Wie weit ist die Smart Factory in Ihren Produktionswerken gediehen?
Wir haben nicht nur für die Digitalisierung ein Gesamtkonzept, wir betrachten das gesamte Unternehmen mit allen Fachbereichen und fokussieren uns auf die gesamtheitliche, digitale Transformation. Teile davon sind dann in der Tat Bestandteile der Smart Factory; beispielsweise automatische Bestücksysteme für die Anlagen, fahrerlose Transportsysteme, Cobots in der Fertigung, kognitive Assistenzsysteme, die den Werker, der Know-how-Träger ist, unterstützen. Also es geht nicht darum, den Werker zu ersetzen, sondern den Werker zu unterstützen.
Entscheidend ist: Schlüssel bleibt der Mensch. Er trifft die Entscheidungen und wird dabei von den digitalen Systemen unterstützt. Es ist durchgängig eine Kombination aus vollautomatisierten, teilautomatisierten und manuellen Prozessen. Durch Systeme wie beispielswiese den »Schlauen Klaus« von Optimum und die Software »Compass« von SPEA werden alle relevanten Daten in einer zentralen Datenbank zusammengeführt. Durch Zusammenführung der Daten erreicht man nicht nur eine Rückverfolgbarkeit aller Prozesse, sondern gewinnt auch durch automatisierte Auswertungen wertvolle Erkenntnisse. Diese weiterzuverarbeiten entspricht dem KI-Ansatz, hier spricht man von »hybrider KI« oder »Human in the Loop«.
Kommen wir nochmal zum Thema Nachhaltigkeit: Mit der Initiative »Prettl GoZero« will Prettl einen signifikanten Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Was genau verbirgt sich dahinter?
Das Pilotprojekt »Prettl GoZero« erstreckt sich über die gesamte Prettl-Gruppe. Wir haben gemeinsam mit Bosch Climate Solutions Key-Punkte aus den Sustainability-Zielen herausgearbeitet und für jeden Standort in der Gruppe die Umsetzung definiert. Das Thema ist sehr vielschichtig und umspannt sämtliche Bereiche wie zum Beispiel die Energieeffizienz im Gebäude. Dabei geht es um Fragen wie »wo kommt der Strom her?«, »wo wird die Energie erzeugt?«, »wo macht Photovoltaik Sinn und wo nicht?«.
Das heißt, wir kaufen nicht einfach nur grünen Strom, sondern gehen deutlich tiefer. Oder nehmen wir ein relativ banales Thema wie die Beleuchtung: Wir haben analysiert, ob LED-Beleuchtung in der Fertigungshalle sinnvoll ist und ob auch einzelne Büros zwingend mit LEDs ausgestattet werden müssen. Im ersten Fall lautet die Antwort »Ja«, im zweiten Fall »Nicht zwangsläufig«, denn die Nachhaltigkeit der LED muss schließlich auch bis auf Herstellungsebene betrachtet werden.
Ein weiteres Beispiel sind die Druckluftkompressoren. Hierbei ging es uns nicht nur um die Frage, ob diese stufenlos regelbar sein müssen, sondern auch darum, wie sich der Gesamtdruck im Verbrauch in der Produktion reduzieren lässt. Es geht bei unserer Initiative also nicht nur darum, möglichst energieeffiziente Produkte zu kaufen, sondern Nachhaltigkeit ganzheitlich zu betrachten. Wir bekommen das klare Feedback auch von den Auditoren bei Zertifizierungen, dass wir in dieser Hinsicht dem Markt etwa drei Jahre voraus sind.
Wie kommt die Initiative bei Kunden und Mitarbeitern an?
Die Identifikation mit dem Thema ist phänomenal, denn es entspricht dem Zeitgeist. Nicht nur die Mitarbeiter sind begeistert, auch die Kunden sind sehr aufgeschlossen: Wir sprechen innerhalb der Gruppe unsere Kunden auch aktiv von der Entwicklungsseite an und zeigen ihnen Möglichkeiten auf, wie sie ihren CO2-Footprint verringern können, nicht nur bei der Elektronikproduktion, sondern insbesondere auch bei z. B. Weißer Ware. Hier gibt es sehr interessante Optionen in Richtung grüner Produkte, nicht nur einzelne Komponenten wie Gehäuse aus Recyclingmaterial herzustellen, sondern ganzheitliche Lösungen, kreiert aus recycelten Altgeräten unter Berücksichtigung von »Design for Recycling«- und »Design for Repairability«-Methodenkompetenz, um hiermit das Optimum für den gesamten Lebenszyklus des Produktes zu erzielen. Viele unserer Kunden möchten nachhaltig sein, wissen aber nicht genau wie. Wir können sie auf Fertigungsstandort-Ebene und auf Kunden-Produktebene bei einem Sustainability-Konzept unterstützen.
Und übrigens auch der Local Content ist ein Punkt, der zur Nachhaltigkeit beiträgt. Corona hat den Trend zur lokalen Fertigung deutlich verstärkt, und auch Made in Germany ist wieder wichtiger geworden.
A propos Local Content: Wie beurteilen Sie den Trend zur Globalisierung von EMS-Leistungen bzw. sehen Sie auch eine Trend-Umkehr?
Ich bin klarer Fan von Local Content, auch schon während meiner Tätigkeit als Einkaufsleiter eines großen OEM. In China, Mexiko oder sonst irgendwo zu produzieren und in die EU zu reimportieren halte ich nicht nur ökologisch, sondern auch logistisch für den falschen Weg. Ganze Geschäftsmodelle können an so etwas kaputt gehen.
Dass ein Umdenken stattfindet, sehen wir unmittelbar an unseren Kunden: Wir haben zum Beispiel als erster europäischer EMS den Fertigungsauftrag für eine Audio-Box für Kinder gewonnen, die von einem deutschen Unternehmen entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um ein reines Consumer-Produkt. Wir werden das Produkt für den europäischen Markt in Ungarn produzieren, vorher wurde es in China gefertigt. Sie sehen also, auch in diesem Bereich kann das Prinzip des Local Contents funktionieren!