Jetzt ist es offiziell: Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) war im Jahr 2020nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) um 5,0 Prozent niedriger als im Vorjahr. Darüber hinaus rutscht der Staatshaushalt tief ins Minus.
Die deutsche Wirtschaft ist somit nach einer zehnjährigen Wachstumsphase im Corona-Krisenjahr 2020 in eine tiefe Rezession geraten, ähnlich wie zuletzt während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009.Der konjunkturelle Einbruch fiel aber im letzten Jahr den vorläufigen Berechnungen zufolge insgesamt weniger stark aus als 2009 mit -5,7 Prozent.
Erstmals seit 2011 verzeichnete Deutschland im Gesamtjahr auch wieder ein Haushaltsdefizit. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen gaben nach Angaben der Wiesbadener Behörde im vergangenen Jahr 158,2 Mrd. Euro mehr aus als sie einnahmen. Das war das zweithöchste Defizit seit der deutschen Wiedervereinigung, nur übertroffen vom Rekordminus des Jahres 1995. Damals wurden die Schulden der Treuhand in den Staatshaushalt übernommen.
Der Bund hatte mit 98,3 Mrd. Euro den größten Anteil am Finanzierungsdefizit, gefolgt von den Ländern mit 26,1 Mrd. Euro, den Sozialversicherungen mit 31,8 Mrd. Euro und den Gemeinden mit 2,0 Mrd. Euro. Gemessen am nominalen BIP errechnet sich für den Staat im Jahr 2020 eine Defizitquote von 4,8 Prozent, so dass Deutschland im letzten Jahr ebenfalls deutlich über dem europäischen Referenzwert des Stabilitäts- und Wachstumspakts von 3 Prozent lag. Allerdings wurde die Anwendung beider Zielgrößen aufgrund der Corona-Pandemie für die Jahre 2020 und 2021 ausgesetzt.
Die Einnahmen des Staates sanken in der Corona-Krise. Das Steueraufkommen verringerte sich deutlich um 8,0 Prozent, auch weil die Mehrwertsteuer vom 1. Juli an für ein halbes Jahr gesenkt wurde, um den privaten Konsum anzukurbeln. Zugleich stiegen die staatlichen Ausgaben unter anderem durch milliardenschwere Hilfspakete.
Im März und April 2020 hatten infolge der Pandemie Teile der deutschen Wirtschaft faktisch stillgestanden. Ähnlich verhielt es sich in vielen anderen großen Volkswirtschaften, Grenzen wurden zeitweise geschlossen, Lieferketten rissen. Zwar setzte im Sommer eine Erholung ein, doch im Herbst gab es angesichts wieder steigender Infektionszahlen neue Beschränkungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Die Grenzen blieben allerdings offen.
Im Gesamtjahr sanken die Exporte (minus 9,9 Prozent) und die Importe von Waren und Dienstleistungen (minus 8,6 Prozent) preisbereinigt. Die privaten Konsumausgaben schrumpften um 6,0 Prozent und damit so stark wie noch nie. Die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen waren ebenfalls rückläufig. Lediglich die staatlichen Konsumausgaben und der Bau nahmen gegenüber dem Vorjahr zu und verhinderten damit einen noch stärkeren Konjunktur-Einbruch.
Etliche Volkswirte sagen Europas größter Volkswirtschaft in diesem Jahr ein starkes Comeback voraus - trotz des zunächst bis Ende Januar verlängerten Lockdowns. Der Aufschwung im Verarbeitenden Gewerbe sei noch immer intakt und außenwirtschaftlich gebe es durch die Nachfrage aus China und den USA Wachstumsimpulse, argumentierte beispielsweise jüngst der Chef des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Lars Feld.
Mit einer Rückkehr der deutschen Wirtschaft zum Niveau von vor der Corona-Krise rechnen die meisten Volkswirte derzeit aber frühestens um die Jahreswende 2021/2022 - vorausgesetzt, dass bis dahin so viele Menschen gegen das Coronavirus geimpft sind, dass sich das Wirtschaftsleben wieder normalisiert.