Aufgrund der rauen Umgebungsbedingungen und der immer höheren Komponentendichte steht die Elektronik im Schienenverkehr vor großen Herausforderungen. Viele davon betreffen das thermische Design. Hier sind optimale thermische Konzepte seitens der Entwicklung gefordert.
Eine der größten thermischen Herausforderungen an das Design von Embedded-Systemen ist das Entwärmen der einzelnen Baugruppen. Bei der Installation der Systeme im Bahnbereich liegt der erweiterte Betriebstemperaturbereich bei bis zu 70 °C innerhalb des 19-Zoll-Schranks, was zu einer Umgebungstemperatur von 85 °C innerhalb des einzelnen 19-Zoll-Racks, also der einzelnen Baugruppen, führt. Beispielsweise ist das der Fall, wenn der Zuginnenraum aufgrund direkter Sonneneinstrahlung aufgeheizt wurde, jedoch noch keine Klimaanlage aktiv, das 19-Zoll-System aber bereits in Betrieb ist.
Zusätzlich erfordert der Einsatz von Hochleistungsrechnern in rauen Umgebungen eine robuste Beschaffenheit der Baugruppen, da die Systeme in der Lage sein müssen, Stößen, Vibrationen, Staub und Feuchtigkeit standzuhalten. Um die Funktionssicherheit des Systems gemäß der Bahnnorm EN 50155 zu gewährleisten, werden für raue, unternehmenskritische Applikationen zuverlässige und langlebige Komponenten in Kombination mit einer Schutzbeschichtung (Conformal Coating) der Baugruppen verwendet.
Für Hochleistungsrechner in Zügen kommen oft mehrere 19-Zoll-Schränke zum Einsatz, deren Wartung eine weitere Herausforderung beim Entwärmen darstellt. Wird ein 19-Zoll-Schrank von einem Luftstrom durchströmt, reduzieren die vielen unabhängigen 19-Zoll-Systeme diesen, sodass er nicht jedes System ausreichend erreichen und kühlen kann. Aus diesem Grund ist es in zunehmendem Maße erforderlich, dass ein 19-Zoll-System über eigene Lüfter verfügt. Weil Lüfter jedoch eine begrenzte Lebensdauer haben, müssen sie einfach und schnell austauschbar sein – und in leicht austauschbare Lüfterkassetten integriert sein.
Um zu verhindern, dass Lüfter Staub in das System blasen, ist es nötig, Luftfilter zu verwenden. Die Luftfilter reduzieren jedoch den Luftstrom des Lüfters erheblich, was die Kühlleistung verringert – das ist bereits beim Entwickeln des Systems zu berücksichtigen. Je länger ein Luftfilter in Betrieb ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er sich mit Staub zusetzt, was zu einem noch stärkeren Reduzieren des Luftstroms führt. Daher ist es wichtig, die Luftfilter in regelmäßigen Abständen auszutauschen oder zu reinigen. So lässt sich die erforderliche Kühlleistung des Systems aufrechterhalten.
Zudem ist es schwer, immer mehr Komponenten wie Steckverbinder, größere und leistungsfähigere CPUs, mehr DDR-Speicher, Netzteile, 5G-Modems und externe Anschlüsse auf dem begrenzten Raum des Embedded-Systems unterzubringen. Infolgedessen ist mehr Wärme aus dem Inneren des Systems abzuführen, was sehr herausfordernd ist. Das gilt vor allem für CPUs, deren Größe und Verlustleistung zunimmt, während die Größe des Siliziumchips relativ klein ist. Daher ist es nötig, die Verlustleistung des Chips nahe an der Quelle zu verteilen. Um die Wärme aus dem System abzuführen, sind Kühlkörper integriert, die die Wärme durch Konvektion über die Oberfläche oder mit Konduktionskühlung ableiten.
Für die Rechenleistung und den Anwendungsbereich eines jeden Embedded-Elektronik-Designs gibt es harte Begrenzungsfaktoren wie die maximal zulässige Verlustleistung. Neue CPU-Serien, wie Intels Xeon-W-11000E-Serie (Tiger Lake-H, TGL-H) sowie die 11. Generation der Core-Prozessoren haben eine Thermal-Design-Power (TDP) von 25 bis 45 W. Die kritische TDP-Grenze ist erreicht, wenn ihr volles Potenzial auf einer Compact-PCI-Serial-Karte ausgeschöpft werden soll (Bild 1).
Um das Rechnersystem thermisch und mechanisch minimal zu belasten, ist eine zuverlässige thermische Anbindung der heißen Bauteile an den Kühlkörper unerlässlich. Reicht sie nicht aus, reduziert sich die maximal mögliche Betriebstemperatur des Gesamtsystems. Herausfordernd hierbei ist, dass die Anbindung der CPU nicht starr sein darf, da zu viel Druck auf die CPU zu Schäden am Silizium-Die führen kann.
Darüber hinaus kann die Leiterplatte, die aus FR4 und Kupfer besteht, im Laufe der Zeit aufgrund von Druck- und Temperaturänderungen kriechen. Hierdurch können sich die Drehmomente von Schraubverbindungen lockern. Um ein Austrocknen des thermischen Interface-Materials (TIM) über eine Lebensdauer von mindestens 20 Jahren zu verhindern, ist das Verwenden von entsprechend hochwertigen Materialien unerlässlich.
Um einen konstanten Druck auf die CPU zu erhalten, hat duagon einen Federmechanismus implementiert, der bei Projekten im Bahnmarkt, in der Medizin- und kritischen Automatisierungstechnik zum Einsatz kommt. Je nach Anforderung und Umgebungsbedingungen können Entwickler die CompactPCI-Serial-Karte in verschiedenen Bereichen einsetzen. Der Mechanismus benötigt lediglich minimalen Platz auf der Platine selbst. Mit der Wahl der richtigen Federkraft wird die Leiterplatte (PCB) im Bereich der CPU mit einem konstanten Druck an den Kühlkörper gedrückt.
Darüber hinaus ist es wichtig, dass die TIMs eine gute Wärmeleitfähigkeit haben, beim Fertigen einfach zu handhaben sind und dass man den Druck auf die Lötstellen von Bauteilen geringhält. Zudem ist es wichtig, dass die TIMs die Flamm-Klassifikation UL94 V-0 besitzen und dass es zu keiner chemischen Reaktion mit der Schutzbeschichtung des PCB kommt.
Eine weitere Möglichkeit zum Entwärmen von Embedded-Systemen in Bahnapplikationen ist das Verwenden eines konduktionsgekühlten Gehäuses. Aufgrund der Maße, des Gewichts, der Kosten und des Einbauraums setzte duagon es bisher lediglich selten im Bahnbereich ein. Die Konstruktion ist nach dem Standard der Association of American Railroads (AAR) genormt. Während Züge in Europa oftmals mit 19-Zoll-Schränken ausgestattet sind, sind für AAR-Gehäuse spezielle Schränke nötig. Bei konduktionsgekühlten Systemen dient ein Gesamtgehäuse als Kühlkörper mit großer Oberfläche. Aufgrund der großen Oberfläche der Kühlfläche lässt sich ein solches System mit freier Konvektion betreiben.
Entsprechende Systeme haben beispielsweise vier Modular-Concept-Units (MCU) mit maximal 60 W bei 55 °C Umgebungstemperatur oder sogar neun MCUs mit maximal 120 W bei 55 °C Umgebungstemperatur, ohne dass ein forcierter Luftstrom erforderlich ist (Bild 2).
Da sich die Bauteiloberfläche der Karten nicht direkt mit der Gehäusewand verbinden lässt, ist die Wärme an die Kontaktfläche zwischen der Steckkarte und dem Gehäuse zu führen. Gleichzeitig muss die Kontaktfläche thermisch optimiert und maximiert werden. Hierbei baut duagon die Baugruppen in eine Mechanik aus Aluminium ein, um die Wärme zu spreizen und dann über Führungskanäle an das Gesamtgehäuse zu verteilen.
Die Führungskanäle sind aus massivem Aluminium als Teil der Außenwand des Gehäuses gefertigt, sodass sich die Wärme direkt von hier nach außen ableiten lässt. Die Karten selbst werden mit sogenannten WedgeLocks in den Nuten der Kartenführung verkeilt – deren Fixieren gewährleistet eine mechanisch sehr robuste und thermisch wirksame Kopplung an das Gehäuse.
Die Technik gewährleistet, dass die Wärme mit optimalem thermischem Kontakt von der Quelle an die Außenwand des Gehäuses abgeleitet wird. So wird das Gehäuse selbst zum Kühlkörper. Hierbei gelten die gleichen Regeln wie oben beschrieben: Der thermische Übergangswiderstand vom zu kühlenden elektronischen Bauteil zur Gehäusewand ist mit geeigneten Maßnahmen zu minimieren. Zum einen lässt sich das mit der richtigen Wahl der Materialien gewährleisten – am besten geeignet sind Aluminium und Kupfer. Zum anderen sind die Bauteile richtig im Gehäuse zu positionieren und die wärmetransportierenden Kühlblöcke müssen entsprechende Massen aufweisen, um einen optimalen Wärmetransport zu gewährleisten. Der offensichtliche Vorteil ist, dass im Vergleich zu aktiv gekühlten Systemen keine Wartung erforderlich ist.
Da der Platz in Zügen begrenzt ist, es jedoch immer neue technische Anforderungen gibt wie etwa allgemein verfügbares WiFi im Zug, Sitzplatzanzeigen in Echtzeit oder Videoüberwachung, sind neue Systeme mit einer immer größeren Rechenleistung nötig. Somit ist eine höhere Komponentendichte beziehungsweise sind mehr Module nötig, was zu einer deutlich höheren Verlustleistung führt. Trotzdem muss ein zuverlässiger Betrieb bei erweiterten Umgebungstemperaturen gewährleistet sein. Aus diesem Grund bleibt das Entwärmen von Embedded-Systemen auch in Zukunft ein wichtiger und fester Bestandteil beim Entwickeln.