Negativpreis Plagiarius 2022

Produkt- und Markenpiraten skrupelloser denn je

25. April 2022, 14:15 Uhr | Karin Zühlke
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Fälscher blitzschnell Geschäftsmodell an Pandemie und Lieferengpässe angepasst

Viele Fälscher haben in der Pandemie blitzschnell ihre Geschäftsmodelle an die veränderte Nachfrage angepasst. Ob Lockdown, oder Lieferengpässe - wie z.B. bei Masken, eBikes, Halbleiterchips oder Wirkstoffen für Medikamente - sie können vermeintlich jeden Bedarf bedienen, insbesondere online und über digitale Medien. Kathrin Körber, Referentin Telekommunikation und Internet bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen berät u.a. Opfer sogenannter „Fake-Shops“. Betreibende von Fake-Shops bieten besonders nachgefragte Produkte online an und kassieren dann ab, ohne je die Ware zu liefern. „Manche Web-sites werden auch nur betrieben, um Kundendaten abzugreifen und damit andere Kaufverträge zu schlie-ßen“, so Kathrin Körber. Sie empfiehlt immer einen Blick ins Impressum und die AGB. „Typische Warnsig-nale bei Online-Shops sind z.B. ein fehlendes Impressum oder erfundene Adressen oder geklaute Handelsregisternummern, Zwang zur Vorkasse, nicht zum Aussteller verlinkte Gütesiegel. Anbieter aus dem nicht-europäischen Ausland schließen das Widerrufrecht oft ganz aus, haben eigenwillige Rückgabebe-dingungen und reagieren seltener auf Nachfragen. Hinzu kommen hohe Kosten im Rückversand und Zollkosten.“ Betroffenen rät sie schnellstmöglich zu versuchen, die Zahlung rückgängig zu machen, und Strafanzeige bei der örtlichen Polizei zu stellen. Um hohen Strafen zu entgehen und Verluste bei Entdeckung zu minimieren, verteilen Fälscher ihre Aktivitäten bewusst auf diverse kleine, scheinbar nicht zusammen-gehörige Onlineshops.

Zunahme gefährlicher Fälschungen offenbart Skrupellosigkeit der Fälscher

Im aktuellen Bericht „Dangerous Fakes“ warnen OECD und EUIPO, dass Kriminelle oftmals keinerlei gesetzliche Vorschriften und sicherheitsrelevante Parameter beachten und zunehmend gefälschte Waren vertreiben, die ernsthafte Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltrisiken bergen können. Am häu-figsten betroffen sind Bekleidung, Parfüms, Kosmetika, Spielzeug, Autoersatzteile, Arzneimittel sowie medizinische und COVID-relevante Produkte wie Testkits oder Schutzausrüstung. Auch die American Apparel & Footwear Association weist besorgt auf teils gefährlich große Mengen an Chemikalien und Schwermetallen bei gefälschter Kleidung, Schuhen und Accessoires hin.

Im Bericht „Global Trade in Fakes“ beziffern EUIPO und OECD den internationalen Handel mit Fälschungen allein für 2019 auf alarmierende 412 Milliarden Euro. Dies entspricht 2,5% des Welthandels. In Europa liegt der Anteil mit 5,8% aller EU-Einfuhren nochmal deutlich höher. Die Einfuhren gefälschter Produkte in die EU beliefen sich 2019 auf 119 Milliarden Euro. Nicht erfasst sind reine Inlandsgeschäfte. Die Studie „Intellectual Property Crime Threat“ von Europol und EUIPO zeigt, dass ein Großteil der Fälschungen in China hergestellt wird. Die zunehmende Einfuhr von gefälschten Verpackungsmaterialien und Halbfertigprodukten in die EU deutet aber auch auf illegale Produktionsstätten in der EU hin.

Fake bleibt fake: Kein Marken-Erlebnis, trotz schicker Hülle

Heutzutage sind nachgemachte Waren in allen Preis- und Qualitätsabstufungen erhältlich: Von gefährlichen Billigfälschungen bis zu qualitativ hochwertigen, dann aber auch hochpreisigen, Plagiaten. Auch die Aktion Plagiarius rät Konsumenten eindringlich, nicht kritiklos jeder Empfehlung auf Social Media zu folgen oder vorschnell „Kaufen“ anzuklicken. Nach wie vor zeigt sich: Plagiate und Fälschungen sind dem Origi-nal nur auf den ersten Blick täuschend ähnlich. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich nicht blauäugig der Illusion hingeben, dass identisches Aussehen automatisch die gleiche Qualität, Leistungsfähigkeit und vor allem Sicherheit bedeutet. Hinzu kommt: Jede Fälschung kopiert lediglich die Produkthülle. Sie transportiert nicht die inneren Werte des Markenprodukts und schafft es niemals, das Markenerlebnis des Originals zu kreieren. Fälschungen sind das Gegenteil von einem Statussymbol. Es liegt in der (Eigen-)Verantwortung jedes Verbrauchers, sich bewusst und mit Begeisterung für das Original zu entscheiden und so den Fälschern die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
 
Betreiber von eCommerce Plattformen und Online-Händler müssen stärker haften

„Um Wirtschaft und Verbraucher vor gefährlichen Fälschungen besser zu schützen, müssen die Betreiber von eCommerce-Plattformen zukünftig stärker in die Verantwortung genommen werden“, so Dr. Aliki Busse, Fachanwältin für gewerbliche Schutzrechte und 2. Vorsitzende der Aktion Plagiarius. „Gewerbliche Händler müssen ihre Identität klar und nachweisbar mit Lichtbildausweis, Steueridentifikationsnummer, Bank- und Kontaktinformationen verifizieren und sich an geltendes Recht im Absatzmarkt halten. Zudem müssen die Betreiber technisch sicherstellen, dass rechtsverletzende, bereits gelöschte Angebote, nicht unter anderem Namen wieder hochgeladen und angeboten werden können. Gleichzeitig muss der Gesetzgeber dafür sor-gen, dass kriminellen Netzwerken die illegalen, äußerst lukrativen Gewinne entzogen werden und Geldwäsche verhindert wird.“

Plagiarius-Preisträger 2022 ab 29. April im Museum Plagiarius in Solingen

Das Museum Plagiarius zeigt in seiner Ausstellung mehr als 350 Plagiarius-Preisträger der unterschiedlichen Branchen - jeweils Original und Plagiat im direkten Vergleich.


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