Gleichzeitig sind die neuen Arbeitsbedingungen für ARTEMIS unter Horizon 2020 erschwerend und teuer. Horizon 2020 sichert den Projektpartnern Vertraulichkeit zu. Unter der früheren ARTEMIS-Organisation hatten alle Mitglieder der Industry Association Zugriff auf die eingereichten Projektunterlagen – und da es sich um vorwettbewerbliche Forschung handelt, war das auch kein Problem. »Die Halbleiterindustrie ist aber ein hoch wettbewerbsintensives Gebiet, da möchte sich auch bei der Forschung niemand in die Karten schauen lassen,« erläutert Daembkes. Das führt nun dazu, dass er und seine Kollegen nicht mehr wissen, was eigentlich die eingereichten Projekte zum Inhalt haben und was dort geforscht werden soll. Für die Beurteilung werden externe Gutachter herangezogen, die dann ein Urteil abgeben. Abgesehen von der Intransparenz kostet dieses Verfahren in den sieben Jahren der Laufzeit von ECSEL voraussichtlich 45 bis 65 Millionen Euro.
Nun gilt es für die ARTEMIS-IA, einen Modus der Zusammenarbeit mit den anderen beiden ECSEL-Partnern zu finden. Das dürfte angesichts der unterschiedlichen Interessen nicht einfach werden. Prof. Daembkes betrachtet die Halbleiterindustrie in Europa als eine »sterbende Industrie«: »Eigentlich war es das Ziel, in Europa 20 % der weltweiten Halbleiterproduktion zu behalten. Trotzdem ist dieser Anteil nun auf 6 % zurückgegangen. Und trotzdem wirft man da noch hunderte von Millionen an Fördergeldern hinterher.« Trotzdem gibt er aber zu, dass es einige Spezialgebiete gibt, in denen europäische Halbleiter sehr erfolgreich sind. Dazu zählen z.B. MEMS-Sensoren von Bosch, die in Geräten wie dem iPhone oder der Playstation verbaut werden oder auch Bauelemente der Leistungselektronik sowie Mikrocontroller für Automobilanwendungen.
De-facto Standards setzen
Die Embedded-Industrie ist nach den Worten Daembkes hingegen ein prosperierender Industriezweig. Die EU hat hier einen Anteil von 27 % am Weltmarkt, stellt aber sogar 30 % der weltweiten Embedded-Software her. Gerade weil dies eine Schlüsselindustrie ist, ist sie aber auch stark unter internationalem Druck: Unternehmen wie Apple und Google wollen in diesen Markt expandieren. »Wir sollten es diesen Unternehmen so schwer wie möglich machen, hier Fuss zu fassen,« sagt Daembkes. Dies könne z.B. durch das setzen von Standards geschehen – und zwar nicht Standards auf dem Papier sondern De-facto-Standards: »Die EU müsste z.B. bei der Telekommunikation Impulse setzen, indem sie die Beschaffung von 5G-Pilotinstallationen fördert. Durch solche Installationen werden Standards gesetzt, nach denen sich andere Anbieter dann richten müssen.«