Lange Lebensdauer und Umwelt im Fokus

50 Jahre EKF Elektronik

19. Dezember 2022, 8:30 Uhr | Tobias Schlichtmeier
© AdobeStock

2022 feiert nicht nur die Elektronik ihr Jubiläum: Seit 50 Jahren gibt es bereits das Unternehmen EKF Elektronik. Der Embedded-Spezialist aus Hamm hat die Zeit gut genutzt und ein breites Produktportfolio mit dem Fokus auf lange Lebensdauer aufgebaut – eine gute Basis für die nächsten 50 Jahre.

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Der Unternehmensgründer Joachim Jansen kam bereits als Schüler Mitte der 1960er-Jahre mit Elektronik in Kontakt. Aufgrund begrenzter finanzieller Mittel wurden Verstärker und Boxen für die eigene Schülerband kurzerhand selbst gebaut. 1972, zunächst als oHG, startete EKF Elektronik Messtechnik als studentisches Start-up.

Erste kommerzielle Produkte, die das Unternehmen entwickelte und in Kleinserie fertigte, waren elektronische Laborgeräte in analoger Technik, Laborstromversorgungen sowie einstellbare und fernsteuerbare Netzteile, außerdem Widerstandsdekaden. Die offizielle Gründung als EKF Elektronik folgte im Jahr 1972. 1980 wurde die OHG in die jetzige EKF Elektronik GmbH umgewandelt; sie ist inzwischen auf über 50 Mitarbeiter angewachsen.

Bernd Kleeberg, neben Gerald Nimmrich und Jan Jansen einer der heutigen Geschäftsführer und seit 1982 im Unternehmen, erinnert sich: »Anfang der 1980er-Jahre kamen erste Mikrocomputersysteme auf den Markt. Ab dem Zeitpunkt entwickelten wir verstärkt Produkte für Mikrocomputer. Produkte, die wir einmal auf den Markt gebracht hatten, wurden sehr lange geliefert, repariert oder es wurde versucht, Ersatzteile zu beschaffen. Diese Firmenphilosophie setzen wir bis heute erfolgreich um«, erklärt er.

Der Vorläufer des Box-PCs

Basierend auf den ersten Mikroprozessoren in 8-Bit-Technik wie dem Motorola »6800«, begann EKF, erste Mikrocomputersysteme in 19-Zoll-Bauweise für die Industrie zu entwickeln. Sie waren zunächst nach »Eurobus«, später nach »VMEbus« und inzwischen nach »CompactPCI« und »CompactPCI Serial« genormt. Eurobus war zu dieser Zeit der erste Standard für 19-Zoll-Mikrocomputersysteme. »Der Eurobus-Standard war in keiner Weise so gut beschrieben und dokumentiert wie heutige Embedded-Standards«, berichtet Bernd Kleeberg. Anwendung fanden die ersten Mikrocomputersysteme des Unternehmens vor allem im Bereich der Maschinensteuerung oder dem Erfassen von Prozessdaten. Sogar eigene, Linux-ähnliche Betriebssysteme wurden implementiert.

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Development-System DeSy
Der Vorläufer heutiger moderner Embedded-Box-PCs: das Development-System DeSy.
© EKF Elektronik

»Mitte der 1980er-Jahre hatten wir bereits ein beachtliches Produktportfolio aufgebaut. Wir erkannten allerdings, dass Kunden, die 19-Zoll-Systeme einsetzten, für Prüf- und Entwicklungsplätze zusätzlich kompakte Geräte benötigen.« Aus diesem Grund begannen die Entwickler bei EKF mit der Adaption eines tragbaren Systems. Es war der Vorläufer heutiger moderner Embedded-Box-PCs. »Das ›DeSy‹-Development-System war modular aufgebaut, es ließen sich Peripherie-Karten einstecken, das Netzteil war integriert, es war tragbar und es ließ sich sogar ein Monitor anschließen«, erklärt Kleeberg.

Die Technologie der Zukunft

1991 begann eine neue Ära für EKF. Das Unternehmen bezog einen großzügigen Neubau an der Philipp-Reis-Straße in Hamm, in Nähe des Technologiezentrums »Hamtec«. Hier wurden bereits Baugruppen nach den Standards VMEbus sowie CompactPCI entwickelt. Der Begriff der Embedded-Systeme prägte ab sofort die Branche und den Markt. Solche Systeme zeichnen sich dadurch aus, für den zuverlässigen Dauerbetrieb und harte Einsatzbedingungen ausgelegt zu sein. Varianten um CompactPCI Serial sind bis heute eine der tragenden Säulen des Unternehmens. 2012 erwarb EKF zudem das größere Nachbargebäude und konnte dort die Produktion unterbringen. Im Gegensatz zu Mitbewerbern, die Produktionen an Billiglohnländer auslagerten, kann EKF schnell und flexibel auf Kundenwünsche reagieren.

Langlebige Produkte sind das A und O

Sind derzeit oft Lieferprobleme und Bauteilknappheit die bestimmenden Themen in Unternehmen, ist die Philosophie von EKF Elektronik weiterhin, sich auf langlebige Produkte zu konzentrieren. »Sehen wir uns die Entwicklung im Unternehmen an, gibt es eine Konstante: Das ist der Formfaktor ›Europakarte‹. Was sich ändern wird, ist die Leistung und die Technologie, die sich auf solch einer Karte unterbringen lässt. Einige Produkte müssen wir in Zukunft abkündigen, jedoch wird es Nachfolgeprodukte geben. Wir müssen immer die langfristige Verfügbarkeit für den Kunden im Auge behalten. So spare ich mir Redesigns und kann Produkte immer wieder updaten.« EKF Elektronik liegt ganz besonders die lange Verfügbarkeit ihrer Produkte am Herzen. Das merkt man im Gespräch mit dem Geschäftsführer, das sieht man am Produktportfolio und das spiegelt sich im Porträt der Firma wider. Aber wie lässt sich eine Lebensdauer von Elektronikprodukten von zehn Jahren und mehr erreichen? »Das fängt bei der Auswahl der Bauteile an und somit der Herstellerauswahl. Hier stecken 50 Jahre Erfahrung dahinter, im positiven wie im negativen Sinne. Es gibt Hersteller, die nichts abkündigen, allen voran ist hier Texas Instruments zu nennen. Zudem arbeiten wir mit verlässlichen Lieferanten zusammen, die sich über viele Jahre bewährt haben. Für uns gilt das Gleiche wie für Texas Instruments: Solange wir ein Produkt im Portfolio haben, liefern wir es, reparieren, tauschen aus.«

Compact-PCI-Serial-System
Ein Compact-PCI-Serial-System von EKF Elektronik.
© EKF Elektronik

Aber was passiert, wenn Hersteller doch Bauteile abkündigen oder nicht mehr liefern? Denn nicht jedes Unternehmen, nicht jeder Hersteller besitzt eine Vitalität wie Texas Instruments oder EKF. Ist zum Beispiel ein x-beliebiger Kondensator nicht mehr verfügbar, stellt das Entwickler vor Herausforderungen. Wichtig sei deshalb ein ausgefeiltes Obsolescence-Management und die permanente Kontrolle des Bauteilmarktes, erklärt Kleeberg. »Wir arbeiten mit langfristigen Lieferverträgen, unsere Partner bevorraten entsprechend, zudem hilft es, selbst im Haus zu fertigen. Wir haben außerdem ein großes Netzwerk für die Bauteilbeschaffung über ein First-Class-Broker-Netzwerk.«

Geht es aber gar nicht anders, macht EKF Elektronik ein Redesign. So berichtet Kleeberg von bestimmten Bauteilen, die einfach nicht zu bekommen waren; Spannungsregler beispielsweise haben derzeit eine Lieferzeit von drei bis vier Jahren. »Dann muss es eben ein Redesign sein«, meint Kleeberg. Jedoch sei der Aufwand für die Spezialisten im Haus deutlich gestiegen. So müsse man die Produktionsplanung permanent abstimmen und oft mit Kunden kommunizieren, wie lang ein Angebot gültig ist und wie sich die Preise entwickeln.

Die Baugruppen von EKF werden in alle Welt geliefert, vorrangig für industrielle und wissenschaftliche Anwendungen. Auch der Schienenverkehr oder die Fahrzeugindustrie ist zunehmend Abnehmer von EKF-Produkten. Sie alle erwarten eine durchgängige Vernetzung von Sensor bis Cloud – am besten in Echtzeit.

Neue Standards im Fokus

Allen Widrigkeiten zum Trotz, entwickelt die Embedded-Branche fleißig weiter. Ebenfalls sind neue Standards wie COM-HPC, OSM oder ModBlox7 laufend Branchengespräch. Seit es den Standard CompactPCI Serial der PCI Computer Manufacturers Group (PICMG) gibt, ist EKF Elektronik Mitglied des Gremiums und federführend bei seiner Ratifizierung. Derzeit wird der Standard in der Revision 3.0 neu überarbeitet und auf PCI Gen 4 und 5 erweitert.

Modularität ist seit jeher eine der treibenden Kräfte beim Neuentwickeln bei EKF. Mit neuen Standards sollen Produktlinien entstehen, die diese Modularität weiter in den Fokus stellen, anders als die 19-Zoll-Technik jedoch neue Formfaktoren bedienen. ModBlox7, gerade in der Spezifikationsphase bei der PICMG, soll der erste offene Standard für Industriecomputer werden. Er ist nicht für die Leistungsfähigkeit von 19-Zoll-Systemen ausgelegt, jedoch preislich günstiger.

Photovoltaik-Anlagen
Seit 1996 und 2008 speisen Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern der Firmengebäude von EKF grünen Strom ins Netz ein.
© EKF Elektronik

»ModBlox7 gibt einen Formfaktor vor, der es Anwendern ermöglicht, neue Einbausituationen zu schaffen und Box-PCs beliebig auszutauschen«, erklärt Bernd Kleeberg. Zudem möchte der Hersteller mit ModBlox7 kleine Box-Systeme anbieten, die lange verfügbar und doch preisgünstig sind. So sollen neue Kunden gewonnen werden, die den Fokus auf den Preis legen und ein Gerät haben möchten, das sie im Feld einfach austauschen können. »Hier bieten wir die ›Embedded-Blue-Linie‹ an, auch als einzelne Box. Zudem unterstützen wir mehrere Prozessorlinien – von x86 mit Intel-CPUs über Arm-Prozessoren bis hin zu Nvidia-Chips.«

»Von Nvidia bieten wir Base- und Carrierboards der entsprechenden Prozessorlinien an. Unter Embedded Blue gibt es das Mainboard ›GC100‹, als Boxed-Version das ›AC100‹, ein Baseboard und Carrier für Nvidia-CPU-Module. In dem Bereich investieren wir weiter und möchten ebenso für Orin-NX-Module Carrierboards anbieten. Mit diesen Applikationen wollen wir vor allem den Markt für KI-Systeme bedienen«, ergänzt Kleeberg.

Softwareentwicklung nimmt Fahrt auf

Neben der Hardware ist EKF Elektronik jedoch ebenfalls im Bereich der Software tätig. Denn kein Embedded-System kommt ohne die nötige Software aus. Bislang beschränkte sich das Unternehmen darauf, ein Betriebssystem bereitzustellen sowie auf Kundenwunsch Firmware oder BIOS zu entwickeln. »In Zukunft bieten wir weitere Dienstleistungen im Bereich der Software an – keine komplette Applikationsentwicklung für den Kunden, aber Dienste wie Cloud-Management oder andere Kundenwünsche«, erklärt Kleeberg.

Ein großes Plus des Unternehmens ist der starke Fokus auf langlebige Systeme, der sich mit dem Nachhaltigkeitstrend und dem zunehmenden Blick auf Ressourcen und Umwelt weiter verstärkt. Dass die Umwelt EKF wichtig ist, beweist der Blick auf das Dach des Unternehmensgebäudes: Seit 1996 und 2008 speisen Photovoltaik-Anlagen mit 15 kWp ins Netz ein, demnächst soll eine neue 99-kWp-Anlage folgen. Sie erlaubt die Umstellung der Fahrzeugflotte auf vollelektrische Modelle. Obwohl sowieso viele Mitarbeiter sowie die Geschäftsführung seit Jahren mit dem Rad zur Arbeit kommen. »Auch Produktverpackungen sind inzwischen zu nahezu hundert Prozent aus recyclingfähigem Material«, berichtet Kleeberg. Um weitere 50 Jahre erfolgreich in der Embedded-Branche sein zu können, braucht es weiterhin ein gutes und solides Produktportfolio, Anpassungsfähigkeit und neue Ideen. Dass EKF die Ideen ausgehen, ist nicht so schnell zu befürchten.


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