Stefanie Kölbl ist Bereichsleiterin TQ-Embedded bei der TQ-Group. Wie viele Unternehmen muss auch TQ den Spagat meistern, überfällige Aufträge abzuarbeiten und dennoch neue Innovationen hervorzubringen. Im Interview mit Markt&Technik schildert Kölbl, wie das bei TQ gelingt.
Markt&Technik: TQ-Embedded hat sich fest im weltweiten Embedded-Markt etabliert. Im TQ-Konzern müssen Sie sich aber gegen andere starke Sparten wie Robotik behaupten. Wie schaffen Sie eine so gute Performance mit einem relativ kleinen Team?
Stefanie Kölbl: Es ist weniger ein internes Behauptenmüssen als ein Profitieren von der TQ-Vielfalt. Gerade mit Robotik bieten sich spannende Ansatzpunkte; beispielsweise lassen sich unsere Box-PCs zum Datentransfer verwenden. Außerdem arbeiten wir mit unseren anderen Bereichen zusammen und platzieren dort unsere Eigenprodukte. So entwickeln wir uns kontinuierlich weiter und stellen uns breit auf, um neue Märkte zu erschließen.
Hinzu kommt, dass die Effizienz in unserem Geschäftsbereich sehr hoch ist, da wir viele langjährige TQ-Mitarbeitende im Team haben; 15 bis 20 Jahre Betriebszugehörigkeit sind bei uns nicht selten. Hiermit lassen sich Prozesse zeit- und ergebnisoptimal anwenden. Unser Team ist trotzdem kontinuierlich im Ausbau, sodass wir das geplante Wachstum für die kommenden Jahre stemmen können.
Das Thema der Nachhaltigkeit ist derzeit in aller Munde. Welchen Beitrag leistet TQ-Embedded hierzu? Können Sie konkrete Maßnahmen nennen?
TQ setzt auf viele unterschiedliche Maßnahmen. Zum einen verwenden wir an allen Standorten Photovoltaik-Anlagen, um unsere Energie selbst zu erzeugen und hiermit unsere Fertigungsprozesse und Admin-Bereiche mit regenerativer Energie zu versorgen.
Zum anderen richten wir unsere Designs auf Nachhaltigkeit aus. Hierbei berücksichtigen wir unter anderem die Leistungsaufnahme und die Reparierbarkeit. Besonders wichtig ist uns zudem, von Beginn an ein aktives Obsolescence-Management zu betreiben, um eine möglichst lange Lebensdauer – entsprechend den Industrieanforderungen von über 15 Jahren – zu erreichen. Hierdurch reduzieren wir Elektroschrott – zudem sparen sich unsere Kunden zusätzliche kostenintensive Rezertifizierungs-Aufwände.
Immer mehr Applikationen werden mit Funktionen der künstlichen Intelligenz (KI) ausgestattet. Wie weit ist TQ-Embedded hier?
Inzwischen sind wir in der Umsetzungsphase und können die ersten KI-Projekte für unsere Kunden realisieren. Hierfür bieten die meisten Prozessoren unserer Partner spannende Möglichkeiten, die wir gemeinsam mit unserer Software-Abteilung nutzbar machen. KI ist inzwischen für viele Unternehmen greifbarer geworden, und bereits kleine Ansätze bringen eine große Wirkung mit sich. So gibt es gerade im Bereich der Predictive Maintenance sowie dem Planen und Durchführen von Produktionsabläufen viele Integrationsmöglichkeiten – mit deutlichem Einspar- und Optimierungspotenzial.
Energieeffizienz geht mit Nachhaltigkeit Hand in Hand. Sie haben sich auf Arm-Prozessoren spezialisiert, die sehr sparsam arbeiten. Kommt Ihnen diese Ausrichtung nun zugute?
Energieeffizienz ist bei allen Architekturen zu finden, natürlich sehr abhängig von der benötigten Performance und dem Zusammenspiel mit der Software. Bei jedem unserer Designs ist die Energieeffizienz eines der Fokusthemen, wobei dieser Aspekt seit Beginn der Energiekrise zusätzlichen Aufschwung erfahren hat. Hierdurch können wir unseren Green Footprint und den unserer Kunden deutlich ausbauen. Unser Ziel ist ein kontinuierliches Optimieren – nicht nur zu Zeiten von Energiemangel.
Mit einer typischen Verlustleistung von etwa 1 bis 2 W bei unseren Arm-Modulen erreichen wir eine sehr geringe Leistungsaufnahme. Jedoch lassen sich auch mit x86-Modulen energieeffiziente Applikationen realisieren; die Performance der Module ist dabei natürlich eine andere als mit Arm-Modulen.
Wie erreichen Sie die hohen Security-Standards für Ihre Embedded-Module?
Eine sichere Datenverarbeitung bei elektronischen Geräten wurde in den letzten Jahren immer wichtiger. Gerade in einer Welt des IoT, von KI oder Machine-Learning (ML), bilden Daten einen großen Mehrwert. Insbesondere bei smarten Elektronikgeräten sind diese Daten besonders schützenswert. Viele Prozessoren besitzen inzwischen integrierte Sicherheitsfunktionen, die wir beispielsweise bei unseren Modulen »TQMa62xx« – mit »AM62xx«-Prozessor von Texas Instruments – oder »TQMa93xx(LA)« – mit »i.MX93xx« von NXP Semiconductors – nutzen. Wichtig hierbei ist das Verschlüsseln der Applikationssoftware, vorrangig mit asymmetrischem Verschlüsseln, sodass Bootloader und Software signiert sind.
Reichen die integrierten Sicherheitsfunktionen in den CPUs nicht aus, designen wir zusätzliche externe Security Chips ein, sogenannte Trusted-Platform-Modules (TPM). Zwingend erforderlich für ein durchgängiges Security-Konzept ist zudem das Berücksichtigen aller Produktphasen, von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Betrieb.
Viele Embedded-Hersteller setzen mehr und mehr auf kundenspezifische Produkte, immer mehr Kunden wollen alles aus einer Hand. Können Sie hier mit großen Embedded-Unternehmen mithalten?
Wir stehen hier den »großen« Anbietern in nichts nach, da bei uns die kundenspezifischen Modulanpassungen im Mittelpunkt stehen. Wir wollen unseren Kunden das optimale Paket liefern, und das geht weit über Embedded-Technologie hinaus. Von der Entwicklung über die Fertigung, das Testing, die Montage, Qualifizierung und Zertifizierung bis hin zu den After-Sales-Services unterstützen wir alle Phasen des Produktlebenszyklus und bieten die passenden Produkte und Services an. Unsere Kunden profitieren in dem Sinne, dass alle Themen über einen Ansprechpartner geregelt werden und keine Logistikkosten und Verzögerungen entstehen.
Der TQ-Konzern steht für »Made in Germany« und fährt damit sehr gut. Welche Strategie verfolgt TQ in den nächsten drei Jahren?
In den kommenden Jahren werden wir unsere Kapazitäten weiter ausbauen, um die Nachfrage decken zu können. Der Bedarf an Elektronik nimmt kontinuierlich zu, und durch die Krisen der vergangenen Jahre geht der Trend an vielen Stellen von der Globalisierung hin zur Lokalisierung. Somit ist die Nähe zum Partner wieder viel wichtiger geworden, und wir freuen uns sehr über die enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Lieferanten.
Für die Zukunft wird unser Anteil an Eigenprodukten weiter wachsen, damit Entwickler für ihre individuellen Applikationen auf unser Baukastenprinzip zugreifen können. Mit Modulkonzepten ermöglichen wir den Zugriff auf Standardkomponenten. Hiermit einher geht eine reduzierte Time-to-Market, zudem lassen sich Entwicklungskosten sparen.
Welche Trends sehen Sie am Embedded-Markt für das Jahr 2023 und darüber hinaus?
Für die nächsten Jahre erwarten wir, dass die aktuellen Megatrends wie IoT, ML und KI vermehrt zum Einsatz kommen und Unternehmen sie nicht nur als Mysterium betrachten. Die Ansätze werden greifbarer, sie sind immer einfacher einsetzbar und bauen hierdurch ebenfalls die Hemmschwellen ab. Immer mehr Kunden fragen hierfür komplette Bundles an, die sich einfach integrieren und implementieren lassen. Dementsprechend ist der Software-Support neben einer lauffähigen Hardware ein zentraler Faktor. Weiterhin verfolgen wir das Weiterentwickeln von Komponenten für das Verarbeiten von Daten.
Der Fachkräftemangel erstreckt sich inzwischen über alle Branchen und Bereiche. Ist es für TQ ebenfalls schwer, Fachkräfte und Ingenieure zu akquirieren?
Wie in allen Branchen und Unternehmen ist auch bei TQ die erforderliche Zeit für das Suchen und Besetzen von Stellen gestiegen, wobei diese zwischen den unterschiedlichen Positionen stark variieren. In Summe sehen wir aber weiterhin den »War for Talents« am Arbeitsmarkt, weshalb neue Wege gefordert sind. Hierzu trägt auch die Automatisierung von Standardtätigkeiten bei, die es ermöglicht, die vorhandenen Mitarbeiter optimal einzusetzen. Uns ist es zudem sehr wichtig, Kollegen langfristig im Unternehmen zu halten. Deshalb setzen wir auch weiterhin auf interne Aus- und Weiterbildung, um unsere Fachkräfte selbst zu entwickeln und für neue Verantwortlichkeiten zu motivieren.
Für welche Bereiche bzw. Märkte entwickelt TQ-Embedded die meisten Produkte und worin liegt in Ihren Augen das größte Wachstumspotenzial?
Regenerative Energie bleibt nach wie vor eines der Fokusthemen, für das wir viele kreative Ideen mit Modul-Unterstützung entwickeln. Aber auch die Automatisierung, gerade aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation, treiben wir weiterhin voran. Seit Beginn der Covid-Pandemie hat sich in den Produktionsstätten vieles getan, um den manuellen Arbeitsaufwand so gering wie möglich zu halten und die Produktivität zu steigern. Die vorhandenen Kapazitäten erfordern eine optimale Planung und Auslastung, um die steigenden Bedarfe trotz der Herausforderungen bewältigen zu können – deshalb kommen hier vermehrt KI- und ML-Ansätze zum Einsatz. Diese Produkte und deren Weiterentwicklung bilden weiterhin die größten Wachstumsmärkte.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Kölbl.