Im Jahr 2020 startete Infineon mit der Entwicklung supraleitender QPUs. Denn die Erfahrungen, die Infineon auf dem Gebiet der GMR/TMR-Technik in der Fab in Regensburg gesammelt hat, lässt sich auf Josephson-Kontakte übertragen. »Wir können sehr gut Tunnelbarrieren über die Metallisierung aufbauen«, erklärt Luber. Dabei beschränkt sich Infineon nicht auf die QPUs selbst, sondern beschäftigt sich auch mit den unmittelbar anschließenden Schaltungen, etwa den Travelling-Wave-Parametric-Amplifiern (TWPAs), die die winzigen Signale aus der QPU so verstärken, dass die Quanteneffekte erst nutzbar werden. Ebenfalls ein interessanter Effekt: Ein Quantencomputer benötigt sehr viel mehr Verstärker als QPUs. Hier lohnt sich also besonders, in die industrielle Fertigung einzusteigen. Auch darin hat Infineon Erfahrung: Bauelemente für den Einsatz im Weltraum, die Infineon in einer speziell darauf ausgerichteten Abteilung entwickelt, werden nicht gerade in hohen Stückzahlen hergestellt, aber durchaus im industriellen Maßstab, allein schon, um die dort geforderte Qualität und Zuverlässigkeit erreichen zu können.
Das gilt auch für die QPUs und die elektronische Kontrolllogik für Quanten- computer. Diese Kontrolllogik will Infineon ebenfalls in supraleitender Technik aufbauen – »wir probieren es zumindest aus«, so Luber. Bestimmte Typen von supraleitenden Logik-Schaltungen produzierten nämlich praktisch keine Wärme, im Gegensatz zu CMOS-Schaltungen: »Das könnte dazu beitragen, einfache Kontrollschaltungen aufzubauen.«
Auch das Problem, dass derzeit noch sehr viele separate Leitungen erforderlich sind, um die Qubits zu kontrollieren und zu steuern, geht Infineon an. Die Signale können beispielsweise in ihrer Frequenz verschoben werden, sodass sich mehrere über eine einzige Leitung übertragen lassen, um die Qubits anzusprechen. Die Signale können auch über einen Multiplexer an die Qubits verteilt werden. Allerdings muss dabei immer darauf geachtet werden, dass sich die Performance der Qubits dadurch nicht reduziert. Es sind also noch zahlreiche knifflige Probleme zu lösen.
Was für Sebastian Luber aber das Allerwichtigste ist: »Die Quantentechnik ist jetzt ein Ingenieurthema geworden, wir sind dem Labormaßstab längst entwachsen und gehen in die industrielle Fertigung. Und genau hier können wir den Unterschied machen und unseren Platz im Ökosystem finden.« Erste Testchips funktionieren bereits, jetzt geht es in die Optimierung und in Richtung komplexerer Schaltungen.
Außerdem arbeitet Infineon – ebenfalls seit 2020 – an den halbleiterbasierten QPUs. Das Kompetenzzentrum für diese Technik befindet sich in Dresden, Kooperationen bestehen unter anderem mit der RWTH Aachen, dem Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik IHP und dem Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS. Im Prinzip lassen sich Elektronen oder Löcher im Halbleiter ähnlich in Fallen einfangen wie Ionen in den Ionen-QPUs. Es bilden sich Potenzialtöpfe im aus Silizium- und Germaniumschichten aufgebauten Halbleiter, in denen die Elektronen gefangen werden. Ihre Spinrichtung repräsentiert die Information, die das Qubit trägt. Oben befinden sich Metallschichten, worüber Spannungen angelegt werden können. Sie bilden die seitliche Begrenzung. Wenn sie richtig eingestellt ist, fällt in einen Quantentopf nur ein einziges Elektron. Dann lassen sich die Quantentöpfe verschieben und die Elektronen aneinander annähern oder »shutteln«, wie der Fachausdruck dafür lautet. Wenn das in der richtigen Weise geschieht, überlagern sich die Elektronen und es kommt zu den gewünschten Wechselwirkungen, den »Rechenoperationen«. Allerdings sind für die Realisierung dieser QPUs wiederum sehr feine Strukturen erforderlich. »Da kommt uns unter anderem die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut sehr entgegen, wo als kritischer Prozessschritt bei der Gatterstrukturierung die Elektronenstrahllithografie zum Einsatz kommt«, sagt Luber.
Der große Vorteil an dem Halbleiteransatz ist, dass die aus der IC-Fertigung bekannten Technologien und Skalierungsstrategien darauf angewendet werden können und dass der Platzbedarf pro Qubit sehr gering ist. Doch dafür gibt es laut Luber auch einige Herausforderungen: »Die von Forschergruppen bisher erreichte Anzahl an Qubits ist noch relativ niedrig. Zudem sind im Festkörper die störenden Einflüsse auf die Elektronen stärker als die Einflüsse, denen zum Beispiel Atome oder Ionen im Vakuum ausgesetzt sind.«
Allerdings arbeitet Infineon bereits emsig daran, Qubit-Verbindungen zu bauen, die auch über gewisse Distanzen funktionieren und so eine höhere Qubit-Zahl ermöglichen. Das funktioniert über zusätzliche Strukturen im Halbleiter. Allerdings müssen sie erst einmal über die unterschiedlichen Prozesse hergestellt werden, und das ist notwendigerweise wieder Prozessvariationen unterworfen. »Die müssen wir in den Griff bekommen«, so Luber. Das sei eben die Aufgabe der Ingenieure.
Unabhängig davon, um welche Plattform es sich handelt, die Quantencomputer sind also noch weit davon entfernt, perfekt zu sein. Es gibt noch viele Probleme zu lösen, aber Luber ist sich sicher, dass sie tatsächlich gelöst werden können, und zwar auf dem Ingenieur-Level, um auf Basis industrieller Prozesse ein Leistungsniveau zu erreichen, das es erlaubt, sie auf bestimmte Problemklassen loszulassen. Gerade solche, bei denen klassische Computer sich schwertun oder sogar zu überhaupt keiner Lösung kommen. Optimistisch stimmt ihn auch, dass hohe Fördersummen im Milliarden-Bereich über die kommenden Jahre in diese Technik fließen werden: »Es wird spannend werden zu sehen, welche Vor- und Nachteile für welche Anwendung sich jeweils schwerer wiegend erweisen werden.«