Wie geht es mit dem Raspberry Pi im Jahr 2023 weiter und welche Herausforderungen muss Farnell derzeit angehen? Simon Wade, Leiter des Raspberry-Pi-Produktsegments bei Farnell, sieht insbesondere nachhaltige Embedded-Systeme im Fokus der Innovationen.
Herr Wade, Farnell war der erste Distributor, der den Raspberry Pi exklusiv vertrieb. Welche Neuigkeiten gibt es im Jahr 2023 bezüglich des beliebten Maker Boards?
Simon Wade: Als exklusiver Distributor von Raspberry Pi können wir leider nicht preisgeben, was uns 2023 als Nächstes erwartet. Derzeit konzentrieren wir uns darauf, die Erholung der globalen Lieferkette in der zweiten Jahreshälfte und die daraus entstehende Nachfrage zu bewältigen. Kommen neue Produkte auf den Markt, sind wir in der Lage, Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht zu halten.
Unser Hauptaugenmerk für 2023 liegt darauf, unsere Kunden und zugelassenen Vertriebspartner mit Bauteilen zu versorgen. Wir gewährleisten, dass sie ihre Bestellungen mit einem sicheren Gefühl aufgeben können, während wir unsere globalen Lagerbestände weiter aufstocken. Sicherzustellen, dass die richtigen Lagermengen wann und wo sie benötigt werden verfügbar sind, ist eine Gratwanderung. Jedoch verfügen wir über die nötige Erfahrung, um die Situation erfolgreich zu meistern.
Wird es 2023 ein neues Pi-Modell geben?
Unsere Vereinbarung mit Raspberry Pi gewährleistet, dass wir die Produkte gleichzeitig auf den Markt bringen. Aus diesem Grund können wir zu aktuellen Entwicklungsplänen für ein neues Modell nichts verraten.
Seit 2021 bietet Raspberry Pi mit der »RP2040« eine eigene MCU an. Wie sieht die Nachfrage danach aus?
Der RP2040-Mikrocontroller ist sehr beliebt und läuft inzwischen in vielen Applikationen, die Nachfrage ist weiterhin sehr stark (Bild 1). Hierdurch ist es möglich, viele neue Boards zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Das fördert wiederum Entwicklungsprozesse für neue Designs in neuen Anwendungsbereichen.
Viele Unternehmen verwenden den Raspberry Pi für neue Produkte, zum Beispiel Kunbus oder Kontron. Besteht in der Industrie ein großer Bedarf und haben Sie Kooperationen dafür?
Die Nachfrage nach dem Raspberry Pi ist nach wie vor sehr hoch und wir arbeiten weiterhin mit vielen Kunden in der Industrie zusammen, welche Raspberry-Pi-Produkte in ihre Designs integrieren. Das Compute-Module-Sortiment weist beispielsweise einen Formfaktor auf, der sich leicht in industrielle Applikationen einbetten lässt. Bei Farnell sind wir als exklusiver Distributor von der Partnerschaft mit Raspberry Pi und der Unterstützung, die sie Entwicklern bietet, überzeugt. Aus diesem Grund ermutigen wir unsere Kunden dazu, sich für Anwendungs- und Compliance-Unterstützung für zahlreiche Applikationen – von der Medizintechnik über die Landwirtschaft und Beschilderungen im Einzelhandel bis hin zur Forschung – mit dem technischen Team von Raspberry Pi in Verbindung zu setzen.
Was gibt es Neues bei Single Board Computern (SBCs) im Allgemeinen?
Bisher ist 2023 ein starker Trend bei neuen SBC-Produkten zu beobachten, die speziell für Applikationen mit künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) beziehungsweise Sehen konzipiert wurden. Beispielsweise hat Nvidia sein »Jetson-Nano«-Sortiment mit den neuen »Orin«-Computermodule erweitert (Bild 2), die viele industrielle SBC-Hersteller in ihr jeweiliges Produktportfolio integrieren – das verstärkt die Nachfrage zusätzlich.
Gibt es einen Aufschwung für SBCs bei KI-Applikationen?
Ja, absolut. Viele neue SBCs verfügen über einen Rechenkern, der sich gut für KI-Applikationen eignet. Die neuen Kerne von Nvidia beispielsweise sind leistungsstark. Jedoch liegt das nicht nur am Chip, sondern ebenfalls am Software-Ökosystem, welches viele der Produkte von Nvidia und Raspberry Pi unterstützt. Unter Umständen kann das leistungsstärkste Board auf dem Markt ohne angemessenen Software-Support schwer einzubinden sein, daher müssen sich beide gut ergänzen, um ihr Potenzial auszureizen.
Diese Kopplung zeigt sich insbesondere in Smart Factories, bei Smart Farming und in anderen »intelligenten« Anwendungsbereichen, in denen der Endverbraucher nachweislich von KI profitiert. Zudem wurde der Neuzugang der BeagleBone-Familie – »BeagleBone AI-64« – speziell entwickelt, um eingebettete künstliche Intelligenz zu beschleunigen. Das Board verfügt über einen digitalen Signalprozessor (DSP) und eine Embedded-Vision-Engine (EVE) mit optimierter »OpenCL-TIDL«-Programmierschnittstelle für maschinelles Lernen, womit Entwickler KI im Alltag implementieren können.
SBCs können heute die Leistung von Cloud- und Server-basierter KI auf Deep-Edge- und Endgeräte-Ebene bereitstellen – und zwar mit viel weniger Leistungsaufnahme als zuvor. Die Kombination aus hoher Leistung, gut unterstützender Software und geringem Energiebedarf macht sie effizienter, nachhaltiger und »sauberer«.
Welche neuen Technologien können mit einem SBC entwickelt werden?
SBCs sind immer beliebter für viele neue Applikationen – das Board oder Modul lässt sich einfach in ein neues Design einbetten. Kombiniert man die einfache Installation mit einem effizienten Software-Ökosystem, können Entwickler die Markteinführungszeit stark verkürzen, was im digitalen Industriezeitalter unerlässlich ist. Es lohnt sich, sich die Erfolgsgeschichten von Raspberry Pi, Nvidia und Arduino direkt aus erster Hand anzusehen, um ein vollständiges Bild davon zu erhalten, welche neuen Technologien sich mit den Boards erstellen lassen.
Können Entwickler SBCs dazu verwenden, nachhaltige Embedded-Systeme zu designen, und wie?
Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, geht es eigentlich in erster Linie um die Frage, ob die Produktion von SBCs das Erzeugen von »grüner« Energie unterstützt, die CO2-Bilanz reduziert und im Allgemeinen umweltfreundlich erfolgt. Es geht ebenfalls um die Lebensdauer der Geräte, denn wenn Entwickler sie oft ersetzen müssen, müssen Unternehmen mehr davon herstellen und gleichzeitig die alten Geräte entsorgen und – hoffentlich – recyceln, und das erfordert zusätzliche Ressourcen. Das Reduzieren von Abfall ist ein zentraler Bestandteil des Nachhaltigkeitsgedankens.
Zum Glück sind sich die meisten Lieferanten der Anforderungen bewusst. Sie bemühen sich daher sehr, um sowohl die gesetzlich vorgeschriebenen als auch freiwilligen Ressourcenschutz-, Nachhaltigkeits- und Recyclingstandards auf der ganzen Welt einzuhalten.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wade.