Elektrisch, vernetzt, selbstfahrend: Die Umwälzungen in der Automobilbranche haben erhebliche Auswirkungen auf die Hersteller von Bordnetzen. Bernd Jost, Geschäftsführer von DiIT, einem Hersteller von integrierten Softwarelösungen für MES, erklärt, welche Herausforderungen sie meistern müssen.
Das elektrifizierte, vernetzte und autonom fahrende Auto verändert die Automobilbranche grundlegend. Viele Zulieferer geraten dadurch in Bedrängnis. Hersteller mechanischer Teile wie etwa Komponenten für Benzinmotoren oder Aggregate sind langfristig sogar in ihrer Existenz bedroht.
Ganz anders dagegen Hersteller von Bordnetzen: Ihre Produkte werden immer wichtiger. Das eröffnet ihnen neue Geschäftsmöglichkeiten, konfrontiert sie aber auch mit neuen Herausforderungen. Bern Jost, Geschäftsführer des Spezialisten für integrierte Softwaresysteme in der Kabelsatzproduktion DiIT, erläutert die vier größten.
Über die Bordnetze laufen immer mehr Energie-, Signal- und Kommunikationsflüsse, die sicherheitskritische Funktionen wie Steuerung, Spurwechsel oder Bremsen unterstützen. Dementsprechend steigen die Anforderungen der OEMs an die Rückverfolgbarkeit und Qualität der Bordnetze.
Diese können die Hersteller nur durch Digitalisierung erfüllen. Sie müssen in der Lage sein, den OEMs die nötigen Daten zu liefern und die Qualität ihrer Produkte durch die Auswertung von Fertigungsdaten zu überwachen und zu optimieren. Die zwingende Voraussetzung dafür ist eine weitere Automatisierung ihrer Produktion. Mit den derzeit noch vielen halb-manuellen und manuellen Prozessen ist keine zuverlässige Datenerhebung und -verarbeitung möglich.
Der Durchbruch der E-Mobilität führt zu einem schnell steigenden Bedarf an Hochvolt-Kabelsätzen. Diese werden für gewöhnlich parallel zum Bordnetz gefertigt. Bei ihrer Produktion gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten, aber auch viele Unterschiede.
So müssen für Hochvolt-Kabelsätze komplexe, mehradrige und mit zusätzlichen Abschirmungen versehene Kabel verarbeitet werden. Zudem werden sie meist in kleinen Stückzahlen hergestellt und unterliegen besonders hohen Anforderungen an Qualität und Rückverfolgbarkeit. Ein Produktionsfehler in einem Hochvolt-Kabelsatz kann zum Stillstand eines Fahrzeugs führen.
Automobilhersteller statten ihre Fahrzeuge mit immer mehr Komfort- und Assistenzsystemen aus. Dadurch steigt ihre Nachfrage nach UTP-Leitungen (Unshielded Twisted Pairs) für die Übertragung von Daten. Diese Leitungen bestehen aus zwei isolierten Kupferkabeln, die zum Schutz gegen elektrische und magnetische Störfelder miteinander verdrillt sind.
Um die geforderte Qualität der Datenübertragung zu gewährleisten, müssen Bordnetzhersteller die Leitungen zuverlässig produzieren. Für eine sehr stabile Impedanz und geringe Laufzeitunterschiede der verdrillten Kabel sind eine konstante und kontinuierliche Schlaglänge, eine kompakte und enge Helix sowie eine genau Maßhaltigkeit bei den Längen der Einzelleitungen erforderlich.
Elektrifizierung, Vernetzung und autonomes Fahren erfordern logischerweise immer mehr Kabel in den Fahrzeugen. Die Bordnetze werden dadurch schwerer und chaotischer, was sich nachteilig auf die Energieeffizienz der Autos auswirkt und die Suche nach Fehlerursachen erschwert. Deshalb verfolgen OEMs beim Design der Bordnetze zunehmend zonale Ansätze.
Dabei werden verschiedene Fahrzeugbereiche mittels Zonenrechner zusammengefasst und über ein hochperformantes Backbone mit dem Hauptrechner verbunden. Die Zonenrechner fungieren dabei als Integrationsmodule und konsolidieren einen Teil der bisherigen Steuergeräte. Dadurch reduziert sich die Summe aller Leitungslängen, das Gewicht des Bordnetzes sinkt und es wird durchschaubarer.
»Wenn Bordnetzhersteller diese Herausforderungen meistern, haben sie glänzende Aussichten für die Zukunft«, erklärt Bernd Jost. »Die Chancen dafür stehen gut, denn Maschinenhersteller arbeiten an Lösungen, die eine durchgängige Automatisierung der Produktionsprozesse einschließlich der automatisierten Leitungskonfektion von Hochvolt- und Datenleitungen ermöglichen. Zudem entwickelt ein VDMA-Arbeitskreis auf Basis des Industriestandards OPC/UA derzeit einen Schnittstellenstandard. Mit ihm können Bordnetzhersteller künftig Maschinen schnell und effizient an übergeordnete Softwaresysteme zur Dokumentation und Steuerung der Produktion anbinden, um steigende Anforderungen an Rückverfolgbarkeit und Qualität zu erfüllen.«