Ohne die Streiks bei Lufthansa und DB hätte die LOPEC einen neuen Besucherrekord aufgestellt, ist sich Wolfgang Mildner, Gründer und Eigentümer des Technologieberatungsunternehmens MSWtech und General Chair der LOPEC, sicher. Hochintegration, Nachhaltigkeit und OPV sind für ihn die Trendthemen.
Markt&Technik: Herr Mildner, beim Besuch der diesjährigen Lopec Anfang März in München konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Branche nach der Pandemie mindestens einen Gang hochgeschaltet hat. Täuscht dieser Eindruck?
Wolfgang Mildner: Wir sind inzwischen in einer Situation angekommen, in der es nachhaltiges Wachstum in der Branche gibt. Es ploppen neue Projekte auf, es zeigen sich neue Trends. Aufgabe der Lopec war ja immer ein gewisser Dienstleistungsanspruch, der sich in etwa so zusammenfassen lässt: Was können wir für euch tun, um das Thema noch bekannter zu machen und neue Anknüpfungspunkte und Verbindungen in die etablierte Wirtschaft zu finden? Im Fall der Automotive-Branche müssen wir das nicht mehr tun, da finden Sie inzwischen die komplette Wertschöpfungskette auf der Lopec. Und wir sind extrem international, nach Auskunft der Messe München sind wir für sie die Messe mit dem höchsten internationalen Besucheranteil von rund 55 Prozent; der Anteil ausländischer Aussteller liegt über 60 Prozent. Oder schauen Sie auf die Renaissance der organischen Photovoltaik. Da tut sich derzeit viel. Der Vorstand der Helmholtz-Institute hat die drei größten mit dem Thema PV befassten Institute aufgefordert, mit ihren Forschungen und Entwicklungen verstärkt in die Wirtschaft zu gehen und die Zusammenarbeit zu suchen. Das reicht von der gebäudeintegrierten OPV (organische Photovoltaik, Anmerkg. der Red.) bis zur Hochskalierung der Produktion im Rolle-zu-Rolle-Verfahren. Man könnte sagen, wir leben in aufregenden Zeiten!
Inzwischen hat sich die Ausstellungsfläche der Lopec massiv ins Foyer des ICM ausgedehnt, sie nimmt fast die Hälfte des Foyers ein. Gehen Sie davon aus, dass das Foyer im nächsten Jahr komplett zur Ausstellungsfläche wird?
Ja, ich kann schon heute sagen, dass wir die zur Verfügung stehende Ausstellungsfläche im nächsten Jahr noch einmal deutlich mehr ausfüllen werden. Es gibt ja nicht nur das Foyer des ICM, es gibt ja auch noch die Zwischenebenen, die uns zur Verfügung stehen würden – lassen Sie sich überraschen!
Nach drei Tagen Lopec: Was waren für Sie die Trendthemen, die die Branche aktuell beschäftigen? Ließ sich da ein Wandel gegenüber den letzten Jahren erkennen?
Ganz allgemein würde ich sagen: Die einfache Integrierbarkeit führt zu hochkompakten Lösungen, die sowohl im Automobil wie auch im Gesundheitswesen zu sehr interessanten Lösungen führt. Gleichzeitig rückt mit diesem Trend aber auch das Thema Nachhaltigkeit immer mehr in den Fokus. Wenn ich so hoch integriere und mehrere Funktionsschichten oder Module verklebe, stellt sich natürlich auch die Frage: Wie bekomme ich das am End of Life alles wieder getrennt? Ziel ist es, nicht, wie es bisher in der Elektronik häufig der Fall ist, in Ländern der Dritten Welt mit völlig unzulänglichen Mitteln versuchen zu recyclen, was häufig nichts anderes bedeutet als es zu verbrennen, um etwa an Bestandteile wie Kupfer zu kommen. Wir müssen uns als Branche dem Thema Lifecycle-Management stellen und verhindern, dass flexible, organische und gedruckte Elektronik für Greenwashing missbraucht wird.
Sie haben als General Chair der Lopec auch einen Überblick über die Vorträge auf dem Kongress. Zeichneten sich dort neue, interessante Themen für die Zukunft ab?
Vor der Pandemie hatten wir einen sehr intensiven Austausch mit China. Danach wurde es schwierig. Professor Dr. Yong An Huang von der Huazhong University of Science & Technology in China hat einen interessanten Vortrag über die heutigen Aktivitäten in China gehalten. Je nach individuellem Blickwinkel war dieser Vortrag faszinierend bis erschreckend, auf jeden Fall war er spannend! Interessant waren auch Vorträge aus Japan von Dai Nippon Printing, wie sich gedruckte Elektronik zur Realisierung von Antennen für 6G nutzen lässt, ein Anwendungsbereich, den wir so bisher nicht auf dem Schirm hatten. Und dann natürlich der Vortrag von Stella Clarke, Research & Development Engineer bei BMW, die deutlich gemacht hat, wofür sich die Produkte von E Ink, dem ersten Milliarden-Dollar-Unternehmen der gedruckten Elektronik, etwa im Automobilbereich nutzen lassen.
Stichwort BMW, flexibel, leicht, kostengünstig: Täuscht der Eindruck oder entwickelt sich die Automobilbranche und dort speziell das Segment der Elektrofahrzeuge zum Hauptabnehmer für gedruckte und organische Elektronik?
Dieser Eindruck täuscht absolut nicht! Es hat seine Zeit gedauert, aber inzwischen hat der Bedarf der Automobilindustrie seinen Sog entwickelt. Besonders gilt das für die Elektromobilität. Da die Abwärme des Verbrennungsmotors fehlt, müssen andere Lösungen zum Beheizen des Fahrzeugs gefunden werden, um nur ein Beispiel zu nennen. Da bietet es sich natürlich an, Oberflächen zu beheizen. In der Automobilbranche ist die gedruckte und organische Elektronik inzwischen in vielfältiger Art und Weise angekommen.
Setzt sich die Renaissance der organischen Photovoltaik, der OPV, weiter fort? Bislang wurde sie vor allem von Anwendungen in Asien getrieben. Kommt es im Zuge der Energiewende auch zu einer verstärkten Nutzung in Deutschland und Europa?
Es kann noch dauern, bis sich der Markt in Europa entwickelt, aber inzwischen hat auch die EU die Möglichkeiten erkannt und ein eigenes Programm aufgelegt. Entscheidend war auch hier, zu erkennen: Es geht nicht darum, mit OPV klassische PV-Lösungen zu ersetzen, sondern es geht darum, mit OPV neue Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen, die mit klassischen, kristallinen PV-Lösungen nicht möglich sind. Es geht um Fragen wie: Kann ich Fläche erschließen? Wie lässt sich PV in Gebäudefassaden integrieren? In Agraranwendungen spricht die Transparenz der OPV-Lösungen für ihren Einsatz; sie lassen das Licht durch, sie verschatten die unter ihnen liegenden Flächen nicht. Und dann gibt es da noch das Internet of Things mit seinem Energiebedarf, auch hier bietet OPV vielfältige Möglichkeiten zur notwendigen Energiegewinnung.
Flexibel hieß bislang nicht unbedingt biegsam. Wie entwickelt sich dieser Bereich? Welche Anwendungen sehen Sie jenseits biegsamer Displays in Zukunft entstehen?
Bei Display-Anwendungen finden wir inzwischen flexible, rollbare oder faltbare Lösungen am Markt. Displays werden inzwischen in 3D-Oberflächen integriert. Es geht damit nicht nur um Biegsamkeit, es geht auch um Themen wie Vibrationsfestigkeit. Dabei sprechen wir nicht nur über die rein mechanische Bewegung oder Belastung, es geht auch um Themen wie die Klimafestigkeit und möglicherweise entstehende Delaminierung. Wichtig ist hier aber, dass nun reale Ergebnisse nach 80.000 oder 100.000 Testzyklen vorliegen, nicht nur Simulationsberechnungen. Mechanische Beanspruchungen sind vielfältig, denken Sie etwa an die Anwendung und Handhabung einer Brille oder an in Textilien mit integrierten Heizfolien.
In der klassischen Elektronik gibt es fast keinen Rohstoffbereich, in dem nicht eine Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten besteht. Unterscheidet sich die gedruckte und organische Elektronik in diesem Punkt grundsätzlich von der klassischen Elektronik? Zeichnen sich für die Zukunft hier ähnliche Abhängigkeiten ab?
Es gibt da kein Schwarz-Weiß. Es wird zum Beispiel Kupfer verdruckt, da gibt es natürlich Abhängigkeiten, aber die fallen nicht so extrem aus wie in der klassischen Elektronik. Der große Vorteil liegt auch darin, dass die Wertschöpfungskette der gedruckten und organischen Elektronik bislang überwiegend in Europa liegt. Die Veredelung erfolgt in der Branche. Ich denke, daran wird sich auf absehbare Zeit vorerst wenig ändern.
Zweimal im Jahr erhebt die OE-A eine Geschäftsklima-Umfrage. Gegenüber der Herbstbefragung 2023 hat sich die Branchenstimmung in diesem Frühjahr eingetrübt. Für 2025 sind die Erwartungen deutlich optimistischer. Ist 2024 ein Übergangsjahr?
In den hohen Erwartungen für 2025 spiegeln sich neue, vielversprechende Projekte wider. Den Dämpfer, den die Branche erhalten hat, der kommt von außen. Das Allgemeinumfeld der deutschen und europäischen Wirtschaft hat sich in den letzten Monaten noch einmal verändert. Die etwas gedämpften Erwartungen für 2024 befinden sich mit +13 Prozent Umsatzwachstum immer noch auf hohem Niveau.
In der Pandemie musste sich eine Reihe von Startups »schlafen legen«, wie Sie das einmal ausgedrückt haben. Hat sich die Situation inzwischen wieder verbessert?
Ich will nichts beschönigen, die Situation ist immer noch schwierig. Aber das Interesse der Venture-Capital-Branche steigt. Wir haben dieses Mal beim Wettbewerb um die beste Startup-Idee nur fünf Startups präsentieren lassen – aber die waren in ihren Präsentationen so gut wie noch nie zuvor! Gleichzeitig nutzten insgesamt 13 Startups die Lopec, um sich mit Ausstellungsständen zu präsentieren. Wir bemühen uns, auf der Lopec eine Unterstützungsstruktur für Startups zu bieten, die Veranstaltungen zu einem Ort zu machen, an dem Business-Angels und VCs einfach präsent sein müssen! Und das wird von den Startups wahrgenommen und honoriert.