Von Diesel zu Strom

Warum die Depotelektrifizierung jetzt durchstarten muss

2. Dezember 2024, 14:20 Uhr | Autor: Maximilian Huber, Redaktion: Irina Hübner
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Mit dem Ziel der Bundesregierung, bis 2030 ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch zu erbringen, steht die Transportbranche vor einer Transformation, die das Potenzial signifikanter CO2-Einsparungen besitzt. Doch es besteht noch akuter Handlungsbedarf.

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Sei es zu Land, zu Schiene oder zu Wasser: Der Güterverkehr ist ein grundlegender Aspekt unseres modernen Lebens und spielt eine wichtige Rolle für die heimische Wirtschaft. Dabei ist der in Deutschland mit Abstand immer noch am häufigsten gewählte Transportweg die Straße. Der Transport via Lkw machte im Jahr 2020 rund 74 Prozent des gesamten Güterverkehrs aus – mehr als jede andere Transportart.

Entsprechend hoch ist auch die Belastung an Treibhausgasemissionen: 97,5 Prozent der gesamten CO2-Äquivalente des Güterverkehrs sind auf Straßentransport zurückzuführen. Das lässt sich durch den immer noch sehr hohen Anteil konventioneller Dieselmotoren im Transportwesen erklären. So waren Anfang des vergangenen Jahres lediglich 1,3 Prozent elektrifiziert oder anderweitig alternativ angetrieben. Ähnliche Verteilungen zeigen sich auch bei den leichten Nutzfahrzeugen.

Eine nationale und globale Herausforderung

Doch wie steht es um die Elektrifizierung des Straßentransportsektors in Deutschland und der EU? Die zentralen Hindernisse für die Elektrifizierung von Schwertransportern in der EU sind weder die technologische Machbarkeit noch die Kosten. Ersteres beweist beispielweise Daimler mit seinen Fernverkehr-Lkw wie dem eActros 600 und dem Proof of Concept für das Mega Watt Charging eindrucksvoll. Und auch wenn E-Lkws aktuell noch hochpreisig sind, werden sich auch diese Kosten mit der Weiterentwicklung von Verfahren und zunehmender Marktreife reduzieren.

Die wirkliche Crux und akuteste Gefahr für das Scheitern einer Neuausrichtung des Transportsektors steckt also woanders – und zwar im Verschlafen des Aufbaus der zugehörigen Ladeinfrastruktur – im öffentlichen Bereich, sowie hinter der Schranke in den Betriebshöfen. Denn schlussendlich hängt die Effizienz eines elektrischen Lasters auch maßgeblich von der Ladeinfrastruktur ab.

Aktuelle Daten zeigen für den öffentlichen Bereich noch ein ernüchterndes Bild: Die nationale Leistelle Ladeinfrastruktur listet für Ende 2024 in Deutschland 292 Ladepunkte, die für Lkw öffentlich zugänglich bzw. geeignet sind. Demgegenüber stehen bundesweit circa 21.000 High-Power-Charging-Ladepunkte insgesamt. Abhilfe soll die Initiative des Bundesverkehrsministeriums schaffen, zeitnah den Aufbau eines Lkw-Schnellladenetzes an 350 Standorten entlang der Autobahnen zu unterstützen.

Mega-Leistungen: Auf der Strecke und im Depot

Wenn wir über die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs sprechen, dreht sich aber nicht alles nur um die bloße Anzahl der Ladestationen. Mindestens ebenso wichtig sind deren Leistung, Qualität und die optimale Nutzung. Eine Eurowag-Studie zeigt auf, dass Fahrer, die ihre Elektro-Lkw-Batterie mit einem durchschnittlichen Fassungsvermögen von 400 kWh während einer vorgeschriebenen 45-minütigen Pause vollständig aufladen, ein 750 kW leistendes Ladegerät benötigen. Um eine solche Ladeleistung zu erreichen, braucht es das sogenannte Megawatt Charging System (MCS).

Deswegen ist es umso wichtiger, die Standzeiten von Lkw optimal zu nutzen und die Ladeprozesse effizient zu gestalten. Hierzu können verschiedene Ansätze zur Ladung kombiniert werden. Während das MCS für die schnelle und zeiteffiziente Ladung von Fernverkehr-Lkw in kurzen Pausen Abhilfe schafft, ist das »Overnight Charging« am Unternehmensstandort oder Rastplatz eine ideale Ergänzung für längere Standzeiten oder für Fahrzeuge, die über Nacht im Depot verbleiben. Hier kommt die bereits aus dem Pkw-Bereich bekannte Schnellladeinfrastruktur und deren CCS-Stecker zum Tragen. Ihr Einsatz erlaubt es, die Lkw während der längeren Ruhezeiten langsam aufzuladen.

Wichtig ist dabei auch eine intelligente Platzierung der Ladeinfrastruktur innerhalb des Depots. Ladepunkte werden idealerweise so positioniert, dass Fahrzeuge ohne unnötige Rangiermanöver geladen werden können, was die Effizienz des gesamten Betriebs erhöht.

Elektrische Lkw auf der Fernstrecke können bereits vor Fahrtantritt 55 Prozent des gesamten durchschnittlichen Energiebedarfs einer Strecke im Standort-Depot eines Unternehmens decken, was die Wichtigkeit von Ladeinfrastruktur im Depot unterstreicht. Eine Studie des Ministeriums für Verkehr in Baden-Württemberg geht davon aus, dass zwei Drittel der Ladevorgänge von E-Lkw in den Betriebshöfen stattfinden werden, während ein Drittel öffentlich durchgeführt wird. Neben MCS in den kürzeren Ruhepausen sind dabei laut Öko-Institut auch sogenannte Night Charging Systems (NCS) mit CCS-Stecker entlang der Strecke relevant. Insgesamt schätzen die Experten, dass zusätzlich zu einer leistungsstarken Ladeinfrastruktur in den Betriebshöfen ein Netz von rund 2.000 MCS- und etwa 40.000 CCS-Ladepunkten entlang des bundesweiten Autobahnnetzes benötigt wird.

Die Herausforderungen sind groß – aber nicht unüberwindbar

Um den Bau von MCS- und CCS-Ladeinfrastruktur, die beide hohe Stromleistungen erfordern, zügig voranzubringen, sollte keine Zeit mehr verschwendet werden. Dafür bedarf es eines intelligenten Plans, der allen beteiligten Akteuren die nötigen Informationen und Werkzeuge an die Hand gibt, Fakten schafft und Verlässlichkeit gewährleistet. Die Implementierung solcher Infrastrukturen fordert insbesondere die Energiewirtschaft als Ganzes heraus, die bereits mit der Bereitstellung moderater Leistungen für eine begrenzte Anzahl an Ladepunkten mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Dies gilt vor allem an strategisch wichtigen Orten, wie den Betriebshöfen und den Parkplätzen entlang der Autobahnen, wo die notwendige Energieinfrastruktur häufig von vornherein fehlt oder nicht ausreichend ausgelegt ist. Darüber hinaus führt ein gegenwärtiger Mangel an verfügbaren Transformatoren, die für MCS- und CCS-Ladeparks essenziell sind, zu erheblichen Verzögerungen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Lieferzeiten für diese Komponenten mehrere Monate bis zu einem halben Jahr betragen.

Zukunftspläne bitte jetzt

Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu wahren, sind entscheidende Investitionen und langfristig gedachte Maßnahmenpläne unerlässlich. Unternehmen, die bereits Erfahrungen in der Entwicklung und dem Betrieb von Pkw-Ladeinfrastruktur gesammelt haben, sind auch für die Herausforderungen beim Aufbau eines Lkw-Ladenetzes gerüstet und spielen eine entscheidende Rolle bei der Überwindung logistischer und technischer Hürden. Dabei ist der kontinuierliche Dialog zwischen Herstellern, Anwendern und politischen Entscheidungsträgern von zentraler Bedeutung.

Denn nur durch eine verstärkte Kooperation und einen regen Austausch kann die Antriebswende im Transportsektor gelingen. Und: Die Geschwindigkeit, mit der die Elektrifizierung von Lkw voranschreitet, hängt maßgeblich auch von den politischen Rahmenbedingungen ab. Eine proaktive Herangehensweise ist erforderlich, um die Herausforderungen beim Aufbau der Infrastruktur zu bewältigen und ein leistungsfähiges Ladenetzwerk – im öffentlichen Raum, sowie in den Betriebshöfen – zu etablieren, das den Bedürfnissen der Logistik entspricht. Mit strategisch klugen Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, kann Deutschland eine Vorreiterrolle in der globalen Elektrifizierung des Schwertransports einnehmen und damit den Weg für eine emissionsarme Zukunft ebnen.

 

 


Der Autor

Maximilian Huber
ist Product Development Manager Business Charging bei Mer. Dort gestaltet er aktiv die Verbindung von Mobilität und Energiewende. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf effizienten Ladelösungen für Firmenflotten und dem Aufbau nachhaltiger Depot-Infrastrukturen.


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