Fraunhofer-Projekt zu »Seltene Erden«

Zusammenarbeit für Substitution, Effizienz und Recycling

4. September 2018, 12:30 Uhr | Andreas Pfeffer
Am Beispiel eines Traktions-Elektromotors zeigten die Fraunhofer-Forscher, dass sich der Bedarf an Seltenen Erden reduzieren lässt.
© Fraunhofer

Seltene Erden zählen als Bestandteil vieler Hightech-Produkte aktuell zu den wichtigsten Rohstoffen. Für einen effizienteren Einsatz haben acht Fraunhofer-Institute in einem Gemeinschaftsprojekt neue Lösungen entwickelt – optimierte Fertigungsverfahren, Ansätze für Recycling und neue Materialien.

Diesen Artikel anhören

Im Jahr 2013 startete das Fraunhofer-Leitprojekt »Kritikalität Seltener Erden«. Acht Fraunhofer-Institute arbeiteten seither gemeinsam daran, einen effizienteren Einsatz der Rohstoffe zu erreichen. Auslöser des Projekts war damals ein Preisschock: China förderte rund 90 Prozent der Seltenen Erden für den Weltmarkt und verhängte damals einen Exportstopp – die Preise schnellten in die Höhe und die Verwundbarkeit der deutschen Industrie im Hinblick auf die Versorgungssicherheit mit den Rohstoffen wurde offensichtlich. 

Deshalb zielten die Forscher darauf ab, die verfügbaren Seltenen Erden effizienter einzusetzen und auch Ersatzmaterialien zu suchen – vor allem für die Elemente Dysprosium und Neodym, die beispielsweise für Magnete in Elektromotoren eingesetzt werden. Als Referenz dienten dabei zwei E-Motoren, ein Kleinantrieb und ein Traktionsantrieb.

Prof. Ralf B. Wehrspohn, Leiter des Fraunhofer IMWS und Sprecher des Leitprojekts, betont die Relevanz der gewählten Beispiele: »In einem durchschnittlichen Auto sind heute Dutzende solcher Motoren enthalten, die Fensterheber, Scheibenwischer oder Ölpumpe bewegen. Sehr viele dieser Motoren funktionieren mit Permanentmagneten, in denen Seltene Erden stecken. Durch immer neue Assistenzsysteme und nicht zuletzt durch den Trend zur Elektromobilität wird ihre Zahl künftig deutlich steigen. All das zeigt, wie wichtig ein effizienter Umgang mit diesen wertvollen Rohstoffen ist.«

Die Fraunhofer-Institute analysierten die Rohstoffmärkte für Seltene Erden und entwickelten zugleich Konzepte, wie bereits beim Design von Elektroantrieben die spätere Wiederverwendung oder das Recycling von Seltenen Erden berücksichtigt werden kann. Zudem wurde für den Herstellungsprozess ein Spritzgussverfahren mit weniger Ausschuss erarbeitet, bei dem das Magnetmaterial gemeinsam mit einem Kunststoff-Binder direkt in die gewünschte Form gebracht und anschließend gesintert wird – so entfallen zugleich Nachbearbeitungen. 

In einem weiteren Teilprojekt wurde ein Verfahren entwickelt, um Permanentmagnete aus Elektroschrott, Windrädern oder Autos wiederverwerten zu können. Durch den Einsatz von reinem Wasserstoff zerfallen die Produkte in kleinste Partikel und werden anschließend erneut gegossen oder gesintert. Die recycelten Magnete erreichen dadurch 96 Prozent der Leistungsfähigkeit von neuen Magneten.

Auch das Design der Elektroantriebe wurde überarbeitet: Durch Herabsenken der Betriebstemperatur können Magnete mit geringerer Temperaturstabilität und damit mit geringerem Dysprosium-Anteil zum Einsatz kommen. Zusätzlich wurden Materialien eingesetzt, die ebenfalls als Magnete dienen können, aber keine Seltenen Erden enthalten. In Hochdurchsatzverfahren haben die Forscher dabei zahlreiche Materialkombinationen getestet und neue Legierungen nachgewiesen, die statt Seltener Erden unter anderem Cer enthalten, das bei der Förderung von Neodym anfällt. Als »Flakes« weisen die neuen Verbindungen bereits gute magnetische Eigenschaften auf. Alle Materialien wurden zudem hinsichtlich der gegenwärtigen und künftigen Versorgungssicherheit betrachtet.

Die Kombination aller im Projekt entwickelten Möglichkeiten reduziert den Bedarf an Dysprosium und Neodym in den E-Motoren auf bis zu 20 Prozent der ursprünglich benötigten Menge. 

An dem Leitprojekt »Kritikalität Seltener Erden« sind nachfolgende Fraunhofer-Institute beteiligt:

  • Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC
  • Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU
  • Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM
  • Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS
  • Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF
  • Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
  • Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM
  • Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Bundesfinale 'Jugend forscht'

Umweltschonende Rückgewinnung von Neodym

Neue Konzepte erarbeiten

Audi und Umicore entwickeln Kreislauf für Batterierecycling

Wendepunkt für Autoindustrie

»Dieselgate« stellt alles in Frage

Hamburg vorne

Rangfolge der E-Auto-Ladestationen

Ausrichtung auf Elektromobilität

»Heimat der Elektrifizierung« von Aston Martin

Richter

VW könnte Kapitalmarkt zu spät informiert haben

Technische Hochschule Georg Agricola

Marktforschungsstudie zu Seltenen Erden

Ministerien streiten

Was kosten Diesel-Nachrüstungen?

Treiber-IC von Infineon

200 V-Halbbrückentreiber für zuverlässigen Startbetrieb

Automatisiertes Getriebe für E-Fahrzeuge

Kreisel baut eigenes 2-Gang-Getriebe für den Antriebsstrang

Luftreinhalteplan

Frankfurt muss 2019 Dieselfahrverbot einführen

WLTP-Messverfahren

Neuwagen-Boom in Deutschland durch neue Abgastests

Bericht

Zehn-Millionen-Euro-Strafe für BMW wegen Abschalteinrichtung

Audi e-tron

Produktionsstart im Werk Brüssel ist erfolgt

Klimapolitik der Europäischen Union

Autobauer stellen Einhaltung der Klimaziele in Frage

Kraftstoffverbrauch reduzieren

Antriebsstrang-Design mit Sensitivitätsanalyse optimieren

Bugatti Chiron als Lego-Version

2.304 Lego-Motoren erzeugen gemeinsam 3,9 kW

Ministerium

Keine Anhaltspunkte für Betrug bei VW-Benzinern

Entwicklung von Elektrofahrzeugen

Dyson macht ernst und investiert

Autobauer

Pläne für freiwillige Software-Updates bei KBA eingereicht

Abgasnachbehandlung und NOx-Umwandlung

Effiziente Lkw-Abgastechnik von Continental

Next Generation Car-Projekt von DLR

Leichtbaukarosserie für künftige Kleinfahrzeuge im Crashtest

E-Mobilität für Lkw-Sattelanhänger

Bosch integriert eAntrieb in Anhängerachse

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!