Können Sie uns einen Ausblick über Ihre aktuelle Auftragslage geben?
Denis Giba: Unseren Auftragsbestand melden wir nur an fest eingeteilten Lieferterminen. Wir schauen nie viel weiter als 40 bis 50 Tage in die Zukunft, aber hier sieht alles optimal aus. Es gibt keine Anzeichen, dass der Bedarf marktseitig runtergehen würde. Wir messen Aufträge nur, wenn wir einen fixen Liefertermin haben. Deshalb haben wir nie einen Auftragsbestand, der höher ist als unser Jahresumsatz.
Wie wirkte sich der Brand auf den Umsatz aus?
Denis Giba: Unser Umsatz in 2014 lag bei 145 Millionen Euro in der Würth Elektronik Leiterplattensparte. Im Jahr 2015 ist der Umsatz auf 122 Millionen Euro gesunken. Niedernhall hatte einen Anteil von 55 Millionen Euro. Mit Niedernhall haben wir auf einen Schlag 40 Prozent der Fertigungskapazität verloren und haben 2015 einen Umsatzrückgang von 17 Prozent erfahren, doch gehen wir davon aus, 2017 wieder auf 2014er-Niveau zu sein. Bereits für 2016 rechnen wir mit einem Umsatzanstieg im Vergleich zu 2015.
Made in Germany ist insbesondere für einen Leiterplattenhersteller kein Selbstläufer mehr. Wie und warum schafft es Würth Elektronik dennoch, wirtschaftlich am Standort Deutschland zu produzieren?
Denis Giba: Ich denke, es geht nicht darum, wie wir hier produzieren. Unser Maschinenpark ist auch nicht anders als der der Wettbewerber hier oder in anderen Ländern. Es hängt vor allem mit der Kundenstruktur zusammen. Hier setzen wir auf langfristige Partnerschaften mit unseren Kunden und möchten den kompletten Lebenszyklus von Planung und Design über Prototypen bis hin zur Serie, auch Großserien aus Asien, abdecken. Darauf richten wir unsere Produktionseinheiten aus ,und die Produktionseinheiten für sich gesehen haben ganz strikte Produktionsziele, die Stillstand ausschließen. Genauin dieser Kombination funktioniert das.
Daniel Klein: Im Fertigungsbereich gibt es eine immer größere Herausforderung in Bezug auf Material und Zulieferindustrie. Hier kann man sich nicht an (ehemaligen) Europäern festbeißen. Die Wertschöpfungskette ist sehr stark nach Asien abgewandert. Aber es sind ja nicht nur wir, die es schaffen, in Deutschland zu produzieren, es gibt ja auch noch einige größere Wettbewerber, die sich gut positionieren können.
Investitionen schmälern ein Jahresergebnis, schaffen jedoch auch wieder Zugang zu neuen Märkten und Technologien. Hier haben wir immer dafür gesorgt, dass marktgerecht investiert wurde.
Ihre Einschätzung zur deutschen Leiterplattenindustrie?
Denis Giba: Die Anzahl der in Deutschland gefertigten Leiterplatten wird weiter zurückgehen, aber nicht auf Null sinken. Gleichzeitig wird der in Deutschland existente Bedarf weiter steigen. Die deutsche Leiterplattenindustrie ist in Europa immer noch mit Abstand die stärkste. Die Bedarfe aus Europa helfen der deutschen Leiterplattenindustrie, weil es in vielen Ländern fast keine Leiterplattenfertigungen mehr gibt.
Daniel Klein: Hinzu kommt, dass die mittelständische Industrieelektronik-Branche in den anderen Ländern nicht so stark ist wie im deutschsprachigen Raum. Und die Elektronik braucht weiter Leiterplatten, und daher wird der Bedarf weiter steigen. Vom Gesamttrend her bin ich also überhaupt nicht besorgt.
Welche Rolle spielt Industrie 4.0 für Sie?
Denis Giba: Auf die Vernetztheit der einzelnen Prozesse haben wir viel Wert gelegt. Unser Equipment ist Industrie-4.0-ready und ermöglicht uns, Maschinendaten auszulesen.
Daniel Klein: Es gibt erste Pilotprojekte in Niedernhall, und sobald wir die Ramp-up-Phase abgeschlossen haben, können wir hier auch weiter aktiver werden.
Sind Ihre Standorte miteinander vernetzt?
Daniel Klein: Ja, unsere Standorte sind bereits miteinander vernetzt. Wir arbeiten in allen Werken auf einem EDV-System.
Mit wie vielen Standorten ist Würth Elektronik aktuell am Markt vertreten?
Denis Giba: Wir haben drei Werke in Deutschland, genauer in Baden-Württemberg. Zudem verfügen wir über eine eigene Organisation in Asien und ein Quality Center in der Gegend von Shenzen und haben unsere Partner dort nach VDA 6.3 auditiert. Derzeit kooperieren wir mit zwei Partnern in Asien für Standard-Produkte und zwei Partnern für Advanced-Produkte. Diese Partner haben uns auch nach dem Brand sehr gut unterstützt.
Wie wird entschieden, welches Werk den Auftrag fertigt?
Daniel Klein: Nach Technologie oder dort, wo der Auftrag am wirtschaftlichsten produziert werden kann, bzw. dort, wo der Kunde es vorgibt. Qualitative Unterschiede gibt es nicht.
Gehen alle in Asien gefertigten Leiterplatten zurück nach Deutschland, oder bedienen Sie den asiatischen Markt auch direkt?
Denis Giba: Wir bedienen den asiatischen Markt, aber nur sehr punktuell. Das ist zum Beispiel der Fall bei Leiterplatten, die in der BOM festgelegt sind.
Inwieweit soll das Geschäft in Asien ausgebaut werden?
Denis Giba: Viele unsere EMS-Kunden haben auch Standorte in China, die sich natürlich freuen würden, wenn wir mit einer LCC-Kapazität direkte Geschäfte ermöglichen würden. Hier sehen wir in den kommenden Jahren durchaus Wachstumsmöglichkeiten.
Werden Sie im Zuge Ihrer Asien-Aktivitäten Kapazitäten aus Deutschland abziehen?
Denis Giba: Nein, es erleichtert lediglich die Produktmix-Strategie in den deutschen Werken, weil so Kapazitäten frei werden für neuere Technologien. Asien ist eine Ergänzung und ein Wachstumstreiber und keine Kompensation für deutsche Kapazitäten. Das war es nur im Jahr des Brandes.
Welche Trends sehen Sie in der Leiterplattenindustrie, in die Würth Elektronik investieren will?
Daniel Klein: Die Miniaturisierung wird weiterhin ein Trend bleiben, so dass immer mehr Funktionalität auf derselben oder einer kleineren Fläche stattfindet. Darauf sind alle unsere höheren Technologien ausgerichtet. Aber auch die Möglichkeiten, kleinere Strukturen auf der Leiterplatte zu ätzen, gehört zur Miniaturisierung.
Inwieweit ist Würth Elektronik bei Technologien wie dem „Chip Embedding“ aktiv?
Daniel Klein: Für uns umfasst Embedding mehr, auch eine im Multilayer eingebettete Spule betrachten wir als Embedding. Es geht uns also nicht primär um Chip Embedding. Ein auf der Außenlage in Polymer-Technologie aufgedruckter Widerstand und eine Innenlagenbestückung ist auch Embedding. Für uns gehört zum Embedding alles und nicht nur die Fokussierung auf Halbleiter. Wir sind an allen Standorten mit verschiedenen Embedding-Projekten aktiv, das Kompetenzzentrum für Embedding liegt am Prototypenstandort in Rot am See. Dort wird in diese Richtung geforscht, auch zusammen mit Materialherstellern und Kunden.
Sehen Sie Aktionsfelder für Würth Elektronik jenseits der Leiterplatte? Zum Beispiel IC-Substrate, wie AT&S sie nun fertigt?
Denis Giba: Wir sehen unsere Kundenstruktur und wofür wir stehen, nicht geeignet, um eine IC-Substrat-Fertigung aufzubauen. Jenseits der Leiterplatte sehen wir Aktionsfelder eher im Bereich der Dienstleistung und sind weniger auf der Suche nach einem alternativen physischen Produkt, sondern versuchen, die Interaktion zwischen uns und dem Markt weiter zu optimieren. Es muss immer einfacher werden in der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunde. Ich denke da beispielsweise an unseren Internet-Shop Wedirekt, der seit Jahren jeweils 25 Prozent gewachsen ist. Hier lernen wir dazu, unseren Kunden immer passgenauere Lösungen anzubieten. Unsere Aktionsfelder sehen wir also rund um die Leiterplatte, quasi ein Rundum-Sorglos-Paket.
A propos Dienstleistung: Wie unterstützen Sie die Kunden beim Layout ihrer Leiterplatte?
Daniel Klein: Wir haben das Fachpersonal, das frühzeitig Kundenlayouts analysieren kann. Wir bewerten, ob das Layout später auch kostenoptimiert produzierbar ist oder nur eine Sonderlösung darstellt, die man nur mit Mühe und Not hinbekommt. In dieser Kette sehen wir noch sehr viele Optimierungsmöglichkeiten in Richtung Engineering-Chain und Manufacturing-Chain. Dazu haben wir europaweite Design-Konferenzen und das WEMobil – also eine mobile Version eines Tagungszentrums, in dem wir die Kunden entsprechend schulen.