Die Integration von ALM und PLE transformiert die Fahrzeugentwicklung grundlegend. Beide Ansätze erlauben es Automobilherstellern, proaktiv auf die digitale Zukunft zu reagieren und sich den Herausforderungen der Branche anzupassen.
Die Automobilindustrie erfährt aktuell einen starken Wandel durch den Einsatz von Software und die Entwicklung vernetzter Fahrzeuge. Die Software moderner Autos enthält über 150 Millionen Zeilen Code, wodurch sie zur zentralen Komponente wird. Eine Studie von PwC aus dem Jahr 2024 prognostiziert, dass bis 2030 weltweit jährlich etwa 60 Millionen vernetzte Fahrzeuge verkauft werden. Diese Veränderung erhöht die Komplexität der Fahrzeugentwicklung erheblich. Hersteller sind gefordert, die breite Palette an Varianten, Funktionen und Steuerungssystemen effizient zu verwalten. Dabei müssen sie sicherstellen, dass sowohl die Qualität als auch die Zeitpläne nicht beeinträchtigt werden.
Eine vielversprechende Lösung dafür besteht in einem effizienten Variantenmanagement und flexiblen Entwicklungsansätzen. Hierbei bietet die praxiserprobte Kombination von Application Lifecycle Management (ALM) und Product Line Engineering (PLE) einen vielversprechenden Ansatz.
Mercedes führte 2024 eine neue Software-Architektur ein, die bereits in den neuen Modellen der E-Klasse eingesetzt wird. Diese Plattform beschleunigt die Softwareentwicklung und -bereitstellung erheblich und verbindet Fahrzeuge intelligent mit der Cloud. Durch die Konzentration auf flexible Entwicklungsprozesse und modulare Software-Architekturen schafft es Mercedes, den steigenden Anforderungen an softwaredefinierte Fahrzeuge gerecht zu werden. Um die Vorteile solcher innovativen Software-Architekturen voll auszuschöpfen, sind strukturierte Entwicklungsansätze wie ALM und PLE unerlässlich.
ALM umfasst die gesamte Verwaltung des Lebenszyklus von Softwareanwendungen. Dies betrifft alle Bereiche der Automobilentwicklung, von der Konzeption über Entwicklung, Tests und Integration bis hin zur Wartung. Dadurch entstehen eine verbesserte Transparenz, Nachvollziehbarkeit und eine strukturierte Verwaltung in allen Phasen der Softwareentwicklung. Entwickler können beispielsweise bei der Optimierung einer Software-Komponente auf sämtliche Leistungsdaten früherer Versionen, Simulationsergebnisse und Kundenrückmeldungen unmittelbar zugreifen.
PLE hingegen fokussiert sich auf die effiziente Entwicklung ähnlicher Produkte innerhalb einer Produktlinie, indem wiederverwendbare Komponenten konstruiert und spezifische Anpassungen nahtlos integriert werden. Dank PLE können ähnliche Features in verschiedenen Produktklassen implementiert werden. Zum Beispiel kann ein bereits bestehendes Infotainment-System durch minimale Anpassungen für eine neue Fahrzeugversion verwendet werden.
Die Kombination von ALM und PLE führt zu signifikanten Synergieeffekten und schafft eine nahtlose Verbindung zwischen Softwareentwicklung und Variantenmanagement. Unternehmen optimieren ihre Entwicklungsprozesse, indem sie redundante Arbeiten vermeiden und die Wiederverwendbarkeit von verschiedenen Software-Komponenten maximieren, was zu einer signifikanten Reduktion der Entwicklungszyklen führt. Statt für jede Fahrzeugvariante neue Software zu entwickeln, können bereits vorhandene Module angepasst und effizient integriert werden.
Darüber hinaus unterstützt diese Kombination die Dokumentations- und Compliance-Anforderungen, wie etwa die Einhaltung der UNECE-R155-Vorgaben oder der Norm ISO/SAE 21434 für Cybersicherheit. Dies minimiert Haftungsrisiken und vereinfacht die Zulassung neuer Fahrzeugmodelle. PLE beinhaltet zudem eine klare Dokumentation der Variantenentwicklung, die sowohl die interne Zusammenarbeit als auch die Kommunikation mit externen Partnern wie Zulieferern erheblich erleichtert.
Ein weiterer zentraler Synergieeffekt liegt in der Qualitätssicherung. ALM ermöglicht es den Entwicklern, Fehler durch strenge Testverfahren und klare Nachverfolgbarkeit frühzeitig zu identifizieren und zu beheben. Beispielsweise könnten potenzielle Inkompatibilitäten zwischen Steuergeräten und Sensoren während der Entwicklungsphase erkannt werden, bevor sie die Produktionslinie erreichen.
Ein zentrales ALM-System, das alle relevanten Teams einbindet, reduziert Kommunikationsprobleme und steigert die Effizienz der Hersteller. Die Echtzeit-Datenübertragungen fördern zusätzlich die Zusammenarbeit zwischen Softwareentwicklung, Fertigung und Qualitätssicherung. Automatisierte Prozesse wie Testsimulationen oder Konfigurationsmanagement verkürzen die Entwicklungszeiten erheblich und erhöhen gleichzeitig die Zuverlässigkeit der Systeme. Zudem fördert PLE die Produktqualität durch die Verwaltung des Produktportfolios als kohärente Einheit. Dadurch können Hersteller Fehler und Inkonsistenzen reduzieren, was zu qualitativ hochwertigeren Endprodukten führt.
Neben den operativen Vorteilen, die aus der Verbindung von Application Lifecycle Management und Product Line Engineering entstehen, zeichnen sich auch strategische Effekte ab. Zum einen kann die Wettbewerbsfähigkeit von Herstellern erheblich gestärkt werden. Durch die Anpassungsfähigkeit an neue Trends wie beispielsweise Software-defined Vehicles, autonomes Fahren oder intelligente Mobilitätsdienste positionieren sich Hersteller als Technologieführer im Markt.
Effizientes Variantenmanagement ermöglicht es, spezifische Anforderungen schnell und präzise zu erfüllen. Ein Automobilhersteller kann beispielsweise durch die Kombination von PLE-Methoden und ALM-Systemen bestehende Software-Komponenten für eine neue Fahrzeugvariante anpassen und wiederverwenden. Dies verringert den Entwicklungsaufwand für spezifische Varianten. Außerdem profitieren sowohl die Prozesseffizienz als auch die Markteinführungszeit davon. Darüber hinaus ermöglicht die Reduzierung redundanter Abläufe eine Kosteneinsparung.
Zum anderen tragen die effizienten Prozesse und die Wiederverwendbarkeit von Komponenten zur Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung bei. Durch diesen Einsatz reduzieren Hersteller den Materialbedarf und verringern somit ihren ökologischen Fußabdruck. Nachhaltige Praktiken verbessern die Umweltbilanz und demonstrieren den Kunden verantwortungsvolles Engagement in der Branche.
Wie beschrieben lässt sich die Fahrzeugentwicklung sowohl durch ALM als auch durch PLE grundlegend transformieren. Die Vorteile dieser beiden Methoden umfassen:
Zu den marktführenden Lösungen für ALM und PLE.
Michele Del Mondo
startete seine Karriere im Jahr 1994 im Anschluss an sein Maschinenbaustudium am Steinbeis-Transferzentrum in Karlsruhe. 1997 wechselte er zu Webasto und leitete dort die Einführung eines unternehmensweiten PLM-Systems. Später übernahm er als Director Sales die Verantwortung für den globalen Vertrieb für die Mercedes Car Group. Seit 2011 ist er bei PTC tätig und verantwortet als Global Advisor Automotive das weltweite Automotive Business.