Wie kann ein mittelständischer deutscher Leiterplattenhersteller trotz der asiatischen Dominanz erfolgreich sein? Nicolas Schweizer nennt im Interview mit Markt&Technik einige der wesentlichen Faktoren.
Markt&Technik: Die Schweizer Electronic AG dürfte zu den ältesten deutschen Leiterplatten-Herstellern gehören. Die vergangenen 35 Jahre waren ja für einen Leiterplattenhersteller nicht gerade einfach. Was ist der Schlüssel zum Erfolg?
Nicolas Scrhweize: Ganz einfach gesagt: Innovationen, Innovationen und nochmals Innovationen. Und ja, Sie haben recht: Wir sind bald 175 Jahre alt^, und seit den 50er-Jahren produzieren wir Leiterplatten. Ich leite das Familienunternehmen jetzt in der sechsten Generation und ich mag, was ich tue. Ich finde die Leiterplattenindustrie wunderbar. Schließlich bin ich quasi neben dem Galvanikbad aufgewachsen.
Ich mag die Leiterplatte, eben weil sie in gewisser Hinsicht ein Sonderling ist, kein Off-the-Shelf-Produkt. Eine Leiterplatte ist sehr individuell, wir vergleichen uns eher mit einer Konditorei, die auf Bestellung fertigt. Hier kann man wirklich etwas bewegen – obwohl oder vielleicht auch gerade weil die Leiterplatte kein einfaches Geschäft ist.
Wie konnte Schweizer dem scharfen Gegenwind etwas entgegensetzen, der ja schon Anfang der 1990er-Jahre der deutschen und europäischen Leiterplattenindustrie ins Gesicht blies?
Anfang der 90er-Jahre ging die Verlagerung der Produktionen nach Asien los, zunächst nach Taiwan und Japan, dann nach China. Wir und einige andere unserer Wettbewerber haben uns deshalb spezialisiert und konnten unsere Nischen finden.
Aber es besteht doch eine sehr starke Abhängigkeit zu asiatischen Unternehmen.
Das ist richtig und fängt schon im Up-Stream-Bereich an: Es werden eben nur noch rund drei Prozent der Leiterplatten in Europa gefertigt. Deshalb sitzt auch ein großer Teil der Material- und Anlagenzulieferer in Asien. Was nicht heißt, dass es in Europa nicht auch sehr gute Zulieferer gibt, mit denen wir eng zusammenarbeiten und die uns sehr hilfreich waren und sind.
Aber in einem Umfeld, in dem es in erster Linie doch nur auf eines ankommt, den Endpreis, ist es trotz allem nicht gerade einfach.
Das war es noch nie, aber die jeweiligen Herausforderungen wechseln, und ich versuche immer, die Chancen zu sehen. In Europa haben wir aus verschiedenen Gründen zu kämpfen. Was ich mir für den Standort vor allem wünschen würde: dass wir als europäisches Unternehmen global unseren Wettbewerbern auf Augenhöhe begegnen könnten.
Doch die europäische Regulatorik gerade in den letzten fünf Jahren macht uns da leider zu schaffen. Die CE-Zertifizierung wäre ein Beispiel, die führen die asiatischen Anlagenhersteller eben nicht durch, schon weil der Markt dazu hier nicht groß genug ist. Ein Ungleichgewicht besteht auch bei den Importzöllen, was mein Vater schon vor 30 Jahren bemängelt hat: Auf importierte Materialien müssen Zölle bezahlt werden, auf Fertigwaren aus Asien jedoch nicht.
Aber es ist wie es ist, und wie gesagt, die Leiterplattenindustrie war immer schon sehr wettbewerbsintensiv und anspruchsvoll, wir haben es ausgehalten, und was ich vor allem nicht möchte: Die Schuld immer bei den anderen oder der Politik zu suchen.
Heute betreibt Schweizer die flächenmäßig größte Leiterplattenproduktion in Europa. Was also hat Schweizer anders gemacht?
Die entscheidende Frage lautet für uns: Wie können wir den Kunden einen Mehrwert bieten und uns dadurch differenzieren? Hier haben wir zwei technologische Felder identifiziert, auf die wir uns fokussieren und in denen wir sehr innovativ sind: Sensorik und Leistungselektronik, vor allem für den Einsatz in Autos. Das hat im Rückblick gut geklappt, wir generieren rund 70 Prozent des Umsatzes im Automotive-Markt. 30 Prozent erwirtschaften wir im Industriesektor, wo Sensorik und Leistungselektronik ebenfalls sehr wichtig sind.
Hier hat Schweizer das »Smart p2 Pack« entwickelt, das Sie als Durchbruch ansehen.
Nicht ganz alleine. Wir hatten die Idee schon 2013, und 2014 waren die entscheidenden Personen von Infineon so begeistert davon, dass wir die Entwicklung gemeinsam vorantreiben konnten. Infineon hat sich damals sogar mit knapp 10 Prozent an Schweizer beteiligt. Das Chip-Embedding war damals eine disruptive Innovation, etwas revolutionär Neues. Und es hat auf beiden Seiten Mut erfordert, darauf zu setzen. Vor allem aber war Beharrlichkeit gefragt: Die Serienfertigung für die Automobilindustrie haben wir in diesem Jahr an unserem Standort in Schramberg aufgenommen – nach zehn Jahren Entwicklungs- und Überzeugungsarbeit. Jetzt sind wir mit der Entwicklung der zweiten und dritten Generation gut im Plan.
Was war das Disruptive daran?
Erstens die Technik an sich, die zu einem besseren thermischen Verhalten und Schaltverhalten führt, als es über SMT-Lösungen möglich wäre, und es zudem erlaubt, die Logik ohne zusätzliche Verbindungselemente zu integrieren. Zweitens war das aber auch mit einer vollkommenen Umgestaltung der Supply-Chain verbunden: Wir kaufen die Chips vom Halbleiterhersteller ein und verkaufen ein komplettes und intelligentes Leistungsmodul an unsere Kunden.
Das bedeutet aber auch, mit allen Beteiligten aus der Lieferkette eng zusammenzuarbeiten?
Darin sehe ich einen weiteren entscheidenden Differenzierungsfaktor von Schweizer. Wir zeichnen uns durch unser Applikationsverständnis aus, wir denken vom Endprodukt aus. Als Leiterplattenhersteller sind wir ja eigentlich nur der Zulieferer von den Tier-One-Unternehmen im Automotive-Sektor. Doch wir reden schon in einer sehr frühen Phase der Entwicklung mit den OEMs auf diesem Gebiet. Weil wir das schon sehr lange so machen, verstehen die OEMs sehr gut, warum das auch für sie wichtig ist. Und auch mit den Tier-One-Unternehmen bestehen langjährige Entwicklungspartnerschaften.
Gilt das auch für den Sensor-Bereich?
Hier waren die Entwicklungen nicht so revolutionär wie beim Smart p2 Pack. Aber auf diesem Gebiet haben wir sogar noch viel früher mit OEMs und Tier-Ones im Bereich der Radar-Sensoren kooperiert. Um das Jahr 2000 gab die Vorentwicklung von Daimler den Anstoß, auch Bosch war dabei. So haben wir die 24-GHz-Radar-Sensoren in die Serie gebracht und waren damals Weltmarktführer, sogar in Stückzahlen gerechnet. Insgesamt tun sich hier viele weitere Innovationsräume auf, etwa in Kombination mit Wave-Guides oder sogenannten Embedded Antennas. Wir stoßen jetzt in den Bereich von weit über 79 GHz vor, und hier geht es auch sehr stark um Miniaturisierung.