Raus aus der Abkündigungsfalle

Obsolescence Management für langlebige Industriegüter

4. November 2014, 8:18 Uhr | Karin Zühlke
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»Wir haben Produkte seit den 60er-Jahren im Einsatz!«

Obsolescence Management

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Dass Komponentenhersteller nicht gleich Komponentenhersteller ist, sondern es auch im Sinne der Industrieelektronik rühmliche Ausnahmen gibt, zeigt das Beispiel des Leistungselektronik-Herstellers Semikron: Das Unternehmen stellt Leistungselektronik-Komponenten und Systeme vorwiegend im mittleren Segment von ca. 2 kW bis 10 MW her, die u.a. auch in der Bahntechnik zum Einsatz kommen. »Wir haben Produkte seit den 60er-Jahren im Einsatz, weil die Loks, in denen diese Produkte verbaut werden, in Südamerika und Afrika noch fahren«, stellt Frank Nolte klar, Einkaufsleiter von Semikron. »Niemand wirft eine Lok auf den Schrottplatz, nur weil der Leistungshalbleiter nicht mehr vorhanden ist.«

Das kann natürlich für einen Hersteller auch ein interessantes Geschäftsmodell sein. So lässt Semikron die Produkte für dieses Segment gezielt weiterlaufen, wie Nolte erläutert: »Wir haben ein Werk in Brasilien, das darauf ausgelegt ist, solche alten Produkte in identischen oder sehr ähnlichen Prozessen 20 oder 30 Jahre weiter zu fertigen. Durch das niedrige Volumen sind die Produkte etwas teurer, aber so können wir diesen Markt weiter bedienen.« Die Bahntechnik steht hier nur stellvertretend für weitere Industriezweige, die langlebige Güter fertigen, wie Nolte weiß »Ähnliche Verfügbarkeitsforderungen nach 20 Jahren und mehr gibt es zum Beispiel auch bei Gabelstaplern. Wenn die letzte Serie vom Band gelaufen ist, muss der Gabelstapler 20 Jahre versorgt werden.«

Schaltpläne rückentwickeln

Die Obsolescence-Problematik greift aber auch über die Komponenten-Ebene hinaus: Ein Hauptproblem besteht darin, dass die für die Erstellung von Prüfplänen und Reparaturen der Leiterplatten notwendigen Schalt-, Layout- und Bestückungspläne häufig nach Jahren nicht (mehr) verfügbar sind. Fehlende Unterlagen werden derzeit meist auf manuellem Wege erstellt. Dieses zeitaufwändige Verfahren ist sehr kostenintensiv und führt nach häufig zu fehlerhaften Ergebnissen. In einem Forschungsprojekt namens INPIKO wird daher derzeit eine neuartige Prozesskette für Instandhaltungsunternehmen entwickelt, die es erlaubt, alte Leiterplatten inspizieren, reparieren und gegebenenfalls nachentwickeln zu können, auch wenn die Dokumentation oder Schaltpläne nicht verfügbar sind. Mit im Boot sitzen unter anderem Forscher des Fraunhofer Institutes, die Lacon Gruppe und Uwe Kaufmann von Model Alchemy, der als Berater das Projekt INPIKO in der Diskussionsrunde der Markt&Technik vertritt: »Unser Ansatz besteht darin, Boards zu rekonstruieren, ohne invasiv an das Board heranzugehen. Das Board wird dadurch also nicht zerstört«, so Kaufmann.

Die wesentlichen Herausforderungen und innovativen Ideen liegen im geplanten Automatisierungsgrad der Rekonstruktion, der Kombination zerstörungsfreier Analyseverfahren mit CT-Scanning, 2D- und 3D-Bildanalyse und Flying-Prober und darin, eine fehlerfreie Netzliste zu generieren. Die Innovation liegt einerseits darin, die gesamte Prozesskette zu realisieren, andererseits auch in den einzelnen Prozessschritten, die die Projektpartner als Teillösungen entwickeln.


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