Also ist schlussendlich alles eine Frage des Preises?
Ja, sicher. Die Preise und auch die Margen sind gestiegen. Unsere Industrie ist 2020 um 11 Prozent gewachsen, 2021 um 25 Prozent. Das heißt, es wird definitiv mehr produziert und mehr ausgeliefert. Und der Preis, den man bereit ist zu zahlen, hat Einfluss darauf, wie und ob man sich Ware organisieren kann.
Mein Paradebeispiel ist ein US-Hersteller von Home Training Equipment. Das Unternehmen war im letzten Jahr händeringend auf der Suche nach einem Bauteil, das für die Elektronik der Geräte erforderlich ist. Benötigt wurden 30.000 Stück. Hätte die Firma 30.000 Geräte nicht ausliefern können, dann hätte sie 30.000 Fitness-Abos verloren. Das Bauteil, das gesucht wurde, kostete 2018 etwa 80 Cent. Bei der Suche im letzten Jahr war die Firma bereit, 80 Dollar(!) für das Bauteil zu bezahlen. Und sie haben die Ware bekommen, einen Teil von uns, einen Teil von anderen Anbietern. Letztlich wurde zwar weniger als 80 Dollar bezahlt, aber das ist ein Paradebeispiel dafür, welche Auswirkungen die Verknappung auf den Preis haben kann.
Wie differenziert sich Ihr Geschäftsmodells zwischen Distribution und eCommerce, also der Sourcengine?
Das klassische Distributionsgeschäft erstreckt sich auf 40 bis 50 Herstellervereinbarungen und zusätzlich circa zwei Dutzend Hersteller, mit denen wir ohne Vereinbarung zusammenarbeiten.
Bei der Distribution arbeiten wir mit einem typischen Key Account Management, wie man es aus der Distribution kennt. Unsere Mitarbeiter betreuen fest ihre Kunden; wie gesagt maximal 30 Kunden darf ein Key Account Manager bei uns betreuen. Und wie vorher schon erläutert: Kunden, die digital zu uns kamen, bearbeiten wir digital über die Sourcengine. Diese beinhaltet jetzt eine Quotengine, über die ganze xls-Listen digital gequotet werden können. Darüber hinaus hat der Kunde die Möglichkeit, weitere Anfragen, etwa zu einer anderen Stückzahl oder über Preisverhandlungen, über einen RFQ zu stellen. Dieses Vorgehen hilft uns, die Kundenbasis zu skalieren.
Von welchen Standorten aus betreuen Sie die europäischen Kunden?
Wir haben in Europa knapp 40 Mitarbeiter. Aus München betreuen wir den deutschsprachigen Raum sowie Ungarn und den Raum Osteuropa. Unsere Mitarbeiter am Standort Amsterdam kümmern sich um Nord- und Westeuropa sowie UK.
Gibt es auf der Sourcengine eine Zuteilung oder Limit pro Kauf?
Führen Sie sich den Marktplatz-Gedanken vor Augen: Der Marktplatz-Gedanke ist, dass ich die Technologie zur Verfügung stelle, wir Kunden und Lieferanten generieren, wir aber nicht eingreifen. Sonst funktioniert der Marktplatz-Gedanke nicht. Das ist anders als bei den klassischen Online-Distributoren.
Welche Highlight-Linien sind im letzten Jahr dazugekommen?
Mit Nexperia und Renesas konnten wir zwei Top-Linien unter Vertrag nehmen. Es gab noch weitere, z. B. Alpha & Omega, wo wir auf der Design-Seite schöne Projekte laufen haben.
Wie groß ist ein Kauf – Sie nennen das Checkout – auf der Sourcengine im Durchschnitt?
Das ist völlig verschieden. Der größte Checkout, den wir bisher hatten, war ein Kunde aus England, Er hat bei uns per Kreditkarte Ware für über eine halbe Million Dollar erworben. Das ist aber auch bei uns der Ausnahmefall.
Seit 2019 betreibt Sourceability ein Design Center in Indien, genauer: Bangalore, mit eigenen Mitarbeitern. Wie wird das auf Kundenseite angenommen?
Wir beschäftigen dort ein Dutzend Ingenieure, die unseren Kunden Ingenieurdienstleistungen wie Unterstützung beim Redesign anbieten. Es ist heute schwierig, herstellerunabhängige Designleistungen zu bekommen. Das ist unser Ansatzpunkt.
Wir haben auch in München, in Austin, in Hongkong und in Singapur vor Ort FAEs, die unsere Kunden beim Design unterstützen. Unser Ziel ist aber nicht, ein Designhaus zu werden, sondern wir sehen dies als Kundenservice.