Negativpreis „Plagiarius“

Von der Onbord-Diagnose bis zur VW Navi-Karte

3. Februar 2023, 12:30 Uhr | Karin Zühlke
Plagiarius Maskottchen
© Aktion Plagiarius e.V.

Die Aktion Plagiarius hat am 03. Februar zum 47. Mal ihren Negativpreis „Plagiarius“ an Hersteller und Händler dreister Plagiate und Fälschungen vergeben: Auch ein Imitat der Mercedes-Benz Fahrzeug-Diagnose „XENTRY Diagnosis“ wurde "gekürt".

Das sind die diesjährigen Preisträger:

Der Plagiarius 2023

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Die Auszeichnung mit dem „Plagiarius“ sagt nichts darüber aus, ob das nachgemachte Produkt im juristi-schen Sinne erlaubt oder rechtswidrig ist. Ziel der Aktion Plagiarius ist vielmehr, die skrupellosen Geschäftsmethoden von Produkt- und Markenpiraten ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, und Industrie, P-litik und Verbraucher für die Problematik zu sensibilisieren. Bevor die jährlich wechselnde Jury die Preisträger wählt, werden die vermeintlichen Plagiatoren über ihre Nominierung informiert und erhalten die Möglich-keit zur Stellungnahme. Der Jury geht es nicht darum, legale Wettbewerbsprodukte zu brandmarken, sondern einen kritischen Blick auf plumpe 1:1 Nachahmungen zu richten, die dem Originalprodukt bewusst zum Verwechseln ähnlich sehen und die keinerlei kreative oder konstruktive Eigenleistung aufweisen. Erfreuli-cherweise hat auch dieses Jahr einer der Nachahmer eine Einigung mit dem Originalhersteller gesucht und Restbestände der Plagiate vom Markt genommen. Die Trophäe des Schmähpreises ist ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase. Letztere symbolisiert die immensen Profite, die ideenlose Nachahmer sprichwörtlich auf Kosten von Kreativen und innovativen Unternehmen erwirtschaften.

Die Jury wird jedes Jahr neu zusammengestellt aus Vertretern der unterschiedlichsten Bereiche. Die Jury des Plagiarius-Wettbewerbs 2023 setzte sich wie folgt zusammen:

  • Susanna Heurung, Rechtsanwältin / Partnerin Maiwald GmbH, München
  • Gernot Imgart, Leitender Geschäftsführer der Bezirkskammer Göppingen der IHK Region Stuttgart
  • Ingrid May-Staudinger, Unternehmerin und Selbständige Repräsentantin des BVMW Bundesverband Mittelständische Wirtschaft e.V. für die Wirtschaftsregion Tübingen-Reutlingen
  • Ulrich Schaub
  • Head of Vision Solutions / Business Owner Solution, ADC Automotive Distance Control Systems GmbH, Ulm

Juristische Beratung:

  • Dr. Aliki Busse, Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz und Partnerin bei Maiwald GmbH (Rechtsanwaltskanzlei), München

Pflichten, die offline gelten, müssen auch online verbindlich sein
Um einheitliche und verbindliche Regeln für das Internet zu definieren hat die EU 2022 den Digital Service Act (DSA) verabschiedet. Dieser sieht u.a. vor, dass Verbraucher zuverlässig vor illegalen Inhalten und gefälschten Produkten geschützt werden sollen und Markeninhaber ihr geistiges Eigentum besser verteidigen können. Bei der Umsetzung in nationales Recht müssen jetzt klare Regeln für die Rechtsdurchsetzung fest-gelegt werden. Am Ende kommt es dann auf eine harte und konsequente Anwendung in der Praxis an.

In diesem Zusammenhang fordert auch der diesjährige Laudator, der hessische Staatssekretär für Euro-paangelegenheiten, Uwe Becker: „Mit der Änderung der Handelswege aus der analogen in die digitale Welt hat der Handel mit Plagiaten über elektronische Verkaufsplattformen noch zusätzlichen Aufschwung erfahren. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm. Deshalb muss der Schutz des geistigen Eigentums und die Be-kämpfung von Produkt- und Markenpiraterie noch engagierter betrieben und auf die neuen Geschäftsmodelle des Ideenklaus angepasst werden. Mit dem Plagiarius wird auf diese Bedrohung für Wirtschaft und Verbraucher in besonderer Weise aufmerksam gemacht. Daher ist dieser Negativpreis auch gleichzeitig Auftrag zum Handeln.“

Macht der Verbraucher: Ohne Nachfrage kein Geschäft, kein Erfolg und kein Anreiz für die Fälscher
Allein in der EU wurden 2021 laut EUIPO und der Europäischen Kommission etwa 86 Millionen gefälschte Waren beschlagnahmt, ein Anstieg von fast 31% gegenüber 2020. Und das sind nur die nachweislichen Aufgriffe, also die Spitze des Eisbergs. Den internationalen Handel mit Fälschungen bezifferten EUIPO und OECD für 2019 auf alarmierende 412 Milliarden Euro, was 2,5% des Welthandels entspricht.

Je größer die Nachfrage, desto größer der Erfolg der Fälscher. (Ein-)Käufer haben somit die Macht, aber auch die gesellschaftliche Verantwortung, Fälschern ihre Geschäftsgrundlage zu entziehen. Und das im ur-eigensten Interesse. Nachgemachte Waren sind zwar in allen Preis- und Qualitätsabstufungen erhältlich, die meisten sind dem Original aber nur auf den ersten Blick täuschend ähnlich. Dass identisches Aussehen nicht automatisch die gleiche Qualität, Leistungsfähigkeit und Sicherheit bedeutet, belegen viele Produkte, die Zoll und Interpol bereits aus dem Verkehr gezogenen haben: Verunreinigte Parfums und Kosmetika, technische Produkte mit mangelhafter Elektronik, fehlerhaftes oder schadstoffreiches Kinderspielzeug, falsch oder gar nicht dosierte Medikamente uvm. Auch der VDMA, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau bestätigt, dass Fälschungen oftmals eine Gefahr für die Bediener von Maschinen und Anlagen oder eine Gefahr für den sicheren Betrieb der Anlage bedeuten.

Generation Z: Zwischen Klimarettung, Ultra Fast Fashion und (Fake) Luxus-Kleidung / Gadgets

Mit verblüffender Selbstverständlichkeit fordern junge Konsumenten in immer kürzeren Abständen attraktive Produktneuheiten – verfügbar 24/7 und möglichst zum Fast-Umsonst-Tarif. Originalität, Herkunft und Quali-tät spielen dabei nicht bei allen die größte Rolle.

Mehr als jeder dritte jugendliche Europäer (37%) zwischen 15 und 24 Jahren hat lait Aktion Plagiarius e. V. schon mal vorsätzlich Fälschungen gekauft, so das „Jugendbarometer 2022 zum geistigen Eigentum“. Das entspricht laut Europäi-schem Amt für Geistiges Eigentum (EUIPO) mehr als einer Verdopplung in den letzten 3 Jahren. Besonders gefragt sind gefälschte Kleidung, Schuhe, Accessoires sowie Elektronik. Hauptargumente sind der günstige Preis und die hohe Verfügbarkeit. Als besorgniserregend bezeichnet das EUIPO die deutlich gestiegene so-ziale Akzeptanz von Fälschungen sowie eine Gleichgültigkeit der Problematik gegenüber. Eine Ursache hier-für ist auch der zunehmende Erfolg sogenannter „Dupe Influencer“.


  1. Von der Onbord-Diagnose bis zur VW Navi-Karte
  2. Dupe Influencer „legitimieren“ Kauf von Fälschungen auf Social Media

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