Laut einer aktuellen Studie des TÜV-Verbands misstraut fast die Hälfte der Bundesbürger KI-generierten Ergebnissen. Sie sorgen sich vor Fake News, Desinformation und Manipulation von Wählern.
Anwendungen generativer Künstlicher Intelligenz (KI) wie ChatGPT, Google Gemini, MidJourney oder Anthropic Claude spielen eine zunehmend wichtige Rolle im Alltag der Deutschen. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands haben 53 Prozent der Bundesbürger ab 16 Jahren bereits auf solche KI-Technologien zurückgegriffen. Im Vergleich: Im Oktober 2023 waren es 37 Prozent, und im April 2023, nur sechs Monate nach der Einführung von ChatGPT, erst 23 Prozent.
„KI-Dienste werden zunehmend unverzichtbar – ähnlich wie Suchmaschinen, E-Mails oder Navigationsdienste – und das sowohl privat als auch beruflich“, erklärt Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. Besonders verbreitet sind KI-Anwendungen unter den 16- bis 35-Jährigen, von denen 78 Prozent solche Tools nutzen. Bei den 36- bis 55-Jährigen liegt der Anteil bei 55 Prozent, während es in der Altersgruppe von 56 bis 75 Jahren nur 26 Prozent sind. Auch zeigt die Studie, dass Männer (60 Prozent) häufiger KI verwenden als Frauen (45 Prozent). Rund ein Viertel der Nutzenden (26 Prozent) zählt zu den „Heavy Usern“, die KI-Anwendungen täglich oder mehrmals wöchentlich einsetzen.
Die Mehrheit der Befragten sieht großes Potenzial in KI, sie im privaten (61 Prozent) und beruflichen (59 Prozent) Alltag zu unterstützen. Gleichzeitig äußern viele auch erhebliche Bedenken: 76 Prozent befürchten schwer einschätzbare Risiken der Technologie. Dr. Bühler betont: „Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl ist es entscheidend, KI-Kompetenzen zu stärken und Maßnahmen gegen Desinformation zu etablieren.“ Er fordert klare Regeln für den Einsatz von KI in Wahlkämpfen, inklusive einer Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte.
Die Umfrage zeigt, dass viele Deutsche die potenziellen Auswirkungen von KI auf Demokratie und Medien kritisch sehen: 87 Prozent der Befragten fürchten, dass KI-generierte Deepfakes zur Wählermanipulation eingesetzt werden könnten. 83 Prozent sind der Ansicht, dass KI die Verbreitung von Fake News erheblich beschleunigt, und 79 Prozent glauben, dass KI-generierte Inhalte Wahlergebnisse beeinflussen können. Zudem gaben 81 Prozent an, Schwierigkeiten zu haben, echte von KI-generierten Bildern und Videos zu unterscheiden, während 77 Prozent die Authentizität von KI-Texten nicht beurteilen können.
„Um Manipulation zu verhindern, müssen politische Parteien und öffentliche Institutionen Strategien gegen Desinformation entwickeln“, mahnt Bühler. Dazu zählen Leitlinien für KI-Einsätze im Wahlkampf, freiwillige Selbstverpflichtungen politischer Parteien und stärkere Maßnahmen von Social-Media-Plattformen zum Schutz demokratischer Prozesse. Darüber hinaus sei eine zügige Fertigstellung des deutschen Referentenentwurfs für die EU AI Act-Umsetzung essenziell.
Generative KI-Anwendungen werden immer häufiger als Arbeitsinstrument genutzt. Die Hälfte der KI-Nutzenden verwendet solche Tools zur Erstellung fehlerfreier Texte, ein Anstieg um zehn Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Ebenso viele setzen KI für Recherchen oder als Alternative zur Internetsuche ein (48 Prozent). Kreative Aufgaben wie Ideenfindung (36 Prozent) oder Problemlösungen (34 Prozent) gehören ebenfalls zu den beliebten Anwendungsfeldern. Etwa ein Viertel nutzt KI zur Bild- und Videobearbeitung (24 Prozent), ein Fünftel für Übersetzungen (20 Prozent), während 44 Prozent die Anwendungen zur Unterhaltung verwenden.
Trotz des breiten Einsatzes ist das Vertrauen in die Ergebnisse der KI geteilt: 48 Prozent haben nur geringes oder kein Vertrauen in die Richtigkeit der Resultate, während ebenso viele großes oder sehr großes Vertrauen äußern. 43 Prozent empfinden die Ergebnisse als ungenau, und 31 Prozent bemängeln Fehler. Dennoch überprüfen 78 Prozent der Nutzenden die KI-Ausgaben durch eigene Recherchen, und 44 Prozent fragen die KI gezielt nach Quellenangaben. Bühler betonte: „Die Skepsis gegenüber KI-Ergebnissen unterstreicht die Bedeutung von Kompetenzen im Umgang mit dieser Technologie. Bildung und Weiterbildung sind der Schlüssel zu einem verantwortungsvollen Einsatz.“
Zum Schutz der Gesellschaft hat die EU im August 2024 die europäische KI-Verordnung (EU AI Act) verabschiedet, die KI-Systeme in vier Risikoklassen mit spezifischen Anforderungen einteilt. Die Vorschriften zu Transparenz und Kennzeichnung treten jedoch erst im August 2026 in Kraft. Eine große Mehrheit der Deutschen fordert jedoch schon jetzt Transparenz- und Kennzeichnungspflichten für KI-generierte Inhalte (90 Prozent). Auch eine verpflichtende Sicherheitsprüfung von KI durch unabhängige Organisationen halten 83 Prozent für notwendig, um Sicherheit und ethische Standards zu gewährleisten.
„Europa muss jetzt die Grundlage schaffen, um vertrauenswürdige KI-Systeme ‚Made in Europe‘ als Alleinstellungsmerkmal zu etablieren“, sagt Bühler. Dazu gehöre die Zulassung von TÜV-Unternehmen als notifizierte Stellen für KI-Prüfungen. Gleichzeitig sei eine systematische Schadensstatistik notwendig, um reale Risiken besser einschätzen und gezielt regulieren zu können.
Die Ergebnisse basieren auf einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands. Befragt wurden 1.001 Personen im Alter von 16 bis 75 Jahren zwischen dem 16. und 24. Oktober 2024.