Und um die Entwicklung neuer Materialien?
Ja, die Entwicklung von neuen Materialien sowie die Prozessentwicklung, die Qualitätssicherung und daraus resultierend hervorragende Ausbeuten – das sind die Stärken von uns. Da setzen wir weltweit Maßstäbe. Wir müssen die gesamte Produktionskette verstehen, jedes einzelne Glied ist kritisch.
Schon recht früh hat sich Schweizer nach einem starken Fertigungspartner in Asien umgeschaut. Die Wahl fiel auf WUS in China. Warum?
Weil WUS von der Struktur und der Herangehensweise exzellent zu Schweizer passt. WUS ist zwar an der Börse notiert, es handelt sich aber auch um ein Familienunternehmen, das ursprünglich 1972 in Taiwan gegründet wurde, das dann aber – wie viele damals – Werke in China gebaut hat. Meine Eltern und die Eltern des heutigen CEO von WUS, Chris Wu, kennen sich schon seit den 70er-Jahren. Wir haben alle »grünes Blut« in unseren Adern und eine ähnliche Mentalität, auch wenn es sicherlich Unterschiede zwischen einer schwäbischen und einer chinesischen Unternehmerfamilie gibt. Die Verflechtung besteht seit 2014, als wir insbesondere für unsere Großserienproduktion von Radar-Sensoren einen technisch exzellenten Partner gesucht und in WUS gefunden haben – und Sie können mir glauben, wir haben uns sehr, sehr viele Unternehmen angeschaut.
Kürzlich hat Schweizer aber ein Werk an WUS verkauft.
Wir hatten 2018 mit dem Bau des Werkes von Schweizer Electronic China begonnen, das für die Produktion von Embedding-Lösungen konfiguriert war – das erste seiner Art weltweit! Der Start der Fertigung erfolgte im März 2020 – ein ausgesprochen unglücklicher Zeitpunkt, weil uns damals die Corona-Shutdowns einen Strich durch die Rechnung machten und uns finanziell stark belastet haben. Zunächst war WUS zu 13 Prozent an unserer Tochter beteiligt, jetzt sind es 80 Prozent.
Wie reagierten die Partner und Kunden?
Uns war es von Anfang an sehr wichtig: Die Supply-Chain steht, die OEMs, Tier-Ones und Infineon sind damit einverstanden. Das Fertigungsmanagement liegt jetzt bei WUS; strukturell hat sich kaum etwas verändert.
Gibt es außer dem Automotive-Markt neue interessante Felder für Schweizer?
Wir sind vor einigen Jahren in den Luftfahrt-Markt eingestiegen. Das bietet sich an, denn wer die Zertifizierungen für Automotive schafft, hat auch für die Luftfahrt gute Karten. Inzwischen haben wir sogar die US-Zertifizierung NADCAP. Auch die Bedarfe im Bereich der Sensoren und der Leistungselektronik sind ähnlich. In der Industrieelektronik – das zählen wir zum Sektor Non-Mobility – bedienen wir den Markt, wann immer der technische Bedarf dazu herrscht. Gerade die Sensoren sind dort ebenfalls stark nachgefragt. Hier stehen wir auch im engen Kontakt zu den einschlägigen Sensor-Herstellern. Aber aus dem sehr günstigen Commodity-Markt halten wir uns fern.
Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage der europäischen Leiterplattenindustrie? Im Chip-Sektor ist viel die Rede davon, Europa aus der Abhängigkeit zu befreien, der EU Chips Act wurde auf den Weg gebracht, es werden entsprechende IC-Fabs gebaut – aber was nützt das, wenn einerseits ca. 90 Prozent der Leiterplatten aus Asien kommen, die Kunden aber keine höheren europäischen Preise bezahlen können, selbst wenn sie wollten, weil sie eben im globalen Wettbewerb stehen?
Die wichtigste elektrische Eigenschaft sei der Preis – so ist oft zu hören. Derzeit nehme ich ein heterogenes Bild wahr. Einige große Unternehmen verfolgen weiter die Strategie, möglichst günstig einzukaufen. Bei vielen Kunden und auch einigen Automotive-OEMs, gerade amerikanischen, sehe ich aber auch die Tendenz, sich unabhängiger machen zu wollen. Bei vielen unserer KMU-Kunden gibt es schon länger die Strategie, bevorzugt aus europäischen Quellen zu kaufen und dafür etwas mehr auszugeben.
Wichtig ist aber vor allem, dass in Europa die Erkenntnis reift, dass es zur Unabhängigkeit ein Mikroelektronik-Ökosystem braucht, welches sicher beim Halbleiter beginnt, aber eben nicht dort endet. Nur aus dem Zusammenspiel aller Komponenten, von Leiterplatten über Bauelemente bis hin zu den EMS-Dienstleistern, müssen wir dieses schnellstmöglich aufbauen.
Würde es helfen, mit Hilfe von EU-Subventionen eine größere europäische Leiterplatten-Produktion aufzubauen?
Kapazitäten aufzubauen, die dann am Ende gar nicht gebraucht würden, halte ich nicht gerade für hilfreich. Überhaupt möchte ich gar nicht so laut nach Subventionen rufen. Ich finde es wichtiger, einen Anreiz in Europa zu schaffen, dass die Unternehmen auch ohne riesige Subventionen hier investieren wollen. Da gehört nicht nur Geld dazu, sondern insgesamt sollte eine Willkommensatmosphäre für Unternehmertum geschaffen werden. Für einen attraktiven Standort dürfen nicht die Subventionen der alleinige Treiber sein, auch wenn sie ein Element davon sind.
Sie sprachen davon, dass die verbliebenen deutschen und europäischen Leiterplattenhersteller ihre jeweiligen Nischen gefunden haben. Wie würden Sie das Verhältnis zu den Wettbewerbern hierzulande beschreiben?
Ob AT&S, Würth, KSG, Unimicron oder viele andere – es gibt zwar teilweise Überlappungen, aber im Grunde für uns recht wenige, wir kommen uns nicht allzu stark ins Gehege. Wir verdrängen uns nicht, im Gegenteil, wir verstehen uns als eine europäische Leiterplatten-Familie. Wir stehen alle für eine funktionierende Leiterplattenbasis in Europa. Insbesondere in der DACH-Region war das schon immer so, hier herrscht ein nicht so ganz scharfer Wettbewerb wie mit und in Asien.