Würth-Werk in Niedernhall fertigt wieder

»Wir wollen keine Leiterplatten-Boutique werden«

16. Juni 2016, 10:28 Uhr | Karin Zühlke
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Künftig mehr Starrflex?

Würth Elektronik
Denis Giba, Würth Elektronik »Wir sehen unsere Kundenstruktur und wofür wir stehen, nicht geeignet, um eine IC-Substrat Fertigung aufzubauen. Jenseits der Leiterplatte sehen wir Aktionsfelder eher im Bereich der Dienstleistung.«
© Würth Elektronik

Wird der Starrflex-Anteil weiter steigen?

Denis Giba: Wir haben bereits vor dem Brand in Niedernhall 30 Prozent Starrflex gefertigt, und ja, wir gehen davon aus, dass der Anteil an Starrflex-Leiterplatten weiter steigt. Das liegt an der grundsätzlichen Bestrebung des Marktes zur Miniaturisierung.

Welche Vorteile hat das neue Spraycoating-Verfahren?

Daniel Klein: Grundsätzlich gesehen gab es keine Alternative zum Spraycoating. Das ist eben von der Anschaffung her aktuell die günstigste und von der technischen Performance her nach unserer Meinung das beste Verfahren. Die Vorteile sind eine bessere Verteilung des Lötstopplackes, zudem ist es einfacher, die Bohrungen bzw. Vias freizuhalten. In Summe bietet das Spraycoating eine höhere Prozesssicherheit.

Welche Leiterplatten-Technologien werden derzeit wieder in Niedernhall gefertigt, und was soll in der Endausbaustufe an Technologien noch folgen?

Daniel Klein: Die Maschinen sind alle installiert, und wir sind momentan im Ramp-up. Im Wesentlichen fertigen wir aktuell Starrflex und Multilayer sowie doppelseitige Leiterplatten. Der Fokus liegt darauf, die Prozesse hochzufahren, also derzeit eher in der Prozesstechnologie als auf der Technologievielfalt.

Denis Giba: Es läuft bereits wieder „business as usual“, nur noch nicht vom Gesamtoutput her. Wir werden etwa Mitte des Jahres bei der Hälfte der maximalen Fertigungsmenge sein. Aber wir fertigen bereits sämtliche Technologien, die auch vor dem Brand gefertigt wurde. Im Laufe des Jahres werden wir auch bei den Strukturen noch weiter runter bis auf 75 µm gehen.

Alles in allem haben Sie also ein neues High-Tech-Werk geschaffen?

Daniel Klein: Wir werden hier keine High-Tech-Fertigung aufbauen, die sich nicht mehr mit Standards beschäftigen möchte, sondern wir möchten von der doppelseitigen Platine über HDI bis hin zu hochkomplexen Starrflex-Leiterplatten alles abbilden. Wir wollen nicht zu einer Leiterplatten-Boutique werden und die reine Nische als Zukunft suchen. Aber wir wollen den Marktanforderungen der Zukunft gerecht werden, was uns mit diesem neuen Maschinenpark sehr gut gelingt. Das heißt, wir möchten das breite Portfolio unserer Endkunden entsprechend gut abdecken.

Welche Klientel bedienen Sie aus dem Werk Niedernhall?

Denis Giba: Wir bedienen EMS und OEMs, wobei in der klassischen Industrieelektronik bis zu 60 Prozent über EMS abgewickelt wird, der eine dementsprechende Vielfalt von uns benötigt. Wir können uns also nicht nur auf zwei Teilenummern und Highrunner konzentrieren, sondern wir möchten der Partner von A bis Z für unsere Kunden sein.

Wie haben die Kunden auf den Ausfall reagiert?

Denis Giba: Unsere Kunden waren sehr fair und kooperativ. Im Zuge dessen ist uns klar geworden, dass wir genau für diese Kunden das Werk wieder aufbauen wollen. Wir haben viel Zuspruch bekommen und Treue und Loyalität erfahren. Die Kommunikation war immer offen und partnerschaftlich. Die Kunden mussten ihre Bedarfe decken, dabei haben wir geholfen. Ob über unsere beiden anderen deutschen Werke oder unsere asiatischen Partner: Es mussten auch Bedarfe an unsere Wettbewerber gehen, was uns unsere Kunden aber immer sehr transparent kommuniziert haben.

Wie managen Sie nun die Herausforderung, die Aufträge vom Mitbewerb auch wieder zurückzuholen?

Daniel Klein: Für die Kundenbeziehung gibt es keinen Versicherungsschutz. Wir haben uns darauf konzentriert, das über eine sehr transparente Kommunikation zu gestalten und die Kunden frühzeitig am Ramp-up zu beteiligen.

Sie mussten Aufträge verlagern und im Zuge dessen auch Mitarbeiter – wie ist das gelungen?

Denis Giba: Für uns war es ein riesen Kraftakt, unsere Mitarbeiter an die anderen Standorte Schopfheim und Rot am See zu bringen. Es war eine Zusatzlast, die die Mitarbeiter glücklicherweise getragen haben, und dafür sind wir ihnen sehr dankbar.

Daniel Klein: Wir haben viele erfahrene Mitarbeiter, die viel Herzblut ins Unternehmen reinstecken, das geht deutlich über ein nüchternes Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Verhältnis hinaus. 


  1. »Wir wollen keine Leiterplatten-Boutique werden«
  2. Künftig mehr Starrflex?
  3. Die aktuelle Auftragslage

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