Sie produzieren in Mühldorf, Rumänien, China, Mexiko und den USA. In welcher Form war ODU 2020 durch Lockdowns in eigenen Produktionsstätten betroffen? Und rechnen Sie in diesem Jahr mit vergleichbaren Szenarien?
Giba: Wir selbst waren in China nur insofern betroffen, dass wir eine Woche länger im Chinese New Year waren als sonst. Abgesehen davon haben wir an allen Produktionsstätten rund um die Welt im letzten Jahr durchgehend produziert. Wir hatten uns rechtzeitig unser Rohmaterialager entsprechend aufgefüllt. Ich würde sagen, unser Rohmateriallager lag und liegt etwa 20 Prozent über dem langjährigen Durchschnittswert. Unsere Einkäufer waren 2020 wirklich intensiv beschäftigt.
Im Laufe der Corona-Pandemie wurde in der Wirtschaft im letzten Jahr lange mit massiven Umsatzeinbrüchen gerechnet. Wann war für Sie klar, dass es dazu nicht kommen würde?
Irl: Wir konnten uns das etwa ab Oktober letzten Jahres vorstellen. Der Lockdown im Frühjahr, der Produktionsstopp in der Automobil- und damit auch in der Automotive-Branche, waren in der Form ja bisher einmalige Vorkommnisse. Wir sind deshalb bis Anfang Herbst ganz bewusst auf Sicht gefahren. Schließlich haben wir massive Verschiebungen von Märkten und Produktgruppen beobachten können. Wobei auch für uns die rasche und starke Erholung der Bedarfe in China überraschend war. Wir produzieren ja in China etwa ein Drittel unserer dortigen Produkte für den chinesischen Markt. Da haben wir den Umschwung sehr schnell mitbekommen.
Zu den Branchen, die im letzten Jahr kurzzeitig nachfragetechnisch besonders profitierten, gehörte die Medizintechnikbranche. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Irl: Wir haben speziell bei Beatmungsgeräten einen kurzen Push wahrgenommen, aber das war nur von kurzer Dauer. Mit diesen Produkten ist eine sehr aufwändige Beschaffungskette verbunden – da war bei manchen Politikern viel Wunschdenken dabei, dass sich da schnell neue Gerätelieferanten etablieren würden.
Deutschland erhöht seinen Verteidigungsetat ab 2022. Er soll dauerhaft bei mindestens 50 Milliarden Euro liegen. Wie wichtig sind solche Entscheidungen für Ihre Geschäftsentwicklung?
Giba: Für uns ist das eine wichtige Aussage. Projekte wie die Modernisierung der Soldatenkommunikation werden damit in Zukunft schneller laufen. Wir arbeiten als Komponenten- und Subsystemlieferant mit Geräteherstellern zusammen. Die Elektronifizierung der Kommunikation und der Datentechnik, die mit unserem AMC-System erfolgt, wird intensiv auch im NATO-Umfeld vorangetrieben. Für uns bedeutete das im Jahr 2020 ein klares Wachstum in diesem Bereich, und das wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen.
Eigentlich gibt es seit über einem Jahr keine Möglichkeit, auf Messen auszustellen oder direkt mit Kunden in Kontakt zu treten. Wie gehen Sie damit um?
Giba: Wir vermissen es wirklich, dass wir mit unseren physischen Mustern nicht mit unseren Kunden zusammen am Tisch sitzen können! Wir haben dafür andere Bereiche der direkten Interaktion mit den Kunden ausgebaut. Und wir sind neue Wege gegangen. So sind wir beispielsweise in der Medizintechnik und anderen Anwendungsbereichen dazu übergegangen ‚Virtuelle Experten-Talks‘ für klar definierte Teilnehmer anzubieten. Dazu haben wir im letzten Jahr unter anderem einen sechsstelligen Betrag in die Einrichtung und Ausstattung eines Studios auf dem Werkgelände hier in Mühldorf investiert. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass es unserem technischen Vertrieb überdurchschnittlich gut gelungen ist, auch weiterhin eine direkte Kundenbeziehung stattfinden zu lassen. Die Ansprache findet zwar distanzierter statt, aber es ist immer noch eine direkte Kundenansprache.
Thema Investitionen. Haben die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen Einfluss auf Ihre Investitionspläne? Wo liegen Ihre Investitionsschwerpunkte 2021?
Irl: Wir investieren im Schnitt jährlich 17 bis 18 Millionen Euro in den Ausbau unserer Produktionskapazitäten. In diesem Jahr werden über 10 Millionen Euro in den Ausbau der Galvanik und der Oberflächentechnik in Mühldorf und im rumänischen Sibiu investieren. Damit vergrößern wir in Mühldorf unsere Produktionskapazitäten um etwa 15 Prozent. In Mexiko und in Rumänien haben wir uns für weitere Expansionen bereits die Nachbargrundstücke neben unseren bestehenden Werken gesichert.
Seit einem Jahr kommt es zu fortwährenden Schulausfällen, der Studienbetrieb findet inzwischen fast nur noch Online statt. Rechnen Sie nach eineinhalb Jahren Corona-Pandemie beim Recruiting in Zukunft mit Defiziten bei Bewerbern?
Giba: Ich denke, wir werden vielleicht mit längeren Anpassungszeiten rechnen müssen. Die Einarbeitung wird sicher etwas intensiver erfolgen, als das bisher der Fall war. Wir werden die neuen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einfach etwas intensiver in die Praxis begleiten, ich bin mir sicher, dass wir das gut in den Griff bekommen werden. Beim Thema Ausbildung vertraue ich auf die Leistungsfähigkeit der dualen Ausbildung in Deutschland.
ODU ist hervorragend aufgestellt. Wären Akquisitionen ein Mittel, Ihr Wachstum weiter zu beschleunigen, oder setzen Sie ausschließlich auf organisches Wachstum?
Irl: Wir wollen selbstkontrolliertes Wachstum, das ist unsere DNA! Wir kommen von den Kontakten und bauen verschiedene Steckerlösungen. Diese werden am Stecker und am Gerät mit Kabeln und mit Platinenlösungen kontaktiert. Noch weiter in diese beiden Richtungen können wir uns einiges vorstellen. Und dabei sind Akquisitionen nicht ausgeschlossen. Im Prinzip konzentrieren wir uns auf alles, was mit dem Thema Anschlusstechnik zu tun hat.
Das Interview führten Engelbert Hopf und Corinna Puhlmann-Hespen.