Kommt Wasserstoff auch als Antrieb von Kleinfahrzeugen in Frage? Mit einer Magnesiumhydrid-basierten Paste schon, meint das Fraunhofer IFAM. In ihr lässt sich Wasserstoff bei Umgebungsdruck chemisch speichern, einfach transportieren und ohne teure Tankstellen-Infrastruktur nachtanken.
Otto- und Dieselmotoren, die mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden, werden wegen des Klimawandels zu Auslaufmodellen – stattdessen sind neue Antriebsmöglichkeiten am Start. Einer der Kraftstoff-Hoffnungsträger ist Wasserstoff. Üblicherweise wird er mit 700-fachem Atmosphärendruck in die Drucktanks der Fahrzeuge gepresst. Von dort aus strömt er in eine Brennstoffzelle, wo er zu Strom umgewandelt wird. Der Strom wiederum speist einen Elektromotor, der das Fahrzeug antreibt.
Für Autos ist dieser Ansatz schon recht ausgereift: Einige hundert Wasserstoff-Pkw fahren bereits auf Deutschlands Straßen. Und das deutsche Wasserstoff-Tankstellen-Netz soll in den nächsten drei Jahren von derzeit 100 auf 400 Tankstellen erweitert werden. Für Kleinfahrzeuge wie E-Scooter, Roller und Co. nutzt das allerdings wenig: Der Druckstoß beim Tanken wäre zu groß.
Forscher:innen am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Dresden haben nun für Kleinfahrzeuge geeignete Wasserstoff-Lösung entwickelt: Die Powerpaste, die auf dem Feststoff Magnesiumhydrid basiert. Ausgangsmaterial ist pulverförmiges Magnesium – eines der häufigsten Elemente und somit ein leicht verfügbarer Rohstoff. Bei 350 °C und fünf- bis sechsfachem Atmosphärendruck wird dieses mit Wasserstoff zu Magnesiumhydrid umgesetzt. Durch Hinzufügen von Ester und Metallsalz entsteht dann die Powerpaste.
Mit der Powerpaste lässt sich Wasserstoff bei Raumtemperatur und Umgebungsdruck chemisch speichern und bedarfsgerecht wieder freisetzen. Laut Fraunhofer IFAM ist das auch dann unkritisch, wenn der Roller bei sommerlicher Hitze stundenlang in der Sonne steht. Denn die Powerpaste zersetzt sich erst oberhalb von etwa 250 °C.
Statt eine Tankstelle anzusteuern, wechselt der Fahrzeugnutzer eine Kartusche und füllt zusätzlich Leitungswasser in einen Wassertank. Das kann sowohl zuhause als auch unterwegs erledigt werden.
Um das Fahrzeug anzutreiben, befördert ein Stempel die Powerpaste aus der Kartusche heraus. Aus dem Wassertank wird Wasser zugegeben, es entsteht gasförmiger Wasserstoff. Die Menge wird dabei hochdynamisch dem Wasserstoffbedarf der Brennstoffzelle angepasst. Der Clou: Nur die Hälfte des Wasserstoffs stammt aus der Powerpaste, die andere Hälfe liefert das Wasser zu.
»Die Energiespeicherdichte der Powerpaste ist enorm: Sie ist wesentlich höher als bei einem 700-bar-Drucktank. Verglichen mit Batterien hat sie sogar die zehnfache Energiespeicherdichte«, betont Dr. Marcus Vogt, Wissenschaftler am Fraunhofer IFAM. Für den Fahrer heißt das: Er erzielt mit der Powerpaste eine ähnliche oder sogar höhere Reichweite wie mit der gleichen Menge Benzin. Auch beim Reichweitenvergleich mit auf 700 bar komprimiertem Wasserstoff schneidet die Powerpaste nach Aussagen des Fraunhofer IFAM besser ab.
Dies lässt die Powerpaste auch für Autos, Zustellfahrzeuge oder Range Extender, die die Reichweite von Elektroautos erhöhen, interessant werden. Große Drohnen könnten ihre Reichweite mit der Wasserstoff-Paste deutlich erhöhen und so statt zwanzig Minuten mehrere Stunden in der Luft bleiben. Eine Anwendung der etwas anderen Art könnte sich beim Camping bieten: Hier kann die Powerpaste via Brennstoffzelle Strom für Kaffeemaschine und Toaster bereitstellen.
Während gasförmiger Wasserstoff eine kostenintensive Infrastruktur erfordert, lässt sich die Powerpaste auch dort einsetzen, wo eine solche Infrastruktur fehlt – also dort, wo es keine Wasserstofftankstellen gibt. Stattdessen könnte jede beliebige Tankstelle die Powerpaste in Kartuschen oder Kanistern anbieten. Denn die Paste ist fließfähig und pumpbar – sie kann daher auch über einen normalen Tankvorgang und vergleichsweise kostengünstige Abfüllanlagen getankt werden.
Tankstellen könnten die Powerpaste zunächst in kleineren Mengen, etwa aus einem Metallfass, anbieten und das Angebot entsprechend der Nachfrage ausweiten – mit Investitionskosten von einigen zehntausend Euro. Zum Vergleich: Tankstellen für gasförmigen Wasserstoff bei hohem Druck schlagen derzeit mit etwa 1 bis 2 Mio. Euro pro Zapfsäule zu Buche. Auch der Transport der Paste gestaltet sich kostengünstig: Schließlich sind aufwändige Drucktanks oder sehr kalter, flüssiger Wasserstoff nicht nötig.
Am Fraunhofer-Projektzentrum für Energiespeicher und Systeme ZESS baut das Fraunhofer IFAM derzeit eine Produktionsanlage für die Powerpaste auf. Ende 2021 soll diese in Betrieb gehen und dann bis zu vier Tonnen Powerpaste pro Jahr produzieren.