicklungs-Zyklen der Kommunikations-Chips der Consumer-Märkte von denen der industriellen Anwendungen. Ein Chips-Down auf das Board des OEM hat erhebliche Auswirkungen auf die Komplexität und Kosten der Leiterplatte und kommt aktuell sehr selten vor.
Aktuell bieten wir bereits 5G-Module für Anwendungen sowohl in öffentlichen Netzen als auch in privaten Netzen an.

Würde sich die Integration über Systems in Package anbieten?

SiPs sind zu teuer, das wird sich so schnell auch nicht ändern. Auf der anderen Seite ist 5G eben sehr umfangreich und die Module bleiben groß. Im LPWAN-Bereich könnte das über die kommenden Jahre vielleicht anders aussehen, da könnte es eher sinnvoll werden, auch SiPs anzubieten.

Wo produziert Quectel derzeit?

Wir betreiben zwei Werke in China, gerade ist dort ein weiteres neues Werk hinzugekommen. Einen weiteren Produktionsstandort haben wir in Malaysia, und in Mexiko und Indien bauen wir neue Fertigungen mit lokalen Partnern auf. Denn wir haben ja auch in Amerika große OEM-Kunden wie beispielsweise Tesla Motors.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu elektroniknet

Weitere Artikel zu Kommunikation (Funkmodule, etc.)